50 barocke Kirchen und 15 Adelspaläste machen Noto zum Garten aus Stein
Syrakus ist nicht nur eine spannende Stadt mit einem wunderschönen historischen Zentrum. Es ist auch der perfekte Ausgangspunkt für Ausflüge in den Südosten Siziliens. Im Hinterland liegen die bis zu 1000 Meter hohen Monti Iblei mit ihren tiefen Canyons, die nicht nur die Herzen von Wanderern höherschlagen lassen. In den spektakulären Barockstädten des 2002 von der Unesco zum Welterbe ernannten Val di Noto stehen einige der schönsten Bauten Siziliens. Badefans können sich südlich von Siracusa an wunderschönen Stränden und einsamen Buchten sonnen. Zwei Tage haben wir für unsere Ausflüge eingeplant – viel zu wenig, wie wir schon bald feststellen.
Auch wenn viele der Städte nur wenige Kilometer auseinanderliegen, darfst du die Fahrtzeit über die kurvigen Landstraßen in den Bergen nicht unterschätzen. Wir müssen uns entscheiden und so lassen wir Modica und Ragusa schweren Herzens aus. Irgendwas müssen wir uns schließlich noch für die nächste Reise nach Sizilien aufbewahren!
Fontana Quattro Canali an der Piazza San Sebastiano in Ferla
Unser erstes Ziel ist Ferla, ein kleines Dorf etwa 45 Kilometer westlich von Syrakus, das zu den Borghi più belli d’Italia gehört. Ferla ist ein wenig zerfasert gebaut, es gibt kein richtiges Zentrum. Der schönste Platz des Dorfes, die Piazza San Sebastiano mit dem Brunnen Fontana Quattro Canali, der Kirche San Giacomo und der Basilica San Sebastiano sowie den kleinen, bunten Häuschen rundherum, wirkt angesichts von gerade einmal 2500 Einwohnern überdimensioniert. Abends dürfte er jedoch der kulturelle und gesellschaftliche Mittelpunkt des sizilianischen Ortes sein.
Wir streifen ein wenig durch die Seitengassen des Bergdorfes, wo zwischen den oft renovierungsbedürftigen Häusern immer wieder hübsche Bauten und kleine Barock-Kirchen mit filigranen Verzierungen auftauchen. Anderen Menschen begegnen wir so gut wie keinen, was nicht zuletzt daran liegt, dass Ferla von den großen Reiseführern vernachlässigt wird. Unser Spaziergang durchs Dorf dauert eine knappe Stunde, dann machen wir uns auf den Weg.
Ausflug-Tipp: Wenige Kilometer von Ferla entfernt liegt ein kleines Paradies für Wanderer. Die Pantálica-Schlucht geizt nicht mit toller Landschaft und entlang der Wege liegen die in den Felsen gehauenen Nekropolen der Sikuler. Die Totenstädte aus der Bronzezeit gehören zum Weltkulturerbe.
- Die Basilica San Sebastiano in Ferla
- Chiesa Sant’Antonio in Ferla – hier konnten sich die Barockarchitekten austoben
Wir fahren ins Nachbardorf Buscemi, ein paar Kilometer südwestlich von Ferla. Der winzige Ort mit gerade einmal 1000 Einwohnern liegt auf 760 Metern Höhe und gilt als Museumsdorf. In Buscemi hat man einen ethno-anthropologischen Rundgang angelegt, der das ursprüngliche, ärmliche Leben der sizilianischen Bevölkerung auf dem Lande zeigt. In den kleinen, erhaltenen Häuschen bekommst du unter anderem Einblicke in die Lebens- und Arbeitsorte von Schmieden, Schreinern, Weinkelterern und Bauern. In der Hochsaison gibt es für gerade einmal 5 Euro von Montag bis Samstag Führungen durch das Dorf.
