Sonnenschein, 22 Grad. Perfektes Ausflugswetter. Die schönsten Dörfer im Hinterland der Maremma stehen diesmal auf unserer Bucket List. Die Toskana hat einige davon, aber im Süden drängen sie sich dicht aneinander. Darunter Highlights wie Pitigliano vor atemberaubender Kulisse oder verschlafene, aber wunderschön erhaltene Nester wie Montemerano, Sovana oder Capalbio. Echte Geheimtipps! Es gibt viele Sehenswürdigkeiten und kulinarische Highlights zu entdecken auf dieser Rundreise im Süden der Toskana!
Von Porto Santo Stefano sind wir unterwegs nach Montemerano auf der SR74, die durch die flache Küstenebene der Maremma führt. In Marsiliana nehmen wir die Strada Aquilaia, die über Colle Lupo und Pomonte durch die landschaftlich reizvollsten Ecken der Maremma verläuft. Seitlich der Straßen erstrecken sich tiefgrüne, leicht hügelige Grasflächen. Dazwischen in Reih und Glied gepflanzten Zypressen, symmetrisch angelegte Olivenhaine und endlose bunte Blumenwiesen. Die Fahrt durch diese Gegend Italiens ist eine einzige Augenweide!
Montemerano – Biscotti, Palazzi und eine Extraportion Atmosphäre
In Montemerano haben wir schnell direkt unterhalb der Porta San Girgio einen Parkplatz gefunden. Direkt hinter dem Stadttor solltest du unbedingt einen Blick in die Kirche werfen – sie ist ein echtes Kleinod mit wunderschönen Fresken, u.a. von Il Vecchietta. Das Dörfchen mit rund 300 Einwohnern liegt auf einer Bergkuppe und verzaubert mit seinen kleinen, massiven Steinhäusern. Eine kleine Straße führt um das Herz des Centro Storico, die Piazza del Castello und die Piazza del Campanile. Die beiden Plätze sind eine Welt für sich. Ein Ort mit hutzeligen Häusern, mit Pflanzen bewachsen und mit Blumen geschmückt. Abends beleben sich die beiden Plätze mit Dorfbewohnern und Gästen. In der Weinbar Castel DiVino um die Ecke gibt es lokale Weine und dazu eine Tagliere mit Wurst und Käse.
Kulinarischer Tipp
Als süßes Leckermaul solltest du unbedingt im Centro Storico von Montemerano einen Blick in die Bäckerei Mazzuoli werfen. Als wir die kleine Gasse zur Altstadt hochgehen, weht uns schon von weitem der leckere Geruch von frisch gebackenen Keksen in die Nase. Einfach verführerisch! Und so stehen wir auch sofort in der winzigen Bäckerei. Begrüßt von einer sympathischen Verkäuferin und einer Theke mit toskanischen Köstlichkeiten: duftende Cantuccini, Brutti Ma Buoni, Baci Neri, Pan dei Santi oder Cavalucci. Alles was das süße Herz begehrt – in bester Qualität!
Panificio Mazzuoli, Via Italia 32, Montemerano 58014
Piazza Castello in Montemerano Montemerano: viel Schönheit im Detail
Feste in Montemerano
Gleich mehrere Feste laden im Laufe des Jahres dazu ein, Montemerano zu besuchen. Besonders atmosphärisch: die Festa delle Streghe. Das Hexenfest findet im November statt, überall im Ort stehen Hexenfiguren, in der Bäckerei gibt es in bester Halloween-Manier „Hexenfinger“ zu kaufen. Es ist eine Mischung aus Kostümparty und Musikfest rund um das Thema Kunst und Hexerei. Wenn du im Herbst in der Toskana bist, solltest du es auf jeden Fall besuchen.
Kulinarischer Tipp
Anfang August findet in Montemerano die Sagra della Trippa statt. Jeden Abend kannst du im Freien Kutteln alla Montemeranese oder in vielen anderen Varianten probieren – eine echte Delikatesse. Dazu gibt es Weine aus der Region. Nur Parkplätze können zur Sagra rund um den Ort knapp werden.
