Von Norden nach Süden, von Ost nach West: Kochbuch-Autorin Cettina Vicenzino hat sich auf eine Entdeckungsreise quer durch Italien begeben. Die in Deutschland aufgewachsene Sizilianerin brachte nicht nur eine Menge Rezepte für ihr neues Buch „Italia – Das Beste aus allen Regionen“ mit. Sie sprach mit den Menschen über das, was Italien vereint: das Essen. Im Interview verrät sie, wann italienische Küche authentisch ist und welches Klischee über Italiener zutrifft.
Ist „Italia“ ein Kochbuch oder ein Reisebuch?
Es ist ein Reise-Kochbuch. Eine kulinarische Reise durchs Land. Mir war es wichtig, die Menschen und ihre Esskultur kennenzulernen. Ich wollte von ihnen das Land gezeigt bekommen. Und ich will die Leser animieren, auch mal andere Regionen kennenzulernen.
Was hast du bei deiner Reise über Italien gelernt?
Wenn man in Deutschland lebt, hat man oft die fröhlichen Italiener vor Augen, die immer nur essen und nichts tun, außer das Leben zu genießen. Ich wollte mir mein eigenes Bild machen. Ich habe Menschen getroffen, die sehr viel arbeiten, keinen Urlaub machen und trotz allem mit großer Leichtigkeit leben.
Du bist in Deutschland aufgewachsen. Fühlst du dich in Italien fremd?
Für die meisten Italiener bin ich die Deutsche – auch wenn ich es nicht bin. Ich fühle mich aber auch nicht wie eine Italienerin. Das geht vielen Italienern so, die in Deutschland aufgewachsen sind, dass sie weder zum einen noch zum anderen Land gehören. Aber wenn ich in Italien bin, erkenne ich die eine oder andere Eigenschaft in mir wieder, die dem italienischen Verhalten entstammen und definitiv nicht deutsch sind.
In welchen Eigenschaften bist du typisch deutsch?
Mir ist Pünktlichkeit wichtig. Weil man viele Sachen nicht geregelt bekommt, wenn jemand zu spät gekommen ist. Unpünktlichkeit ist ein Klischee über Italiener, das sich bei den Verabredungen aber bestätigt hat. Ich musste oft länger warten als geplant.
Welche Region Italiens magst du besonders?
Den Süden und die Pizza liebe ich über alles – von daher hat mich der Besuch beim Pizzabäcker in Neapel sehr gefreut. Was ich richtig schön fand, war Sardinien. Die Sarden gestalten das Essen richtig kunstvoll. Von der Verarbeitung, von den Formen und dem Aufwand ist das Essen dort außergewöhnlich.
Gibt es etwas, das die Regionalküchen verbindet?
Da muss man bei Pellegrino Artusi schauen. Seine zehn Sätze über das Kochen in meinem Buch sind das, was die Regionalküchen verbindet.
Ist die Tradition der Regionalküchen bedroht?
Bedroht nicht, aber die Herstellungsart der Produkte ist gefährdet. Durch die EU-Hygienevorschriften, die vieles verbieten. Darüber klagen die Produzenten. Vieles, was sie kennen und immer so gemacht haben, wird nach und nach verboten. Das Handwerkliche wird eingeschränkt durch Regeln. Dadurch verändern sich die Produkte. Und auch die Identität. Sie wird angegriffen und ist bei den Italienern ja sehr eng mit dem Essen verbunden.
Was ist für dich authentisches italienisches Essen?
Authentisch ist es dann, wenn es mich an Italien erinnert. Wenn ich ein Caprese esse und da ist Balsamico-Essig drauf, dann ist das überhaupt nicht authentisch. Es sind Kleinigkeiten, die den Unterschied ausmachen. Wobei sich auch in Italien Gerichte etabliert haben, die sich dem Geschmack der Touristen anpassen.
Das Piemont gilt als die Wiege des Slow-Food. Warum ist bewusstes Essen in Italien so wichtig?
In Italien setzt man sich intensiv mit dem Produkt auseinander. Es wird mit viel Zeit und Leidenschaft zu einer Vollendung gebracht. Ein Supermarkt-Produkt mit irgendwelchen seltsamen Zutaten und schneller Verarbeitung widerspricht dem. Wobei viele Menschen durch die Finanzkrise mittlerweile gezwungen sind, in den preiswertesten Supermärkten einzukaufen. Leute, die nie tiefgefrorenen Fisch gekauft haben, gehen jetzt dorthin und kaufen ihn dort. Weil er billiger ist.
Cettinas Gastrezept
Was wäre ein Interview ohne Gastrezept? Die Wahl ist Cettina Vicenzino nicht einfach gefallen, denn in „Italia – Das Beste aus allen Regionen“ gibt es viele besondere Rezepte. Und natürlich ist der Auberginenauflauf ihrer Mutter das Beste! Dennoch ist ihre Wahl auf die „Zuppa alla Santè“ aus Molise gefallen – eine Hühnersupper mit Brot, Fleischbällchen und Caciocavallo. Das Rezept findest du weiter unten, die Rezension von „Italia – Das Beste aus allen Regionen“ liest du an dieser Stelle.
Zuppa alla Santè – Hühnersuppe mit Brot, Fleischbällchen und Caciocavallo
Zutaten
Für die Brühe
- 1 Huhn küchenfertig
- 1 Bund glatte Petersilie
- 20 g Salz
Für die Crostini
- 10 Scheiben Bauernbrot
- 6 Eier verquirlt
Für die Fleischbällchen
- 300 g Kalbshackfleisch
- 1 Ei
- 15 g Parmigiano Reggiano frisch gerieben
- 7 g Salz
Für die Käsebällchen
- 150 g Caciocavallo reif, frisch gerieben
- 1 Ei
- 20 g Mehl
- 15 g Parmigiano Reggiano frisch gerieben
Zum Servieren
- 250 g reifer Caciocavallo
- Olivenöl
Zubereitung
- Für die Brühe alle Zutaten mit 6 l Wasser in einen großen Topf geben und bei niedriger Temperatur 3–4 Stunden kochen. Dann durch ein Sieb gießen und warm halten.
- Für die Crostini, das Brot in den Eiern wenden und auf beiden Seiten anbraten oder im Ofen rösten. In etwa 1 cm große Würfel schneiden.
- Für die Fleischbällchen alle Zutaten miteinander gut verkneten, zu 1 cm großen Bällchen formen und in etwas Brühe in 3–5 Minuten gar kochen. Die Fleischbällchen aus der Brühe nehmen, abtropfen lassen und die verwendete Brühe weggießen.
- Für die Käsebällchen alle Zutaten gut verkneten, zu 1 cm großen Bällchen formen und in heißem Olivenöl anbraten oder nach Belieben ebenfalls in Brühe gar kochen. Den restlichen Caciocavallo in 1 cm große Würfel schneiden.
- Brot- und Käsewürfel sowie Fleisch- und Käsebällchen in eine große Suppenschüssel legen, mit der Brühe auffüllen und ein paar Minuten ruhen lassen. Die Suppe darf nicht gerührt werden! Die Suppe in Teller schöpfen, dabei darauf achten, dass man mit der Kelle nach unten geht, damit man die Suppenbeilagen erreicht. Vor dem Servieren noch mit etwas Olivenöl beträufeln.
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