Wunderschön, aber verschlossen: die Chiesa Sant’Antonio da Padova in Buscemi
Kaum haben wir vor der wunderschönen Chiesa di Sant‘Antonio da Padova geparkt, ruft uns aus dem Haus gegenüber eine gut gelaunte 95 Jahre alte Nonna zu sich. Eine Führung durchs Dorf brauchen wir nicht mehr, denn in den nächsten 20 Minuten erzählt sie uns alles, was wir über Buscemi wissen müssen. Sie selbst ist mit ihren Geschwistern unter ärmsten Verhältnissen in einer der winzigen Hütten aufgewachsen, die gleichzeitig Wohn- und Arbeitsort waren. Sichtlich erfreut darüber, dass sich in ihrem Dorf ein paar Gäste aus dem Ausland blicken lassen, beklagt sie sich bitterlich, dass die Kirchen außerhalb der Messe so oft geschlossen sind.
- Eines der vielen Mini-Häuser in Buscemi, in denen früher ganze Familien lebten und arbeiteten.
- Buscemi – das Museumsdorf im Hinterland von Syrakus
Sie hat recht, denn leider ist sowohl die Chiesa di Sant‘Antonio da Padova geschlossen, die wir liebend gerne von Innen gesehen hätten, als auch die große Chiesa Madre am Ende des Corso Vittorio Emanuele und die Kirche San Sebastiano. So verlassen wir Buscemi etwas betrübt, aber mit einem großartigen Eindruck dieses liebevollen Dorfes, in dem man sicherlich jede Menge Kontakt mit den Bewohnern und Einblicke in das Leben im Bergdorf bekommt, wenn man über Nacht bleibt. Mit dem B&B Roberta gibt es sogar eine günstige Möglichkeit zum Übernachten.
Chiesa Madre – die Hauptkirche von Buscemi
Unser nächster Stopp auf der kleinen Rundreise durch das Hinterland von Syrakus führt uns nach Palazzolo Acreide, keine zehn Kilometer von Buscemi entfernt. Palazzolo Acreide gehört nicht nur zu den Borghi più belli, sondern auch zum Unesco-Welterbe des Val di Noto. Der Ort ist mit 8600 Einwohnern nicht riesengroß, trotzdem solltest du hier doch etwas mehr Zeit einplanen. Parken kannst du z.B. an der Via Acrense, von der Treppen in die Altstadt führen.
- Palazzolo Acreide – der Ort gehört zum Welterbe Val di Noto
- Palazzolo Acreide: die kleine Barockstadt hat sehr viel Charme
Mittelpunkt des wirklich hübschen Centro Storico ist die Piazza del Popolo mit der Chiesa di San Sebastiano, die nach dem großen Erdbeben von 1693 im spätbarocken Stil neu errichtet wurde und ein echter Blickfang ist. Entlang des herausgeputzten Corso Vittorio Emanuele lässt es sich gut in einem der Cafès entspannen und das entspannte Treiben beobachten. Auf dem Corso sind mit dem Palazzo Judica und Palazzo Pizzo sowie der Chiesa dell’Immacolata weitere Barockbauten zu sehen.
Kulinarischer Tipp: Gemütlich auf dem Corso sitzen und dabei leckere Süßigkeiten genießen – das geht in der Pasticceria Caprice, die für kleines Geld großen Genuss verkauft. Die kleinen Cremetörtchen Setteveli mit Pistazie und die Mini-Feigen-Tartes sind der absolute Wahnsinn!
Pasticceria Caprice, Corso Vittorio Emanuele 21, Palazzolo Acreide
Palazzolo Acreide: auf dem schmucken Corso gibt es Cafès zum Entspannen
Am Ende des Corso führt die Via Teatro Greco zu den Ruinen von Akrai, einer alten griechischen Siedlung. Das Teatro Greco aus dem 3. Jahrhundert v. Chr. ist zwar nicht so eindrucksvoll wie die großen Theater in Taormina und Syrakus. Dafür hast du die antiken Überreste für dich allein und einen guten Blick ins Valle dell’Anapo bis zum Ätna. Im Sommer werden in dem antiken Theater klassische griechische Stücke aufgeführt.
Die Via Acre führt an bunten Häuschen vorbei hinunter zur unauffälligeren Barockkirche San Michele. Nur etwa 300 Meter weiter liegen an der Piazza Aldo Moro gleich vier spektakuläre Bauten: die Chiesa Madre, die wunderschöne Basilica di San Paolo und die Palazzi Zocco und Rizzarelli Spadaro. Über die Via Garibaldi und Via Maestranza gelangen wir wieder zur Piazza del Popolo und stellen zufrieden fest, dass wir uns in das beschauliche Palazzolo Acreide direkt verliebt haben.
