Es ist Wochenende und in Alberobello füllen sich die Gassen mit Touristen. Ein unerträgliches Gedränge. Es gibt zwei Optionen: den Tag gemütlich auf der Terrasse verbringen oder einen Ausflug zu den anderen sehenswerten Orten im Valle d’Itria unternehmen. Locorotondo, Cisternino, Martina Franca und Ostuni mit ihren zahlreichen Sehenswürdigkeiten sind alle nur einen Katzensprung entfernt. Wir entscheiden uns beim morgendlichen Cornetto und Espresso für den Ausflug und keine 20 Minuten später sind wir auf dem Weg.
Locorotondo
Von Alberobello nach Locorotondo sind es nur acht Kilometer. Ein Parkplatz ist schnell an der Piazza Antonio Mitrano gefunden. Der Betrieb hält sich in Grenzen. Dabei gehört Locorotondo zu den Borghi più belli – den schönsten Orten Italiens. Diese Städtchen sind meist eine einzige große Sehenswürdigkeit. Sein Name leitet sich von Locus Rotundus (zu Deutsch: runder Ort) ab. Ein Blick auf das historische Zentrum verrät sofort warum… es ist nicht nur winzig klein, sondern kreisrund.
Obwohl Locorotondo so nah an Alberobello liegt, ist das kleine Städtchen doch völlig anders gebaut. Denn es sind nicht die Trulli, die das Stadtbild prägen. Stattdessen sind es weiß gekalkte Giebelhäuser mit wahnsinnig schrägen Spitzdächern. Diese Dächer aus Stein nennt man cummerse. Die Bauweise sorgt dafür, dass die verwinkelten Gassen im Centro Storico deutlich enger wirken, als sie es eigentlich sind.
Sehenswürdigkeiten in der Altstadt von Locorotondo
Locorotondo ist ein kleines Labyrinth mit viel Charme und blumengeschmückten Balkonen. An der Chiesa Madonna della Greca im Osten betreten wir die Altstadt. Die Kirche gehört zu den ältesten in Locorotondo. Von außen ist sie recht schmucklos, aber innen lockt sie mit einer Sehenswürdigkeit: dem reich verzierten Altar mit einer Steinstatue der Maria, umgeben von vier Heiligen.
Nur wenige Schritte weiter stehen wir schon im Herzen des Centro Storico. Dort gaukelt die Hauptkirche Chiesa San Giorgio mit ihrer barocken Fassade vor, deutlich älter zu sein, als sie es tatsächlich ist. Spätestens beim Blick ins recht moderne neoklassische Innere wird klar, dass hier etwas nicht stimmt. Und in der Tat – die Kirche wurde erst Anfang des 19. Jahrhunderts errichtet.
Direkt um die Ecke solltest du auf keinen Fall die Chiesa di San Nicola di Myra verpassen. Sie ist ein echtes Highlight. Die kleine Kirche ist eingeklemmt zwischen den Häusern und begeistert mit sehenswerten Wandbemalungen aus dem Leben des Heiligen Nikolaus. Allerdings ist das aus typischen Trulli-Steinen gemauerte Dach von außen leider nicht zu erkennen.
Locorotondos schönster Aussichtspunkt
Am westlichen Ende der Altstadt rund um den kleinen Park der Villa Comunale pulsiert das Leben stärker. Vor allem abends sitzen hier die Alten und tauschen die Neuigkeiten des Tages aus, während sie das umwerfende Panorama über das Itria-Tal genießen. In Richtung Süden kannst du ganz klar Martina Franca erkennen. Es ist ein perfekter Ort für eine kleine Pause. Einmal kurz die Füße ausstrecken, bevor es weiter geht. An der Porta Napoli stürzen wir uns auch schon wieder in das Gassengewirr. Die Säulen des Portals sind die einzigen Überreste der alten Stadtbefestigung, die noch erhalten sind. Die meisten Menschen bleiben jedoch nicht vor der Porta stehen, weil sie so alt ist. Vielmehr sind es die zahlreichen Gedenktafeln, die sie schmücken. Sie erinnern an historische Ereignisse und berühmte Persönlichkeiten.