Terme di Saturnia – Wellness in der Schwefelquelle
Auf dem Weg zu unserem nächsten Ziel kommen wir an einer Sehenswürdigkeit vorbei, die kein Wellness-Urlauber auslässt. Du kannst sie schon von weitem riechen: der Wasserfall von Saturnia. Der Ort ist seit der Antike bekannt für seine Thermalquellen. Selbst Dante schwärmte von ihnen. Aus einer Schwefelquelle an den Cascate del Mulino unterhalb des Dorfes sprudelt konstant 37,5 Grad warmes Wasser über einen kleinen Wasserfall neben einer restaurierten Mühle in terrassenartige Sinterbecken. Wer darin badet, müffelt zwar im Anschluss ein wenig, hat aber für Gesundheit und Haut Gutes getan. Die Quellen sind Tag und Nacht das ganze Jahr über geöffnet und kostenfrei zugänglich.
Etwas luxuriöser geht es ungefähr einen Kilometer weiter nördlich zu – dort lädt ein kostenpflichtiges Thermalbad zum Baden im warmen Wasser ein. Es gehört zu einem Hotel, kann aber von Tagesgästen genutzt werden. Der Eintritt kostet circa 25 Euro.
Sovana – Malerische Heimat des Buglione
Eine halbe Stunde von den Thermalquellen von Saturnia entfernt und noch etwas weiter im Hinterland der Maremma liegt Sovana, wo schon zur Etruskerzeit Menschen siedelten. Das Dorf besteht im Grunde nur aus einer 500 Meter langen Straße, die stellenweise zur Piazza vergrößert ist und sich am Palazzo Comunale aufgabelt. Sovana gehört zu den „Borghi piú belli“. Viele Touristen verirren sich nicht hierher. Diejenigen, die Sovana besuchen, sind allerdings von den hübsch restaurierten rötlichen-braunen Tuffsteinhäuschen mitten auf einem Plateau im Grünen begeistert.
Sehenswürdigkeiten in Sovana
Vom Parkplatz an der Via dell’Oratorio führt eine kleine Seitengasse direkt zur zentralen Piazza von Sovana. Hier laden gleich mehrere gemütliche Restaurants und Osterien zum Verweilen ein. Auch unser Magen knurrt. Doch entscheiden wir uns zuerst für einen Rundgang zu den Sehenswürdigkeiten des Dorfs. Direkt an der Piazza findest du gleich eine Handvoll davon, darunter den Palazzo Pretorio aus dem 15. Jahrhundert, direkt neben einer Pizzeria.
Kulinarischer Tipp
Eine Spezialität aus der Gegend rund um Sovana ist der Buglione – unbedingt probieren! Für das Gericht schneidet man Lammfleisch in kleine Stücke und brät sie in der Pfanne mit Rosmarin und Knoblauch bei starker Hitze an. Das Fleisch löscht man mit Rotwein, in Sovana auch mit Weißwein ab und schmort es danach mit ein wenig passierten Tomaten und Tomatenkonzentrat. Dazu gibt es krosses toskanisches Brot und einen leckeren Rotwein aus der Region. In den meisten Osterien der Region steht der Buglione auf der Speisekarte. Falls nicht, einfach danach fragen! Oder selber machen. Hier verrate ich dir das Rezept.
Dem Palazzo gegenüber liegt die Chiesa Santa Maria, dazwischen der Palazzo Comunale aus dem 13. Jahrhundert. Die Chiesa Santa Maria solltest du dir unbedingt ansehen. Nicht nur wegen der wunderschönen Fresken, sondern wegen des verzierten Altarbaldachin, der aus dem 9. oder 10. Jahrhundert stammt. Rechts am Palazzo Comunale entlang führt eine Straße durch das bildhübsche Wohngebiet Sovanas bis zum Dom Pietro e Paolo am westlichen Ende des Dorfes.
Sovana war seit dem 7. Jahrhundert Bischofssitz. Der Dom soll Papst Gregor VII. (der vom berühmten Gang nach Canossa) im 11. Jahrhundert gestiftet haben. Gregor wurde nur ein paar Meter vom Dom entfernt als Hildebrand in Sovana geboren. Die romanisch-gotische Kirche wurde auf den Überresten einer älteren Kirche errichtet und diese wiederum auf einer etruskischen Nekropole. Sehenswert sind vor allem die Fresken und Steinskulpturen im Dom.
Dom Pietro e Paolo aus dem 11. Jahrhundert Fresko im Dom von Sovana
Nach der Besichtigung des Doms knurrt der Magen mittlerweile so laut, dass wir den brüllenden Löwen darin erstmal beruhigen müssen. Ein schneller Blick noch auf die Ruine der Rocca Aldobrandesca am Ostausgang des Ortes und schließlich geht es nach einem Abstecher bei Golosofia glücklich und satt weiter zum nächsten Highlight unserer Toskana-Rundreise.
