Imraan Safi ist gebürtiger Afghane. Als Geflüchteter kam er Ende 2014 nach mehrmonatiger Odyssee durch verschiedene Länder nach München, wo er heute lebt. Dort rief Imraan 2018 den Blog „Zusammenkochen“ ins Leben, auf dem er Rezepte aus der afghanischen Küche teilte. So wollte er nicht nur Küche und Kultur Afghanistans an Deutsche vermitteln, sondern mit Tipps zu Zutaten anderen Geflüchteten zeigen, dass sie die Gerichte ihrer Heimat auch in Deutschland nicht vermissen müssen. Mit „Salam. Rezepte & Geschichten aus Afghanistan“ hat Imraan Safi nun sein erstes Kochbuch veröffentlicht. Es stellt nicht nur in eine faszinierende Küche voller Aromen vor, sondern vermittelt viel von einem Land, über das man jenseits von Taliban und Krieg in Deutschland kaum etwas weiß.
Ist die afghanische Küche eine große Nationalküche oder setzt sie sich aus vielen regionalen Kochtraditionen zusammen?
Viele Gerichte kocht man regional. Das hängt ein bisschen davon ab, wo man wohnt. Ich bin an der Grenze zu Pakistan aufgewachsen. Die Küche dort ist stark beeinflusst von der pakistanischen oder indischen Küche. Afghanen aus anderen Städten oder Ecken des Landesm an der Grenze zu anderen Ländern kennen wiederum andere Gerichte, die für die Menschen in meiner Region nicht üblich wären. Aber es gibt auch klassische Speisen wie die gefüllten Teigtaschen Mantu. Oder Qabuli – ein Reisgericht mit Lammfleisch und Rosinen, das überall gekocht wird. Egal ob im Süden oder Norden – jeder kennt es.
Was macht die afghanische Küche aus? Was unterscheidet sie von anderen Küchenstilen?
In der Region, aus der ich stamme, sind manche Gerichte ähnlich wie in Pakistan oder Indien. Aber wir essen nicht so scharf und würzig wie die indische Küche. Es gibt im Essen Schärfe. Sie ist aber nicht so stark, dass man die Zutaten nicht mehr schmecken kann. Wir nehmen auch andere Gewürze – zum Beispiel kochen wir viel mit Koriander und Nelken. Insgesamt ist die Küche weniger scharf und ausgewogen gewürzt.
Was sind die wesentlichen Zutaten der afghanischen Küche?
Reis. Wir essen ihn in verschiedenen Varianten. Er ist immer als Beilage dabei oder sogar das Hauptgericht. Und Brot ist für die afghanische Küche sehr wichtig. Alles, was wir kochen, essen wir mit Brot. Manchmal ist es sogar so, dass die Afghanen auch den Reis mit Brot essen. Außerdem ist Lammfleisch eine Zutat, mit der wir sehr gerne kochen.
Was macht die afghanische Esskultur aus? Welchen Stellenwert hat Essen?
Wir Afghanen sind sehr gastfreundlich. In der Gegend, wo ich herkomme, kennen sich die Leute untereinander, weil wir in kleinen Dörfern wohnen. Aber auch wenn man Menschen nicht kennt, werden sie oft eingeladen. Kochen ist dabei sehr wichtig, denn mit Essen will man dem Gast etwas Gutes tun. Bei uns sagt man, dass der Gast ein Geschenk Gottes ist. Wenn jemand bei dir zu Hause etwas essen kann, freust du dich darüber.
Wie wichtig ist afghanische Küche für dich und deine Identität?
Sie ist sehr wichtig, vor allem wegen der Erinnerungen, die ich daran habe. Die kommen wieder hoch, wenn ich afghanisch koche, und ich kann sie dadurch behalten. Es ist mir wichtig, dass ich hier afghanisch kochen kann. Ich habe früher meine Oma und meine Mama beim Kochen beobachtet und dabei einiges gelernt.
