Zwischen Florenz und Siena liegt ein Gebiet, das vor allem bei Weintrinkern einen magischen Ruf genießt und oft stellvertretend für die Toskana steht: das Chianti. In dem gleichnamigen Weinanbaugebiet reihen sich scheinbar endlos gewellte Hügel aneinander, bepflanzt mit gekämmten Weinreben und jahrhundertealten Olivenhainen. Dazwischen Zypressenreihen und steinerne Bauernhäuser. Kein Wunder, dass das Chianti als eine der Bilderbuchlandschaften der Toskana gilt. In einer Rundreise wollen wir die schönsten Orte und ihre Sehenswürdigkeiten besuchen – Radda, Castellina und Monteriggioni. Auf dem Weg zeigt die Toskana, welche Naturschätze sie bereithält.
Bilderbuchlandschaften und Wein, Wein, Wein
Von Siena aus starten wir am frühen Vormittag in Richtung Norden. Das Wetter lässt ein wenig zu wünschen übrig – dichte Wolken hängen über den grünen Hügeln. Aber das hält uns nicht ab. Wir haben uns eine kleine Tour vorgenommen, bei der wir vor allem die Landschaft im Seneser Teil des Chianti genießen wollen. Denn im Chianti ist der Weg das Ziel. Immer wieder halten wir während der Fahrt ins mittelalterliche Städtchen Radda in Chianti an kleinen Buchten am Straßenrand, um den Blick über die wellige Landschaft zu werfen. Tiefgrüne Wiesen, kleine Seen, am Horizont kleine Ortschaften, zu denen sich die Straßen schlängeln. Wir können uns kaum sattsehen.
Doch ganz so klischeehaft, wie die typischen Toscana-Bilder das Chianti immer darstellen, ist die Landschaft doch nicht. Auf dem kurvigen Weg in die höheren Lagen Raddas fällt auf, wie stark bewaldet die Region ist. Immer wieder geben die dicht an dicht stehenden Bäumen hinter der nächsten Biegung den Blick frei auf die geometrischen Muster von Weinbergen und Feldern, die die Landschaft prägen. In der Ferne ragen kleine Schlösser oder alte Gehöfte zwischen Bäumen hervor, die zu Ferienhäusern umgebaut wurden. Alles wunderschön gelegen und ein guter Ort, wenn du als Urlauber wandern, Fahrradtouren machen oder im idyllischen Agriturismo ausspannen möchtest.
Radda in Chianti – mittelalterliche Perle mit Weltklasse-Weinen
In Radda in Chianti angekommen stellen wir unser Auto unterhalb der Altstadt auf dem zentralen Parkplatz ab. Mit seinen 1600 Einwohnern ist der Ort äußerst übersichtlich. Das Centro Storico besteht aus einer Handvoll Straßen sowie der Piazza del Castello. Doch ab Mai wird es zunehmend voll und international. Radda ist nicht nur beliebt, weil Italien-Reisende hier gute Weine und regionale Spezialitäten einkaufen können. Es ist vor allem ein schöner Ort, von dem aus du viele Sehenswürdigkeiten wie mittelalterliche Burgen, Schlösser, Kirchen sowie die zahllosen Weingüter in der Gegend entdecken kannst.
Das mittelalterliche Städtchen ist einer der wichtigsten Weinorte im Chianti Classico. Die Weinregion Chianti ist in insgesamt acht Anbauzonen aufgeteilt, in deren Herzen das Chianti Classico liegt. Schon im 18. Jahrhundert wurde der Wein aus der Gegend herkunftsgeschützt. In der Regel handelt es sich beim Chianti-Wein um eine Cuvee aus überwiegend Sangiovese, die mit Merlot, Cabernet und Canaiolo Nero. Früher durften weiße Trauben beigemischt werden. Einige Weingüter setzen aber auch auf sortenreinen Chianti.
