Einmal im Jahr wird Florenz zur Pilgerstätte für alle Foodies. Die Pitti Taste, eine Messe für Delikatessen und Feinkost, öffnet ihre Tore und lädt ein, die Vielfalt der kulinarischen Produkte Italiens zu probieren. Drei Tage lang dreht sich alles um den Genuss. Zu entdecken gibt es viel, denn es sind nicht die großen Hersteller italienischer Lebensmittel, die auf der Messe ihre Produkte vorstellen. Stattdessen sind es kleine Produzenten, Familienbetriebe und innovative Newcomer. Und Florenz macht mit: in vielen Restaurants der Stadt kommen bei Koch-Events Produkte von der Messe zum Einsatz. Ich war unterwegs auf der Taste 2023 und habe für dich jede Menge Neuentdeckungen aus Italien im Gepäck.
Anders als viele Lebensmittelmessen in Deutschland ist die Pitti Taste nicht nur für Fachbesucher geöffnet. Nachmittags können Foodies aus nah und fern in der Fortezza da Basso vorbeischauen und die vielen Delikatessen aus Italien probieren. Rund 10.000 Besucher sind es in diesem Jahr, die sich das kulinarische Highlight vom 4. bis 6. Februar nicht entgehen lassen. Weit über 500 handverlesene Hersteller locken mit einer unglaublichen Bandbreite an Feinkost, Likören und Süßigkeiten… die Pitti Taste ist ein echter Genusstempel.
Schon zur Eröffnung am frühen Morgen ist es voll auf der Food-Messe. Überall strömen mir die köstlichsten Düfte in die Nase – frischer Prosciutto, reife Früchte, der Geruch von pikantem Käse. Ein Meer der Aromen, che profumo! Einer verführerischer als der andere. „Pasta“ ist eines der Schwerpunktthemen in diesem Jahr, und mit einer Kunstgalerie der Nudelsorten huldigt die Taste 2023 einem der bekanntesten Lebensmittel Italiens. Genuss mit allen Sinnen, jazz up the taste ist das Motto – auf ins Getümmel, es kann losgehen!
Meine Highlights der Pitti Taste 2023
Balsamico-Essig von Giuseppe Giusti
Nur widerwillig bewegt sich der zähflüssige, tiefdunkle Tropfen aus der Pipette auf den Degustationslöffel. Lorenzo Corelli, Export Manager bei der Essigmanufaktur Acetaia Giuseppe Giusti, blickt erwartungsvoll auf mein Gesicht, während ich die Kostbarkeit auf dem Löffel probiere. Es ist ein 100 Jahre alter Balsamessig – ein kulinarisches Erlebnis. Wahnsinn! Die fruchtigen Noten, die perfekte Harmonie zwischen Süße und Säure sind beeindruckend. Das Fläschchen des Riserva aus gekochtem Traubenmost mit 100 ml Inhalt, stilvoll im Holzkästchen verpackt, ist definitiv kein Schnäppchen. Rund 600 Euro sind für den raren Luxus fällig, der in der Sterneküche zum Einsatz kommt.
Doch es geht auch günstiger. Seit 1605 produziert die Familie Giusti in Modena in der Emilia Romagna ihren Balsamico. Sie ist Italiens älteste Essigmanufaktur und immer noch ein Familienbetrieb. Für den täglichen Gebrauch hat sie gleich mehrere, unterschiedlich lang gereifte Essigsorten im Programm. Die massiven, teils jahrhundertealten Fässer, in denen der Balsamico über Jahre lagert, sind mittlerweile aber noch für andere Produkte im Einsatz. Darunter ein fantastischer Vermouth aus Weiß- und Rotweinen wie Lambrusco, der mit 19 verschiedenen Kräutern und Gewürzen aromatisiert ist. Umso größer die Enttäuschung, dass es den Vermouth im Shop der Pitti Taste nicht zu kaufen gibt. Manchmal muss man eben einfach ein Stück Sehnsucht mit nach Hause nehmen…
Paolo Petrilli – auf die Tomate gekommen
Ein kleines Aha-Erlebnis gibt es ebenfalls am Stand von Paolo Petrilli. Geschälte Tomaten aus dem Glas sind an sich nichts Ungewöhnliches. Aber was so appetitlich rot vor mir auf dem Teller liegt, lässt allein vom Geruch und Aussehen das Wasser im Mund zusammenlaufen. Die Tomate wandert in den Mund. Geschmacksexplosion. Unglaublich, dass eine Tomate aus dem Glas um ein Vielfaches aromatischer schmeckt als eine frische Tomate nördlich der Alpen.