- Palazzolo Acreide: die Basilica di San Paolo steht den prunkvollen Bauten in Noto in nichts nach
- Skulpturen säumen die Fußgängerzone von Palazzolo Acreide
Gegenüber unserem nächsten Ziel wirkt der üppige Barock des Ortes allerdings wie ein Understatement. In Noto, dem Mittelpunkt des Weltkulturerbes Val di Noto, glänzt der Spätbarock an jeder Fassade. Das wissen auch die Touristen und so ist es in der schönsten Barockstadt Siziliens deutlich voller. Noto wurde wie die vielen anderen Städte im Südosten Siziliens beim großen Erdbeben von 1693 dem Erdboden gleichgemacht. Sorgfältig geplant hat man die Stadt 35 Kilometer südwestlich von Syrakus aus dem Nichts mit Glanz und Gloria wiederaufgebaut. Kosten und Mühen wurden in der rechtwinklig angelegten Stadt offenbar nicht gescheut. Alles wirkt wie aus einem Guss.
Die Barockstadt Noto: von der Basilica SS.Salvatore hast du einen Blick über die Stadt.
An die 50 Kirchen und 15 Adelspaläste machen Noto zu dem „Garten aus Stein“, wie der Kunsthistoriker Cesare Brandi die Stadt nannte. Viele der Prachtbauten stehen entlang des Corso Vittorio Emanuele, über den wir von der Porta Reale aus schlendern. Eine Kirche reiht sich auf dem Corso an die andere und jede scheint die andere an Prunk und Verzierungen überbieten zu wollen: die Chiesa di San Francesco all’Immacolata, die Chiesa Santa Chiara, der Palazzo Landonlina und der Palazzo Ducezio.
Die Via Nicolaci in Noto ist die Prunkstraße des Barock. Vor allem die Balkone mit ihren Fabelwesen sind berühmt
Die Basilica Santissimo Salvatore solltest du unbedingt besichtigen, denn vom Glockenturm aus hast du einen wunderbaren Blick auf Noto und die Kathedrale San Nicolò. Die Kathedrale ist das spektakulärste Gebäude in der ganzen Stadt und das Wahrzeichen Notos. Ende der Neunziger stürzte ihre Kuppel ein und wurde jahrelang restauriert. In der Seitenstraße Via Nicolaci steht der Palazzo Nicolaci di Villadorata, dessen Balkone weltbekannt sind. Sie zeigen Fabelwesen und zu Fratzen verzogene Gesichter.
- Kathedrale San Nicolo – Notos Prachtbau
- Glanz und Gloria in der Santa Chiara-Kirche
Fast am Ende des Corso steht der Brunnen Fontana d’Ercole von 1757 vor der prunkvollen Chiesa San Domenico. Von hier aus lohnt sich der Weg in die höher gelegene Parallelstraße Via Cavour. Sie ist nicht ganz so großzügig angelegt wie der Corso. Du findest dort aber weitere tolle Barockbauten wie den Palazzo Castelluccio und die Chiesa Montevergine. Unser Fazit über Noto fällt gemischt aus. Die Stadt hat Charme und beeindruckt durch die imposanten Gebäude. Allerdings wurde beim Barock in Noto nicht gekleckert, sondern geklotzt. Der Architekturstil hat eine Schwere, die stellenweise erdrückend wirkt. Manchen gefällt’s, anderen nicht. Ein Besuch in Noto lohnt sich aber!
Idyll in Blau: das Fischerdorf Marzamemi
Noto hat sogar einen kleinen Badestrand, der acht Kilometer entfernt liegt. Wir wollen allerdings nicht zum Lido di Noto, wo im August der Bär steppt. Uns zieht es nach Marzamemi, etwa 20 Kilometer südlich von Noto, fast an der Südspitze Siziliens. Das malerische Fischerdorf, das ein Ortsteil von Pachino ist, wirkt mit seinen kleinen, bunten Häusern fast wie eine Filmkulisse (was es auch mehrmals war).