Sehenswürdigkeiten in Radda in Chianti
Radda in Chianti war früher wegen seiner Lage auf 530 Metern ein strategisch wichtiger Ort, von dem aus sich das Umland bestens beobachten ließ. Der Ausblick in die Landschaft mit den Weinreben und Wäldern ist allein schon Grund genug, um Radda einen Besuch abzustatten. Die Sehenswürdigkeiten im Ortskern Raddas sind schnell erkundet. Die Kirche Propositura di San Niccolò aus der Romantik kannst du in der kleinen Shopping-Straße Via Roma nicht übersehen. Sie liegt oberhalb einer kleinen Piazza mit Brunnen. Ebenfalls an der Piazza steht der Palazzo del Podestà aus dem 15. Jahrhundert, an dessen Fassade die Wappen der regierenden Familien prangen. Ein kleiner Weg führt zur Piazza del Castello, wo du die Touristeninformation findest. Dort angelangt, hast du allerdings schon den ganzen Ort gesehen. Entlang der alten Stadtmauern schlendern wir rund um Radda zurück zum Auto und genießen dabei die tollen Ausblicke auf die Landschaft.
Kulinarischer Tipp: Lo Sdrucciolo
Ins Lo Sdrucciolo kommen die Gäste tagsüber, um ein leckeres Eis zu essen, das das Beste in Radda in Chianti sein soll. Abends kannst du leckere Cocktails schlürfen, zu denen kleine Stuzzicchini serviert werden. Am Wochenende legen in der Bar oft DJs auf oder es gibt Live-Musik. Wenn du in Radda übernachtest, kommst du um das Lo Sdrucciolo nicht herum.
Lo Sdrucciolo, Via XX Settembre 15, Radda in Chianti
Castellina in Chianti – verschlafenes Nest mit viel Atmosphäre
Über die kurvenreiche SR429, entlang dichter Wälder und vorbei an jeder Menge Fahrradfahrern, geht es in Richtung Castellina in Chianti. Das kleine mittelalterliche Städtchen ist etwas größer als Radda und gehört ebenfalls zu den wichtigsten Orten des Chianti Classico. Rund um Castellina lässt es sich hervorragend wandern, abends kannst du in einer der vielen Enotheken bei einem Glas Wein wieder zu Kräften kommen.
Ein Spaziergang durch Castellina in Chianti
Am Nordeingang der Altstadt nimmt dich die Kirche San Salvatore sowie ein hübscher kleiner Platz in Empfang. Von dort führt ein Weg direkt ins Herz des Ortes zum mittelalterlichen Castello. Es liegt an einem weitläufigen Platz, an dem im Sommer abends das Leben pulsiert. Der Turm des massiven Rocca ist einer der höchsten Punkte im gesamten Stadtgebiet. Im alten Castello ist ein archäologisches Museum untergebracht, das Funde aus etruskischen Zeiten zeigt.
Zu den Sehenswürdigkeiten Castellinas zählt zudem die Via delle Volte – die tunnelartige Straße ist Teil der alten Stadtbefestigung, die überbaut wurde. Direkt vor der alten Stadtmauer ebbt der Trubel schlagartig ab. Hier solltest du einmal vorbeischauen, die Augen schließen und tief Luft holen. Es riecht nach mediterraner Macchia und Rosmarin. Zwischen knorrigen Olivenbäumen wachsen riesengroße Büsche des Krauts.
Kulinarischer Tipp: Gelateria di Castellina
Noch mehr Eis gefällig? Dann nichts wie hin zur Gelateria di Castellina. Die Eisdiele liegt etwa 500 Meter vom Ende der Fußgängerzone in Richtung entfernt. Der kleine Spaziergang lohnt sich, denn das Eis ist wunderbar cremig und aus eigener Herstellung.
Gelateria di Castellina, Viale IV Novembre 47, Castellina in Chianti
Abstecher nach Greve in Chianti
Nach Greve in Chianti im Zentrum der Region, das vor allem wegen seines hübschen Piazza Matteotti beliebt ist, fahren wir nicht. Zu groß ist die Versuchung, dort der Enoteca di Falorni einen Besuch abzustatten. Es ist mit rund 1000 Etiketten die größte Weinbar des Chianti. Eigentlich einen Pflichtbesuch wert. Wären wir bloß nicht mit dem Auto unterwegs…
Stattdessen nehmen wir die Panoramastraße SP51 nach Monteriggioni, auf der so gut wie kein Mensch unterwegs ist. Beste Bedingungen, um immer mal wieder anzuhalten und die Landschaft aus Weinreben, Zypressen und gelb-rot leuchtenden Raps- und Mohnfeldern zu genießen. Zahlreiche Weingüter reihen sich entlang der Strecke aneinander. Viele davon bieten Übernachtungsmöglichkeiten und Führungen durch ihre Weinkeller.
