Treppen. Unendlich viele Treppen. Die Bewohner der Amalfitana brauchen alles, aber kein Fitnessstudio. Die Orte an der atemberaubenden Steilküste sind so dicht an den Felsen geklebt, dass die vielen Höhenmeter oft nur über Treppen oder steilste Gassen zurückgelegt werden können. Wer nicht regelmäßig Sport treibt, kann hier schnell aus der Puste kommen. Von Praiano aus wollen wir drei Tage lang die Amalfiküste und ihre Sehenswürdigkeiten erkunden. Wir erleben das touristische Gegenprogramm zu unserer Reise durch Kalabrien.
Über die Amalfitana – kurvenreiches Stop-and-Go
Morgens ein Espresso mit Cornetto und ein letzter wehmütigen Blick vom Schloss auf den Golf von Policastro. Dann brechen wir aus Praia A Mare in Richtung Amalfiküste auf. Das Wetter ist uns heute nicht so wohl gesonnen und mit den ersten Regentropfen wird der Verkehr ab Eboli chaotischer. In Salerno biegen wir auf die Strada Amalfitana, die als eine der landschaftlich beeindruckendsten Strecken der Welt gilt. Ihr eilt aber auch der abenteuerliche Ruf voraus, die Nerven der Autofahrer einer Belastungsprobe zu unterziehen. Die Via Nastro Azzurro, wie die Straße auch heißt, wurde einst den steilen Felsen abgetrotzt. Zu einer Zeit, in der Autos noch Zukunftsmusik waren und Pferdefuhrwerke Waren transportierten.
Entsprechend schmal ist die Amalfitana, auf der wir direkt zu Beginn von einem kräftigen Stau begrüßt werden. Zwei Autos passen auf der Straße gerade eben nebeneinander. Kommt ein dickes SUV oder einer der vielen Busse entgegen, muss der Außenspiegel schon mal eingeklappt oder improvisiert werden. Im besten Fall kündigen sich die Busse auf der schwindelerregend kurvenreichen Strecke mit ihren gähnenden Schluchten und bedrohlichen Abgründen an. Ein Hupen heißt, gleich wird es eng. Ein Blick in die vielen runden Spiegel hilft auch, um den Gegenverkehr hinter der nächsten Kurve im Auge zu behalten. Wenn es dann doch mal stockt, heißt es Ruhe zu bewahren. Dann übernehmen die Anwohner den Job als freiwillige Verkehrslotsen. Sie winken Busse, Autos und Vespas in Millimeterarbeit so durch, dass es wieder passt.
Als Autofahrer stehen mir gelegentlich die Schweißperlen auf der Stirn. Meine Beifahrerin überschlägt sich dagegen vor Begeisterung angesichts der atemberaubenden Panoramen. Hinter jeder Kurve folgt ein neues landschaftliches Highlight. Ich kann die Ausblicke am Steuer leider nicht genießen. Aber dafür macht das Fahren auf der Amalfitana erstaunlich viel Spaß. Sofern es einigermaßen zügig vorangeht.
Unterkunft in Praiano – ein Parkplatz ist Gold wert
Am frühen Nachmittag kommen wir in Praiano an, wo unsere Unterkunft liegt. Für die 36 Kilometer lange Strecke von Salerno nach Praiano haben wir fast zwei Stunden gebraucht. Unter 90 Minuten schafft man es kaum. Das Gute an unserem Hotel in Prainao ist nicht nur ein Zimmer mit eigener Terrasse und spektakulärem Ausblick auf die Küste. Wir haben sogar einen kostenlosen Parkplatz. Das ist selten an der Amalfiküste und Gold wert. Einmal geparkt, lassen wir das Auto in den nächsten Tagen stehen. Schließlich sind Parkplätze Mangelware und kosten nicht selten 25 Euro und mehr pro Tag.
Nachdem wir unser Zimmer bezogen haben, wollen wir Praiano erkunden. Vorher bloß nichts im Hotel vergessen, denn es liegt 200 Treppenstufen über der Via Nastro Azzurro. Zu Beginn ächzen und stöhnen wir noch beim Erklimmen der Stufen. Nach drei Tagen an der Costiera Amalfitana gehen wir sie mit links.
Praiano – ruhigere Alternative zu Amalfi und Positano
Praiano ist eine gute Wahl, um die Amalfiküste zu erkunden. Der sonnenverwöhnte Ort am Capo Sottile ist touristisch nicht ganz so überlaufen wie Positano oder Amalfi. Er liegt zentral zwischen den beiden Küstenstädtchen. Von Praiano aus gelangst du auch sehr schnell zum Sentiero degli dei, dem Götterpfad, hoch in den Monti Lattari. Dort war schon Goethe der fantastischen Aussicht wegen unterwegs. Eigentlich wollen wir ihn ebenfall erwandern. Aber trotz der Wetterbesserung wehen während unseres Aufenthalts an der Amalfitana immer wieder Wolken durch die Berggipfel. Im Nebel wollen wir an der Steilküste lieber nicht herumstochern.