Jahrelang wurde hier Thunfisch verarbeitet und auf dem ehemaligen Gelände der Tonnara haben sich direkt am Wasser und rund um die romantische Piazzetta mittlerweile unzählige kleine Trattorien und Osterien niedergelassen. Im Hochsommer ist es in Marzamemi brechend voll, abends pulsiert in dem winzigen Küstenort das Nachtleben. Anfang September ist der Spuk allerdings vorbei und der große Trubel hat sich gelegt. Dann lässt sich in Marzamemi in Ruhe ein entspannter Badeurlaub verbringen.
In Marzamemi wurden die Gebäude von ehemaligen Thunfischfabriken in kleine Trattorien verwandelt.
Kulinarischer Tipp: In Marzamemi sitzt die berühmte Thunfischfabrik Campisi, die seit 1854 Fischkonserven herstellt. Im Shop kannst du dich mit ganz vielen leckeren Spezialitäten eindecken, angefangen vom eingelegten Thunfisch und Schwertfisch, Thunfisch Pesto und -creme, bis hin zu einer Bresaola di Tonno! Im Restaurant vor Ort kommen frische Thunfisch-Gerichte auf den Tisch.
Campisi, Via Marzamemi 12, Marzamemi
Zum Baden zieht es uns woanders hin: Nördlich von Marzamemi gibt es eine Reihe von nahezu unberührten Stränden, an denen das Baden erlaubt ist. Im Naturreservat Vendicari mit seinen Lagunenseen und den vielen Vogelarten kannst du auch prima wandern. Wir wollen zur Spiaggia di Calamosche, einer kleinen Bucht mit Sandstrand, die du nach etwa 20 Minuten Fußweg durch den Naturpark erreichst. Wir parken am Agriturismo Calamosche, das nicht ganz einfach zu finden ist – ein schmaler Schotterweg führt von der SP19 zum Parkplatz.
Der Calamosche-Strand im Naturpark Vendicari
Für den Besuch der Strände gelten allerdings einige Einschränkungen. So ist der Zutritt nur zwischen 7 und 19 Uhr möglich, jeder Besucher wird registriert. Strandspielzeug ist verboten. Der Strand ist im Sommer voll, im September geht es ruhiger zu. Leider haben wir Pech und das sonst so ruhige Wasser in der Bucht ist bei unserem Besuch sehr bewegt. Riesige Wellen brechen am Strand. Mehr als ein wenig Wellenhopsen und Ausspannen ist nicht drin, weshalb wir am Vorabend unserer Abreise aus Sizilien auch nicht allzu lange an der Calamosche bleiben.
Am nächsten Morgen müssen wir schweren Herzens zurück zum Flughafen Catania. Sizilien ist uns ans Herz gewachsen. Nicht nur weil die Insel typisch Süditalien ist, was allein schon ein Grund ist, immer wiederzukommen. Aber gleichzeitig ist Sizilien nochmal ganz anders. Von der wirklich atemberaubenden Schönheit der Madonie und dem imposanten Ätna, über die besondere Atmosphäre Palermos, den Trubel und die Einsamkeit, die man beide auf Sizilien findet, bis zu den kulturhistorisch bedeutenden Städtchen ist die größte Insel Italiens vor allem eines: extrem beeindruckend. Aber wir fliegen mit dem Wissen, dass wir nicht zum letzten Mal in Sizilien waren.
Bereits erschienene Teile des Sizilien-Reiseberichts:
- Teil 1: Taormina und das Bergdorf Castelmola
- Teil 2: Rund um den Ätna: Bronte, Randazzo und Castiglione
- Teil 3: Cefalù – malerisches Städtchen an der Nordküste
- Teil 4: Palermo – die schillernde Hauptstadt Siziliens
- Teil 5: Im Hinterland der Nordküste: die schönsten Dörfer der Madonie
- Teil 6: Syrakus und seine Altstadt Ortygia – antike Perle am Ionischen Meer
Du warst schon in Syrakus und Umgebung oder möchtest noch mehr über Sizilien wissen? Dann hinterlasse mir in den Kommentaren gerne deine Tipps oder Fragen!
Lisa Dartmann
Bitte schicke mir deine Reiseberichte neue einfn Link. Danke 🙏 Lisa
Torsten
Liebe Lisa,
der Sizilien-Bericht ist mit diesem Teil erstmal vorbei. Im Herbst geht es aber mit einem Bericht zur Toskana weiter.
Liebe Grüße
Torsten