Kulinarischer Tipp: Weißwein aus Locorotondo
Città del Vino Bianco, Stadt des Weißweins, wird Locorotondo auch genannt. Seit 1969 ist das Gebiet rund um den weißgetünchten Ort eine DOC-Region. Angebaut werden vor allem die autochtonen Sorten Verdeca und Bianco d’Allesano, aber auch Fiano. Die Weine sind leicht und schmecken hervorragend zu Fischgerichten. Wenn du in Locorotondo unterwegs bist, solltest du auf jeden Fall in einer Enoteca vorbeischauen und dir ein paar Flaschen mitnehmen.
An der Piazza Vittorio Emanuele genießen wir noch einmal die besondere Atmosphäre, um schließlich Locorotondos einzigem Adelspalast einen Besuch abzustatten. Der Palazzo Morelli ist ein steinernes Zeugnis des Barock – mit einem prächtigen Portal und verzierten Fenstern. Ein wahrer Prunkbau wie er sonst eher in Martina Franca zu finden ist – unserem nächsten Ziel der Rundreise.
Martina Franca – Barockstadt im Valle d’Itria
Hügel runter, Hügel rauf. Nur sechs Kilometer trennen Locorotondo und das südlich gelegene Martina Franca. Mit seinen 47.000 Einwohnern ist Martina Franca das größte Städtchen im Itria-Tal. Anders als Locorotondo gehört es nicht mehr zur Provinz Bari, sondern zum Gebiet von Tarent. Im Valle d’Itria treffen gleich drei apulische Provinzen aufeinander.
Martina Franca war lange ein wichtiges Handelszentrum und ist neben Lecce die bedeutendste Barockstadt im südlichen Apulien. Der Tourismus hat das Stadtbild zum Glück noch nicht verändert. So ist die elegante Altstadt ein wahres Fest für die Augen. Überall stehen prunkvolle Palazzi mit üppigen Verzierungen. Die weitläufigen Plätze laden zum Verweilen ein. Martina Franca ist eine wahrhaft tolle Stadt mit vielen Sehenswürdigkeiten.
Die stattliche und großzügig angelegte Piazza XX Settembre vor den Toren der Altstadt lässt noch planerische Ordnung vermuten. Cafés und Eisdielen säumen den Platz. Eine Baumallee führt von der Chiesa Sant’Antonio aus dem 14. Jahrhundert über das strahlend helle Pflaster hinunter zur barocken Porta Santo Stefano am Eingang des Centro Storico. Der Palazzo Ducale direkt hinter dem Portal zeigt die Schattenseiten des Barock. Klotzig und mit Gigantismus will das Schloss überwältigen. Einst residierte darin die neapolitanische Adelsfamilie Caracciolo, die Martina Franca seit dem 15. Jahrhundert beherrschte.
Unterwegs im Gassenlabyrinth von Martina Franca
Hinter dem Palazzo beginnt allerdings das Gassenlabyrinth, in dem du dich schnell verlaufen kannst. Es macht Spaß, sich darin treiben zu lassen. Immer wieder enden die Wege in Sackgassen oder führen um die nächste Ecke in noch engere Sträßchen oder Hinterhöfe. Kleine Blumenoasen und Gärten inmitten des Gewirrs und der Palazzi laden zu Pausen ein. Sie stammen vom Projekt Iazzi, das verteilt über die Stadt Orte zum Durchatmen, der Natur und der Begegnung gestaltet. Einige davon findest du am Vico Il Macantone, am Largo Cappelletti, an der Piazzetta Stabile oder am Largo Abate Vinci.
Piazza Plebescito und Piazza Immacolata – zwei der schönsten Plätze Apuliens
Über die Via Vittorio Emanuele erreichen wir die Piazza Plebiscito mit der Basilica di San Martino aus dem 18. Jahrhundert. Die Fassade zeigt sich in einer umwerfenden barocken Pracht. Vollkommen harmonisch fügt sich die Mutterkirche in die ganze Piazza ein. Ein wahres Gesamtkunstwerk aus Platz, Treppen, Kirche und den übrigen Gebäuden – einer der schönsten Orte in Martina Franca. Ein Blick in die Basilica lohnt ebenso wie der Besuch der kleinen Chiesa del Monte Purgatorio direkt gegenüber, die mit schönstem Marmor ausgekleidet ist. Der Palazzo dell’Università mit dem Torre Orologio an der Piazza war lange Zeit Sitz der Stadtverwaltung, ist aber leider nicht für die Öffentlichkeit zugänglich.