Kulinarischer Tipp
Die beste Adresse für ein leckeres Mittagessen in Sovana ist der Feinkostladen Golosofia, direkt an der Piazza del Pretorio. Die Tagliere aus Wurst- und Käsespezialitäten der Maremma ist ein Gedicht, dazu kannst du lokale Weine trinken wie den Rosso di Sovana oder einen Ciliegiolo. Letzterer ist eine autochtone Sorte und wird in Italien kaum noch angebaut.
Golosofia, Via del Pretorio 4, Sovana
Pitigliano – das kleine Jerusalem der Toscana
Schon von weitem ist Pitigliano ein Hingucker. Der Ort thront auf einem steil in die Höhe geschraubten Tuffsteinplateau, die Häuser scheinen direkt aus dem braunen Felsen zu wachsen. Wir parken in der Via San Michele, die eine tolle Panoramasicht auf die Stadt bietet. Als kleines Jerusalem der Toskana ist der Ort bekannt geworden. Nicht nur wegen der Architektur, sondern weil in Pitigliano viele Jahrhunderte lang eine große jüdische Gemeinde lebte.
Sightseeing-Tipp
Wie in so vielen italienischen Städten sind die Sightseeing-Touren mittlerweile interaktiv. In Pitigliano findest du an den wichtigsten Sehenswürdigkeiten QR-Codes. Scannst du sie, starten auf deinem Smartphone kurze Videos mit Informationen rund um das Bauwerk, vor dem du stehst.
Wenn du Lust auf einen ausgedehnten Spaziergang hast, kannst du an der Piazza Petruccioli die Treppen hinabgehen. Von dort führt die Via dei Lavatoi zur Strada Panoramica unterhalb der Altstadt. Ganz im Westen der Stadt gehst du an der Porta Sovana wieder zurück ins Centro Storico oder kannst weiter über die Strada Panoramica, die hier zum steinigen Weg wird, die Stadt umrunden.
Im Frühjahr sind die Bewohner von Pitigliano noch nahezu unter sich Barockaltar im Dom Pietro e Paolo
Spaziergang durch das Centro Storico
Deutlich schneller erkundest du die Altstadt von Pitigliano auf direktem Weg, der an den Panoramabögen vorbei zur Piazza della Repubblica mit der wuchtigen Fortezza Orsini führt. Der Platz ist die Aussichtsterrasse ins Umland. Gleich mehrere Brunnen spenden Wasser. Der bemerkenswerteste ist der Fontana delle Sette Cannelle. 1545 wurde er auf Geheiß des Grafen Gianfranco Orsini erbaut und diente als Kopf eines Viadukts.
Die Piazza della Repubblica ist der zentrale Platz von Pitigliano, das ebenfalls zu einem der schönsten Dörfer Italiens gekürt wurde. Ein großer Teil des Platzes wird als Parkplatz genutzt. Das trübt den Eindruck ein wenig. Von hier gelangen wir über die enge, aber gemütliche Via Roma zur Piazza San Gregorio mit der Barock-Kathedrale Santi Pietro e Paolo.
Kulinarischer Tipp
Pitigliano ist für seine Spezialitäten bekannt, die aus der jüdischen Gemeinde des Ortes stammen: Der Sfratto ist ein längliches jüdisches Gebäck, das aus einer in Teig gehüllten Mischung aus Walnüssen, Honig, Zimt und Muskat gebacken wird. Eine köstliche Leckerei, hinter der allerdings eine traurige Geschichte steht: Anfang des 17. Jahrhunderts wurden die Juden vom Großherzog der Toskana durch ein Edikt gezwungen, ihre Häuser zu verlassen und ins Ghetto zu ziehen. Die Räumung wurde angeordnet, indem ein Bote mit einem Stock an die Haustür klopfte. Etwa 100 Jahre später entstand schließlich der süße Sfratto, dessen längliche Form eben jenem Stock nachempfunden ist und mit dem die Juden an die Vertreibung aus ihren Häusern erinnern.
An der Piazza San Gregorio gabelt sich der Weg und schlängelt sich durch den wohl ursprünglichsten Teil der Altstadt. Hier lohnt sich der Blick in die Seitenstraßen und verwinkelten Gassen, in denen Pitigliano zur mittelalterlich-märchenhaften Kulisse wird. Sehenswert ist auch die Chiesa San Rocco fast am Ende der Altstadt.