Was sind deine schönsten Kindheitserinnerungen an afghanisches Essen?
Die schönsten Erinnerungen sind die an meine Oma. Ich habe als Kind lange in Pakistan gewohnt. Ich bin immer wieder nach Afghanistan gereist und habe dort die Sommerferien bei meiner Oma verbracht. Sie hat jede Menge gekocht und wir haben Leute eingeladen. Wir saßen dort im Garten und hatten immer Gäste. Ich durfte dann auch etwas kochen, und das hat mir immer sehr viel Freude bereitet. An diese Situation erinnere ich mich jedes Mal, wenn ich hier in Deutschland für meine Freunde koche.
Lösen bestimmte Gerichte eine besondere Erinnerungen bei dir aus?
Einige Gerichte, die auch im Buch stehen, hat meine Oma gerne zubereitet. Für Qabuli haben meine Großeltern den Reis selbst angebaut. Nach der Ernte haben sie ihn in einen großen Tontopf gepackt und ihn darin für ein Jahr ruhen lassen. Durch die Lagerung hat er ein spezielles Aroma entwickelt. Nachdem das Jahr vorbei war, wurde der Tontopf wieder geöffnet und man konnte mit dem Reis kochen. Der hat dann so gut geduftet, dass ich das nie vergessen werde. Deshalb ist Qabuli ein Rezept, an das ich mich immer erinnere.
In Deutschland wird Afghanistan seit Jahrzehnten nur als Kriegsregion wahrgenommen. Wirklich viel weiß man über das Land gar nicht.
Das stimmt. Man hört hier nur von Krieg, Taliban und Bombenanschlägen. Vom Land an sich wird wenig erzählt. Das ist sehr schade und ich möchte darüber auch etwas in meinem Buch vermitteln. Damit die Menschen in Deutschland auch etwas von der Schönheit des Landes und den Leuten dort sehen. Es gibt Bilder, die zeigen, wie das Brot in einer Bäckerei gebacken wird, wie man das Gemüse anbaut und wie die Landschaft in Afghanistan aussieht. Ich wollte, dass man einen Eindruck davon bekommt. Da würde ich mir wünschen, wenn mehr über diese Seiten des Landes in Deutschland berichtet würde und nicht nur vom Krieg und den Anschlägen. Ich hoffe, dass ich ein Stück dazu beitragen kann.
Wie reagieren die Menschen in Deutschland auf afghanisches Essen und seine Aromen – gerade diejenigen, die zum ersten Mal mit der Küche Afghanistans in Berührung kommen?
Ich stelle immer wieder fest, dass es den Leuten schmeckt. Egal ob ich für sie koche oder ob sie es woanders probiert haben. Sie bekommen Lust auf mehr. Das liegt vielleicht daran, dass die Gerichte von den Gewürzen ausgewogen und nicht zu scharf sind. Und die meisten Zutaten dafür bekommt man auch in Deutschland.
Welche drei typisch afghanischen Gerichte sollte man unbedingt probieren?
Qabuli auf jeden Fall. Das muss man kennen, weil es unser Nationalgericht ist. Die gefüllten Teigtaschen Mantu auch. Das Lammfleisch auf Fladenbrot würde ich ebenfalls empfehlen – das mag ich persönlich sehr. Wenn man kein Fleisch isst, dann Badenjan Borani. Das sind gebratene Auberginen mit Tomaten und Joghurt.
Hast du bei der Zusammenstellung des Buchs versucht, so weit wie möglich beim „authentischen“ Rezept zu bleiben oder passt du Zutaten und Gewürze für den deutschen Geschmack an?