Seit Ende der Achtziger baut Paolo Petrilli im apulischen Lucera sein Gemüse auf Bio-Basis an. Nach und nach hat er Tomatensorten rekultiviert, die von den Großbetrieben verdrängt wurden. Seine Sorten sind Torremaggiorese, San Marzano und die rustikale Prunilli, die besonders gut auf trockenem Boden wächst.
Petrilli verarbeitet nur Früchte aus eigenem Anbau, die von Hand geerntet, kurz erhitzt und dann nur mit etwas Basilikum, ohne irgendwelche Zusatzstoffe ins Glas kommen. Tomaten pur eben, mit ganz viel süditalienischer Sonne. Ich bewege mich mit meiner Begeisterung jedenfalls in guter Gesellschaft. Frank Sinatra gehörte zu Petrillis Kunden, ebenso wie der US-Schauspieler Jake Gyllenhaal und einige italienische Regisseure.
Alici di Menaica – Fischen nach antiker Tradition
Im wunderschönen Cilento ist der Fischereibetrieb Alici di Menaica zu Hause. Eingelegte Sardellen sind das kulinarische Herzstück, das mittlerweile ein Presidio Slow Food ist. Die Fische werden an der Küste des Cilento mit einem von Hand geknüpften Netz namens Menaica gefangen. Es besitzt größere Maschen als gewöhnliche Fischernetze und lässt die jüngeren Sardellen entkommen, damit sich diese weiter fortpflanzen können. „Die Fangmethode geht auf die alten Griechen zurück“, erzählt Vittorio Rambaldo, der den Betrieb mit seiner Frau Donatella Marino und seinen beiden Kindern führt.
Gefischt wird zwischen April und Juli. Abends geht es hinaus aufs Wasser, wo die Fischer das Netz ausbreiten und nachts wieder einholen. Anschließend müssen die frischen Fische sofort verarbeitet werden. Das Besondere: Rambaldo lässt die Sardellen ausbluten, bevor er sie mit Meersalz aus Trapani bedeckt und sie mindestens drei Monate reifen. Das verhindere die Oxidation beim Kontakt mit dem Salz und verleihe den Fischen ein delikates Aroma, erklärt der Fischer. Mittlerweile dreht sich nicht mehr nur alles um die Sardellen – eingelegter Thunfisch, Rotbarben und Makrelen sind ebenso hinzugekommen wie eine klare, hellgelbe Colatura zum Würzen.
Salumificio Tomeo – Cilentanische Wurstspezialitäten
Nicht weit entfernt, ebenfalls im Cilento, produziert Salumificio Tomeo hervorragende Wurstwaren. Seit Jahren schon liebe ich ihre gereifte Salsiccia mit Fenchel. Sie ist im Sommer, wenn ich im Cilento bin, Stammgast auf meinem Tisch und auf dem Rückweg nach Deutschland packe ich immer ein paar Würste in den Koffer. Da ist es natürlich naheliegend, einmal die Menschen hinter den Produkten kennenzulernen. Die Familie Tomeo züchtet nicht nur eigene Schweine, sondern verarbeitet das Fleisch vor Ort in Perito.
Vater Toribio, der die Firma gründete, experimentierte einst mit Getreidemischungen, heute leiten seine Söhne Tommaso und Giuseppe den Betrieb und haben die Produktion auf ökologisch nachhaltige Standards umgestellt. Ihre Wurstwaren reichen von gerollter Pancetta, zu Capocollo über Soppressata Cilentana. Und natürlich nicht zu vergessen: die fantastische Salsiccia, die mit Gewürzen wie Fenchel, Peperoncino oder Myrte verfeinert wird und unglaublich delikat schmeckt.
Tenuta Serravalle – Blutorangen und Zitrusfrüchte aus Sizilien
Gerardo Diana ist heftig in Action am Stand der Tenuta Serravalle. Die Blutorgangen stapeln sich in die Höhe. Eine nach der anderen greift sich Gerardo, presst in Handarbeit den köstlichen Saft heraus und reicht den entzückten Besuchern eine frische Spremuta. Der Stand ist umhüllt vom betörenden Duft sizilianischer Blutorangen. Der Bauernhof Serravalle befindet sich bei Mineo, rund 40 km von Catania entfernt. Den mächtigen Kamm des Ätna im Rücken bieten die Böden in der Gegend hervorragende Bedingungen für den Anbau von Zitrusfrüchten und Getreide.