Der zweite wunderschöne Platz in Martina Franca, die Piazza Maria Immacolata, schließt direkt an die Piazza Plebiscito an. Setze dich für einen Moment auf eine der Bänke vor das halbrunde Gebäudeensemble und lass diesen magischen Ort unbedingt auf dich wirken.
Sehenswertes im Norden der Altstadt von Martina Franca
Über die Via Principe Umberto gelangen wir schließlich in den nördlichen Teil der Altstadt von Martina Franca. Sie führt an der Kirche San Domenico von 1745 vorbei. Ihre prachtvolle Barockfassade ist zweigeteilt. Die verspielten Verzierungen über dem Portal sind unglaublich detailverliebt, während im oberen Teil der Fassade die barocke Geometrie des Fensters dominiert. Noch etwas weiter nördlich übersehen wir fast das Ospedaletto am Rande der Altstadt. Das „Hospitälchen“ aus dem späten 18. Jahrhundert trägt den verniedlichenden Namen, weil es der Ort war, der den Kleinsten Schutz bot: durch eine Drehtür konnten dort ungewollte Babys abgegeben werden.
Die Wachtürme entlang der alten Stadtmauer
Am Rand der alten Stadtmauer stehen wir an der Chiesa del Carmine mal wieder vor verschlossenen Toren. Sie ist eine weitere prächtige Barockkirche aus dem 18. Jahrhundert. Dafür stoßen wir direkt gegenüber auf ein Zeugnis aus der Vergangenheit: einer der vielen alten Wachtürme, die rund um die Altstadt noch erhalten geblieben sind. Mittlerweile sind sie fest mit den Häusern verwachsen. Die Türme wurden von den Angevinern im 14. und 15. Jahrhundert errichtet und lassen sich am besten bei einem Rundgang um das Centro Storico entdecken.
Am westlichen Rand der Altstadt, auf Höhe der Kirche San Francesco d’Assisi, biegen wir durch einen kleinen Rundbogen wieder in das Gassengewirr. In diesem Teil des Centro Storico stehen einige der ältesten Häuser von Martina Franca, die über die Jahrhunderte bizarr miteinander verwachsen sind. Während wir durch die Gassen streifen, passieren wir auf dem Rückweg zum Auto noch die Chiesa Santa Maria della Purità, deren schlichtes Äußeres wenig verspricht. Im Inneren ist sie von Rokoko-Kitsch geradezu überfrachtet.
Kulinarischer Tipp: Capocollo di Martina Franca
Wenn du im Valle d’Itria unterwegs bist, gibt es eine Spezialität, die du probieren musst: Capocollo di Martina Franca. Er gehört du den köstlichsten Wurstwaren, die Apulien zu bieten hat. Für den Capocollo verwenden die Metzger ein Stück Muskelfleisch aus dem Nacken. Es wird zunächst eingesalzen und schließlich mit Gewürzen und Wein veredelt. Anschließend wird das Fleisch luftgetrocknet und mit einer Mischung aus Mandelschalen und Eichenholz geräuchert. Sie verleihen dem Capocollo eine besondere Geschmacksnote. Der Capocollo aus Martina Franca ist Teil der „Arche des Geschmacks“ von Slow Food, mit der die Vereinigung regional bedeutsame Lebensmittel schützt.
Zurück an der Piazza XX Settembre schmerzen die Füße nach unserer langen Sightseeing-Tour. Ein Espresso und eine krosse Sfogliatelle wecken wieder unsere Lebensgeister. Ein letzter Blick auf Martina Franca, dann geht es zurück zu unserem Trullo in Alberobello. Von dort aus wollen wir am nächsten Tag die äußerst sehenswerten Städte Cisternino und Ostuni erkunden.
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