Alle wollen Burger! Zumindest in den Großstädten, wo bärtige Hipster genussvoll in die Buletten beißen. An jeder Ecke sprießen Burger-Restaurants seitdem wie Pilze aus dem Boden. Die Bulette im Brötchen ist zum Lifestyle-Produkt geworden – nicht mehr billiges Fast Food, sondern aufwendiges Slow Food. Längst hat der Hype auch in heimischen Küchen Fuß gefasst. Begleitet von unzähligen Kochbüchern. Eins davon: „Burger Unser“.
Mit laschen Pappbrötchen und fettigem Billigfleisch, wie es die großen Ketten von McDonalds bis Burger King servieren, hat der neue Burger-Trend wenig zu tun. Die Burger von heute sind individuell und handgemacht. Im besten Fall mit regionalen Produkten zubereitet und mit Fleisch, dessen Herkunft nachvollziehbar ist. Gerade für Städter im unpersönlichen urbanen Raum ist sowas wichtig. Was den Trend zumindest teilweise erklärt.
Man kann auch nicht behaupten, dass es zum Thema Burger noch nicht genug Kochbücher gibt. In den letzten zwei Jahren allein sind Dutzende Titel erschienen. Viele davon schnell zusammengeschustert, um sich ein Scheibchen vom Hype abzuschneiden. Nicht so „Burger Unser“, das mit biblischen Anstrich zum Bun-und-Patty-Standardwerk werden möchte.
Über den leicht schwachsinnigen Titel des Buchs lässt sich natürlich streiten. Ursprünglich sollte es als „Burger Bibel“ auf den Markt kommen. Ein gleichnamiger Konkurrenztitel machte jedoch eine Titeländerung nötig. Der pseudoreligiöse Touch blieb, denn „Burger Unser“ möchte die Heilige Schrift für alle Burger-Fans sein.
Ist „Burger Unser“ wirklich eine Bibel für Bulletenfans?
Das Zeug dazu hat das Kochbuch allemal: Aufgeteilt ist es in einen Basics-Teil, der sich zunächst den Buns genannten Burgerbrötchen, den Patties – also das, was mal weniger cool Buletten hieß – sowie den Saucen und Beilagen widmet. Danach geht es ans Eingemachte – mit knapp 70 Burger-Rezepten! Sie wurden von Daniel Esswein so verführerisch fotografiert, dass schon beim Durchblättern das Wasser im Mund zusammenläuft.
Anfänger können sich zunächst am simplen „Cheeseburger“ probieren, bevor das Level anzieht: „Der schöne Jacques“ ergänzt das Kalbs-Patty mit Jakobsmuscheln und Erbsencreme und benötigt ordentlich Zeit in der Küche. Jedoch ist das Ergebnis eine große, delikate Belohnung! „Winter Wonderland“ verbindet eine Hirsch-Bulette mit Aprikosen, Shitake-Pilzen und Kerbel-Mayonnaise. Sehr lecker auch der „Bad-Ass-Burger“, der allerdings alles andere als leicht zu essen ist: Bei ihm wird die Bulette mit Käse gefüllt. Auf ihr stapeln sich nicht nur Tomatenscheiben und Zwiebelringe, sondern jede Menge krosse Pancetta-Scheiben. Eine irre Sauerei, aber geschmacklich extrem toll!
Eine gute Auswahl an vegetarischen Burgern
Von Natur aus sind die meisten Burger mit Fleisch oder Fisch, doch einige vegetarische Varianten haben sich auch ins Buch geschlichen. „Vegetanium“ schichtet Blumenkohl, Zuckerschoten, Süßkartoffel, Eigelb- und Mandelcreme und Apfel. „The Frog“ dagegen kommt ganz grün mit Avocadocreme und pochierten Eiern um die Ecke. Selbst den Nachtisch gibt’s im Bun: Süße Burger mit Bananen, Erdbeeren oder Mango laden zum Ausprobieren ein.
Ein Kochbuch für Männer?
Mit Fast Food haben die Rezepte unterdessen nicht mehr viel zu tun, denn wer es mit den Burgern ernst meint, muss Zeit investieren! Und „Burger Unser“ versucht vor allem, Männer dazu zu überreden, den Pfannenwender in die Hand zu nehmen und die Kochschürze umzubinden. Wenn Männer kochen, dann muss die Show stimmen, das Rezept aber auch den Ehrgeiz wecken. Kochen muss was Technisches und das Potential zum Fachsimpeln haben. Wie beim Grillen!
Als Männer-Kochbuch ist „Burger Unser“ selbstverständlich anders geschrieben als das, was sich sonst so auf dem Kochbuchmarkt tummelt. Etwas schnoddriger, gelegentlich auch pseudohip (Fleisch wird z.B. neudeutsch „gewolft“) und oft mit Augenzwinkern. Die pseudoreligiösen „10 Burger-Gebote“ sind natürlich nicht ganz ernst gemeint, die wissenschaftlichen Food-Exkurse von Physiker Thomas Vilgis dagegen schon. Beim Buletten-Brutzeln kann man mit dem gepimpten Wissen vortrefflich vor den hungrigen Mäulern schwadronieren.
Dass es sich um ein Kochbuch für Männer handelt, zeigt auch der Detaillreichtum: Ganze 25 Bilder zeigen Schritt für Schritt, wie die Buns zubereitet werden. Damit der letzte Depp (= Mann) kapiert, wie es geht und der Raum für Flüche begrenzt bleibt.
Kleine Abstriche
Einen Gang nach Canossa müssen die Autoren allerdings für das Rezept der Brioche-Buns machen. Wer sich an die Vorgaben hält, wird von einem zutiefst matschigen Teig überrascht. Denn die 300 ml Milch in der Zutatenliste gehören definitiv nicht ins Rezept! Da die erste Auflage des Buchs bereits ausverkauft ist, wird der Fehler hoffentlich bald der Vergangenheit angehören. Rezepthörige (Männer) wird er jedoch zutiefst verunsichern.
Insgesamt ist „Burger Unser“ jedoch das erhoffte Standardwerk. Neben vielen tollen Rezepten rund um Burger, Saucen und Beilagen und viel Zusatzwissen bietet es vor allem Raum für eigene Experimente! So können nicht nur die Burger abgewandelt werden, auch die Buns bieten unzählige Möglichkeiten, mit Toppings und Texturen neue Geschmackswelten zu erkunden. Dazu kommt der locker-flockige Schreibstil, der sich von all den biederen Kochbüchern erfrischend abhebt. Lange nicht mehr hat ein Kochbuch so viel Spaß gemacht.
Hubertus Tzschirner/ Nicolas Lecloux/ Thomas Vilgis/ Nils Jorra/Florian Knecht/Daniel Esswein
„Burger Unser“
(Callwey Verlag)
290 Seiten, ISBN 978-3-7667-2201-0, € 39,95
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