Zusammen mit seiner Frau Mariosa Magnano leitet Gerardo Diana die Tenuta Serravalle. Als Präsident des Consorzio di Arancia Rossa IGP ist er nicht nur ein wandelndes Lexikon über Zitrusfrüchte, er setzt sich auf seiner Farm auch aktiv für nachhaltige Landwirtschaft ein. In der Tenuta ist ein Agriturismo und Schulungszentrum eingerichtet. So können die Gäste die hervorragenden Produkte wie Marmeladen oder Honig probieren und nebenbei ganz viel über den Anbau von Zitronen, Mandarinen und Orangen lernen.
Die herkunftsgeschützten Blutorangen der Sorten Moro und Tarocco verschickt Diana frisch vom Baum gepflückt in die Welt. Vor Ort in Sizilien verarbeitet er die Früchte und andere Sorten zu hervorragenden Marmeladen. In den Hainen laben sich tausende von Bienen an den Blüten der Zitrusbäume, an Kaktusfeigen und aufgeforsteter Macchia. Ihr Honig ist pur ein kulinarisches Erlebnis, verfeinert aber auch die fruchtigen Marmeladen.
Genuss im Glas: Marco Colzanis fruchtige Sonnen-Säfte
Fruchtig, fruchtiger… Colzani! Nein, es ist nicht der Werbeslogan von Marco Colzani, aber es trifft das, was der sympathische Önologe und Sohn eines Pasticceria-Besitzers mit seinen Fruchtsäften erreichen will. Seit 2016 tüftelt Colzani an Produkten, die aufs Wesentliche reduziert sind und den Geschmack ihrer Hauptzutat ins Rampenlicht rücken. „Nur sehr wenige Zutaten, keine Konservierungsstoffe, keine Säuerungsmittel, keine Farbstoffe und keine zusätzlichen Aromen“, erklärt Colzani seine Philosophie.
Er sei unzufrieden gewesen mit dem Geschmack vieler Marmeladen, Säfte und Süßigkeiten. So begann der junge Unternehmer aus Carate Brianza in der Lombardei zunächst mit Schokolade zu experimentieren, warf alle unnötigen Zutaten über Bord, bis er ein möglichst natürliches Produkt hatte. Seine Erkenntnisse übertrug Colzani anschließend auf Früchte, die er bei niedrigen Temperaturen und unter Ausschluss von Luft zu Säften und Marmeladen verarbeitet, um eine Oxidation zu verhindern. Seine Säfte sind kleine Fruchtbomben mit unglaublich intensivem Aroma, was nicht zuletzt daran liegt, dass Colzani nur richtig reife Früchte verwendet.
Dolce Vita meets Pitti Taste 2023
Der süße Zahn kommt bei der Pitti Taste besonders gut auf seine Kosten. Eine ganze Halle sind jede Menge Hersteller von Biscotti, Schokoladen, Pralinen und anderen süßen Köstlichkeiten versammelt. Ein schnelles Täfelchen mit 80% Kakaoanteil beim toskanischen Schokoladenhersteller Amedei, schnell verglichen mit einem Schokostück von CioKarrua aus der Schokostadt Modica auf Sizilien: passt beides sehr gut. Und dann ist da natürlich das grüne Gold…
Knusprige Versuchung: Pistazienkrokant von Sciara
Die DOP-geschützten Pistazien aus Bronte gehören zu den berühmtesten Produkten aus Sizilien. Vor einiger Zeit habe ich dir bereits von meinem Besuch in der Pistazien-Stadt an den Hängen des Ätna erzählt. Gleich mehrere Produzenten aus Bronte waren auf der Pitti Taste 2023 zu Gast, darunter die Firma Sciara. Ihr Name leitet sich vom sizilianischen Wort für den Lavaboden ab, auf dem die Pistazien wachsen. Zwei besondere Leckereien haben die Sizilianer zur Messe mitgebracht: einen Aufstrich mit 100 % Pistazienanteil. Für Pistazienfans etwas zum Niederknien. Mindestens genauso lecker ist das Pistazienkrokant nach einem brontesischen Rezept für „frastucata“. Leider mit Palmfett, aber trotzdem superknusprig und köstlich. Dreimal darfst du raten, was ich im Taste Shop für die Rückreise mitgenommen habe…
Amari-Liköre auf der Pitti Taste: Italiens bitter-süße Verführung
Am Ende eines jeden guten Essens steht entweder ein Kaffee oder ein Amaro. Für Kräuterliköre und italienischen Gin (ja, auch das gibt’s!) hat die Taste 2023 gleich einen Spezialbereich eingerichtet. Morgens mache ich noch einen großen Bogen um die Likörstände, aber spätestens nach dem Mittagessen muss ich hier vorbei. Schließlich setze ich ja meine eigenen Kräuterliköre an. Da sind ein Vergleich und neue Inspiration schon Pflicht. Gleich mehrere spannende Amari habe ich neu entdeckt.