Ich habe versucht, die Gerichte so zuzubereiten, wie sie meine Oma gekocht hat. Aber ein paar Zutaten musste ich ein wenig anpassen, wenn diese in Deutschland nur schwierig zu bekommen sind. Oder wenn ich weiß, dass eine Zutat bei den Deutschen nicht so gut ankommt. Öl ist so eine, die wir sehr gerne und sehr viel verwenden. Das habe ich reduziert, dass es nicht zu viel wird, aber trotzdem schmeckt.
Was rätst du Hobbyköchen, die gerne afghanische Küche lernen und kochen wollen? Worauf muss man achten, welche Fehler sollte man vermeiden?
Schiefgehen kann wenig. Es braucht etwas Übung und man sollte sich nicht davon abschrecken lassen, falls man es auf Anhieb vielleicht nicht so gut hinbekommt. Beim Reis ist es manchmal so, dass der beim ersten Mal etwas klebrig wird. Man sollte sich Zeit lassen und einfach die Gerichte ausprobieren. Wenn es beim ersten Mal nicht funktioniert, dann spätestens beim zweiten Mal.
Imraan Safi
„Salam. Rezepte & Geschichten aus Afghanistan“
(Christian Verlag)
ISBN 978-3-95961-541-9, 224 Seiten, € 29,99
Imraan Safis Gastrezept
Dopiaza – Zwiebelfleisch mit Kichererbsen auf Fladenbrot
Zutaten
- 5 Zwiebeln
- Essig
- 1 kg Lammfleisch ohne Knochen
- 3-4 Zehen Knoblauch
- 2 TL Garam Masala alternativ: Char Masala
- 1 TL Kurkuma
- Pflanzenöl
- 400 g Kichererbsen aus der Dose
- Salz
- schwarzer Pfeffer
- 4 arabische Fladenbrote
Zubereitung
- 1 Zwiebel abziehen und in feine Ringe schneiden. Diese in ein Gefäß mit Deckel geben und mit Essig bedecken. Abgedeckt bis zum Servieren in den Kühlschrank stellen.
- Das Lamm in etwa 3 cm große Würfel schneiden. Die übrigen Zwiebeln un den Knoblauch abziehen. Die Zwiebeln in feine Würfel schneiden und den Knoblauch kleinhacken. Das Garam oder Char Masala und das Kukurmapulver in einer kleinen Schale miteinander vermischen.
- Öl in einem Topf erhitzen und das Fleisch darin zusammen mit dem Knoblauch etwa 5 Minuten scharf anbraten. Anschließend herausnehmen und beiseitestellen. Die Hälfte der gewürfelten Zwiebeln im selben Topf leicht braun anschwitzen. Dann das angebratene Fleisch, die Gewürze und 400 ml Wasser zufügen. Gut umrühren und das Zwiebelfleisch bei aufgesetztem Deckel bei mittlerer Temperatur etwa 90 Minuten schmoren.
- Nach Ende der Schmorzeit die restlichen Zwiebeln untermischen. Alles weitere 20 Minuten offen bei niedriger Temperatur schmoren lassen, bis die zuletzt dazugegebenen Zwiebeln weich sind und die Sauce eine sämige Konsistenz hat.
- Die Kichererbsen in ein Sieb abgießen und unter fließendem Wasser abspülen. Zum Zwiebelfleisch geben und alles etwa 5 Minuten weitergaren. Zum Schluss mit Salz und Pfeffer abschmecken.
- Zum Anrichten jeweils ein Fladenbrot auf einen Teller legen und das Zwiebelfleisch portionsweise daraufgeben. Das Dopiaza mit den Essigzwiebeln belegen und servieren.
SUSANNE HOSSAINI
Salam Imraan, ich bin mit einem Afghanen verheiratet und wir lieben dein Kochbuch.
Imraan Safi
Vielen Dank Frau Hossaini, freut mich sehr! :)
Bearbite
Danke Imraan und danke Torsten, das war köstlich und wird definitiv häufiger bei mir auf dem Tisch landen.
Imraan Safi
Danke Ihnen und viel Spaß weiterhin beim Nachkochen! :)