Monteriggioni – wehrhaftes Dorf nordwestlich von Siena
Schon aus der Ferne wirken die trutzigen Mauern von Monteriggioni beeindruckend. Das Kastell nordwestlich von Siena wurde Anfang des 13. Jahrhunderts zur Verteidigung der Stadt gegen Florenz erbaut und ist fraglos ein massives Bollwerk, an dem sich manch Angreifer die Zähne ausgebissen haben. Innerhalb der massiven Stadtmauern mit ihren 14 Wehrtürmen wohnen heute weniger als 100 Menschen, dafür kommen jeden Tag Horden an Touristen. Monteriggioni, das an der Via Francigena liegt, ist eines der beliebtesten Ausflugsziele in der Region. Ein Must-See für viele Toscana-Urlauber. Und für Gamer des Videospiels „Assassin’s Creed 2“, für das die Stadt virtuell nachgebaut wurde.
Reisebusse reihen sich hier gewöhnlich aneinander und spucken Hunderte von Menschen aus. Als wir unser Auto auf dem Parkplatz unterhalb des Dorfs abstellen, ist dieser nur halb ausgelastet. Innerhalb der Stadtmauern herrscht trotzdem reger Betrieb.
Kulinarischer Tipp: Futura Osteria
Keine fünf Autominuten von Monteriggioni entfernt erwartet dich eine echte Perle der toskanischen Restaurantkultur. Das vielfach ausgezeichnete Restaurant Futura Osteria liegt im Ortsteil Badia e Isola, der Touristen vor allem mit dem Kloster Abbazia dei Santi Salvatore e Cirino anlockt. Die Speisekarte setzt auf toskanische Gerichte, die regelmäßig nach Jahreszeit und Lebensmittelangebot wechseln. Fast alles sind Zutaten sind regional a chilometro zero – das Gemüse bauen die beiden Chefs Samuel Bravi und Nicola Saporito im eigenen Gemüsegarten an. Brot, Wurstwaren und Pasta sind selbstgemacht und die Gerichte sind tief in der Küchentradition der Toskana verwurzelt, aber modern interpretiert. Und das alles zu für toskanische Verhältnisse geradezu günstigen Preisen. Das Sieben-Gänge-Menü kostete zuletzt nicht einmal 70 Euro. Wer weniger Hunger hat, startet schon ab drei Gängen.
Futura Osteria, Piazza Garfonda 10, Abbadia Isola / Monteriggioni
Sehenswürdigkeiten in Monteriggioni
Ein wenig wirkt Monteriggioni wie ein mittelalterliches Disneyland. Die große Piazza Roma direkt hinter der Porta Franca ist bildhübsch herausgeputzt, in der Mitte der kleine Brunnen, ihm gegenüber die Santa Maria-Kirche aus dem 13. Jahrhundert. Man kann sich prima vorstellen, wie es hier im Mittelalter zugegangen sein muss. Wären da nur nicht die vielen Bars, Eisdielen und Souvenir-Shops, die den Rest des Platzes pflastern.
Eine der größten Sehenswürdigkeiten von Monteriggioni ist die 570 Meter lange Stadtmauer, die das ganze Dorf umgibt. Sie ist begehbar und zeigt dir, wie gut der Rundumblick von der Festung auf die gesamte Umgebung war. Sich nähernde Feinde konnten die Bewohner schon früh entdecken. In den Seitenstraßen Monteriggionis geht es unterdessen ein wenig entspannter zu. Richtig leer ist es hier aber auch nicht. Entspannt schlendern wir an Keramik- und Spezialitätenläden sowie dem winzigen Dorfpark vorbei. Monteriggioni macht auf uns einen sehr gemütlichen Eindruck, wohnen wollten wir hier angesichts der täglichen Touristenflut allerdings nicht.
Nach unserer Chianti-Tour machen wir uns am Nachmittag wieder auf den Rückweg nach Siena. Die Pläne für den nächsten Tag stehen bereits – es geht nach Volterra und San Gimignano!
Laura
Suuuuuuper guter Bericht, ganz lieben Dank!