Ein Hauch von Granatapfel – das Elixir Barbarossas
Die Fattoria Barbarossa aus Prato setzt einen Kräuterlikör mit Zutaten wie Wacholder, Enzian, Bitterorange, wildem Fenchel und Löwenzahn an. An sich schon eine schöne Kräuterkombi, die aber mit Granatäpfeln einen fruchtigen Kick verpasst bekommt. Die Früchte für das Elixir Barbarossa werden biologisch am Monte Ferrato, nur wenige Kilometer von Florenz entfernt, angebaut. Zweimal probiere ich den Likör – einmal pur, einmal auf Eis. Ich habe das Gefühl, zwei unterschiedliche Getränke zu trinken, denn der Amaro Melagrana ändert abgekühlt vollständig seinen Charakter. Wie gut der Amaro Melagrana wohl in einem Spritz schmeckt? Ich werde es ausprobieren müssen!
Myrtenlikör Sannai – vom Leder zur Frucht
Eine Entdeckung aus Sardinien sind die Myrtenliköre von Sannai. Hinter dem noch recht jungen Unternehmen steckt der ehemalige Profi-Fußballer Antonio Castelli. Den Ball hat der Sarde gegen 1500 Myrtenbäumchen eingetauscht, aus deren Früchte er nördlich von Olbia vier verschiedene Liköre herstellt. Alle vier Amari haben einen ausgezeichneten Geschmack, aber keiner gleicht dem anderen: Während der mit Honig versetzte Likör „Mirto e Miele“ sanft-süß den Gaumen umspült, ist der aus weißen Beeren gewonnene „Mirto Bianco“ ein eher herber Zeitgenosse. Er besticht mit Aromen von Salbei, Minze und Lakritz. Wer demnächst im Norden Sardiniens unterwegs ist, sollte sich unbedingt eine Flasche sichern, denn leider fehlt es Mirto Sannai bislang an einem Vertrieb für Deutschland. Das sollte sich dringend ändern.
Wenn Florenz zur Bühne wird: Fuori di Taste
Wenn abends in der Fortezza da Basso die Lichter ausgehen, ist das kulinarische Fest noch lange nicht vorbei. Über Florenz verteilt lädt „Fuori di Taste“ dazu ein, in den Restaurants der Stadt tiefer in das kulinarische Nachtleben einzutauchen. Die meisten Events sind für die Allgemeinheit geöffnet, die sich z.B. mit exklusiven Menüs mit besonderen Zutaten verwöhnen lassen kann. Eins der Highlights 2023: Käsekünstler Andrea Magi zauberte im alteingesessenen Ristorante Cibrèo ein Sieben-Gänge-Menü auf Basis von edlen Käsesorten. Begleitet durch Weine von Sting und einem süffigen Gin-Cocktail, in dem ebenfalls Käse zur Zutatenliste gehörte. Nur eins solltest du nicht vergessen, bevor du ein Fuori di Taste-Event besuchst: unbedingt reservieren.
Taste Shop – bis die Kreditkarte schlapp macht
Nach drei Tagen mit allerhand probierten Delikatessen steht auf der Pitti Taste meine große Feuerprobe an: ein Besuch im Taste Shop. Kurz vor dem Ausgang der Messe lädt er dazu ein, dem Kaufrausch zu verfallen und all die tollen Produkte der Taste mitzunehmen. Wäre da nicht der begrenzte Platz in meinem Koffer, der mich dazu verdonnert, Entscheidungen zu treffen, die ich nicht fällen mag: Nehme ich diesen köstlichen Pecorino mit oder doch lieber einen Likör? Wird der Aglio Nero heil ankommen? Soll ich lieber ein paar Süßigkeiten, noch ein Glas Tomaten oder doch die fruchtigen Marmeladen einpacken? Und wo gibt es in Florenz weitere Koffer zu kaufen?
Der Streifzug durch den Taste Shop ist nicht nur für mich ein Highlight der Messe. Am Ende siegt doch der Kaufrausch. Ich werde Quetschen müssen, bin aber voll und ganz zufrieden. Ein großes Stück Italien und ganz viel Genuss reisen mit mir von der Pitti Taste 2023 in Florenz zurück über die Alpen.
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