Chiesa Santa Maria e San Rocco Im Inneren ist Santa Maria e San Rocco recht ungewöhnlich Mittelalterlicher Architrav in der Fassade der Kirche Santa Maria e San Rocco
Das jüdische Viertel von Pitigliano
Über die Via Zuccarelli geht es auf der anderen Seite der Altstadt wieder zurück. Auf halber Höhe führt eine Treppe hinunter in das einstige Ghetto der Stadt. Pitigliano hatte lange Zeit eine große jüdische Gemeinde, die im 16. Jahrhundert von sephardischen Juden gegründet wurde. Pitigliano galt als das kleine Jerusalem der Toscana. Im jüdischen Viertel kannst du die wiederaufgebaute Synagoge und das jüdische Museum besichtigen. Ein kleiner Shop verkauft jüdische Spezialitäten aus Pitigliano.
Kulinarischer Tipp
In Pitigliano keltert man auch ein besonderer Wein namens Vino Kasher. Der Vino Kasher wird von der jüdischen Bevölkerung des Ortes nach strengen koscheren Vorgaben seit dem 16. Jahrhundert produziert. So müssen sowohl die Werkzeuge zur Verarbeitung koscher sein, ebenso wie alle Zutaten des Weins. In Pitigliano gibt es sowohl rote als auch weiße Vini Kasher, deren koschere Herstellung von einem Rabbi bescheinigt werden muss – im Fall der Weine aus Pitigliano ist dies der Rabbi von Livorno.
Capalbio – Mittelalterliche Festung an der Grenze zu Latium
Das letzte Ziel auf unserer Reise zu den schönsten Dörfern der Maremma ist Capalbio, knapp 5 Kilometer von der tyrrhenischen Küste und der Grenze Latiums entfernt. Es ist die südlichste Gemeinde der Toskana. Mit dem Auto benötigst du von Pitigliano aus ungefähr 45 Minuten. Wenn du Pitigliano verlässt, solltest du in der engen Kurve an der Kirche Madonna delle Grazie noch einmal Halt machen. Von hier aus hast du einen wunderbaren Blick auf den Ort.
Capalbio ist ein mittelalterliches Städtchen, ganz in grauen, schweren Steinen gebaut. Eine Stadtmauer umgibt den kleinen historischen Kern. Sie ist begehbar und führt dich fast komplett um den Ort herum, tolle Ausblicke inklusive. Direkt am Eingang zur Altstadt weist ein Schild darauf hin, dass auch Capalbio zu den schönsten Dörfern Italiens zählt. Gegenüber balanciert eine Nana-Skulptur von Niki de Saint Phalle auf einem Bein – ein dezenter Hinweis darauf, dass keine drei Kilometer südlich von Capalbio mit dem Giardino dei Tarocchi ein ganzer Park mit Skulpturen der französisch-amerikanischen Künstlerin zu besichtigen ist.
Skulptur von Niki de Saint-Phalle in Capalbio Verwinkelte Gassen, viel Atmosphäre
Unterwegs in der Altstadt von Capalbio
Die Altstadt ist herrlich verwinkelt, richtig mittelalterlich. Dominiert wird sie vom Castello di Capalbio mit seinem massiven Turm, der auch von der Piazza Magenta aus sichtbar ist. Es ist der schönste Platz des ganzen Ortes und liegt etwas abseits, direkt an der südlichen Stadtmauer. In Capalbio ist wie so oft der Weg das Ziel, denn es gibt hier nicht viele einzelne Sehenswürdigkeiten. Stattdessen lohnt es sich, einfach durch die engen Gassen zu schlendern und den Ort auf diese Weise als Ganzes zu entdecken.
Bögen, Bögen und… viel mittelalterlicher Flair Viel Platz bleibt nicht zwischen manchen Häusern
Kulinarischer Tipp
In Capalbio produziert die Destillerie Jacobelli Liquori seit über 50 Jahren Liköre, Grappa und andere Schnäpse. Ganz fantastisch ist ihr Amaro Etrusco, ein sanfter Magenbitter mit Orange, Süßwurzel und rund 30 verschiedenen Kräutern. Die Destillerie empfängt Besucher, vor Ort gibt es auch einen Shop, in dem du verschiedene Alkoholika probieren und direkt mitnehmen kannst. Viele der Produkte findest du auch in den Feinkostläden rund um den Monte Argentario.
Jacobelli Liquori, Str. Pedemontana 21, Borgo Carige
Noch mehr Toskana? In wenigen Tagen führe ich dich in der Fortsetzung des Reiseberichts in den Norden der Maremma und in die Provinzhauptstadt Grosseto.
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