Tauchen und Baden kannst du in Praiano auch. Es gibt sowohl einen kleine Strände als auch ein Tauchzentrum, das Exkursionen anbietet. Bekannteste Sehenswürdigkeit des Ortes ist die Parocchia San Gennaro, deren wunderschöne Kuppel mit Majolikakacheln verziert ist. Das Innere der Kirche ist ebenfalls sehr farbenfroh gehalten. Ein Spaziergang durch die schmalen Gässchen im höher gelegenen Teil des Dorfes lohnt sich hingegen nicht nur wegen der Aussicht. Eine Kunstinitiative hat hier einen Keramikpfad eingerichtet, der Werke verschiedener Künstler im öffentlichen Raum präsentiert.
Touristische Schattenseiten an der Amalfiküste
Es mag in Praiano im Vergleich zu anderen Orten an der Amalfitana relativ ruhig zugehen. Das touristische Herz schlägt hier dennoch schneller als in Kalabrien. Briten und Amerikaner zieht es mit Vorliebe an die Amalfiküste. Das führt dazu, dass Touristen in Restaurants ungefragt eine englischsprachige Speisekarte vorgesetzt bekommen. Noch schlimmer wird es an der Bar, an der wir auf Italienisch „due caffé“ bestellen. Verunsichert fragt uns der Barista, ob wir zwei Espressi meinen. Und ohnehin: Bestellt man auf Italienisch, antworten viele Bedienungen in vorauseilend auf Englisch. Das mag viele Amerikaner freuen. Vor allem diejenigen, die es nicht mal fertigbringen, vor ihrer Reise grundlegende Worte wie „grazie“, „per favore“ und „arrivederci“ zu lernen. Aber wir sind milde genervt von dieser Touri-Mentalität.
Kulinarischer Tipp
Überall wo sich viele Touristen rumtreiben, ist die Gefahr groß, in schlechten Restaurants zu essen. Außer einer guten Lage haben sie meist nicht viel zu bieten. La Strada liegt direkt an der Strada Amalfitana im Ortsteil Vettica Maggiore von Praiano. Das Restaurant hat nicht nur eine Terrasse mit schönem Ausblick, sondern macht sehr gute Pizzen. Für Amalfitana-Verhältnisse sind die Preise moderat und der Service sehr persönlich und extrem gut gelaunt.
La Strada, Via Gennaro Capriglione 178, Praiano
Ausflüge an der Amalfitana
Für Ausflüge in die anderen Küstenorte musst du früh aufstehen. Der Bus nach Positano ist morgens um 9 Uhr schon gut voll. Er ist aber die günstigste und stressfreiste Möglichkeit, an der Costa Divina vorwärts zu kommen. Tickets gibt es nicht im Bus, sondern du musst sie vorher an einem der vielen Tabacchi kaufen. Mit Bleifuss fährt uns der Busfahrer nach Positano. Während wir die schroffe Küste des Unesco-Welterbes bestaunen, lernen wir in den Kurven die Fliehkräfte kennen.
Sehenswertes in Positano
In Positano angekommen, führt die Via Cristoforo Colombo hinunter ins Zentrum des Ortes. Von der Straße aus hat man einen sehr guten Blick auf die pastellfarbenen Häuser. Nahezu senkrecht würfeln sie sich am Hang aneinander – fast wie in einem Bild von Paul Klee.
Positano war in den Fünfzigern und Sechzigern Ort des Jetsets, an dem sich Filmstars und andere Prominente trafen. Das Klischee des Dolce Vita hat sich hier als Mythos verfestigt und zieht Massen von Touristen an. Positano versucht dabei, das einstige Flair des beschaulichen Fischerdorfs und mondänen Urlaubsziels zu erhalten. Oft wirkt es aber wie ein Disneyland des Italien-Ideals. Die vielen Souvenirläden bieten eine bleibende Erinnerung für jeden Geschmack, oft zu saftig überteuerten Preisen. Trotzdem wirken sie gerade auf die britischen und amerikanischen Touristen wie ein Magnet.
Aus Sorrent und Amalfi werden die Tagesausflügler in Massen angekarrt. Sie begeben sich in den vielen Boutiquen auf einen exklusiven Shoppingtrip. Dabei wäre Positano ohne die vielen Menschen in der Tat ein malerisches Paradies – bunt blühend und mit Blumen geschmückt. Aber selbst im September schieben sich die Menschen noch dicht an dicht durch die engen Gassen.
Die Via dei Mulini mit ihrem Dach aus Zitronenbäumen führt zum ebenfalls mit einer Majolikakuppel gebauten Duomo Santa Maria Assunta. Er ist mit seinem weiß-goldenen Inneren ein Traumziel für Hochzeitswillige. An der Spiaggia Grande, unterhalb des Doms, ankern abends die Yachten. Im Postkartenidyll von Positano heißt es dann Sehen-und-Gesehen-Werden.
Wo in Positano weniger Touristen unterwegs sind
Unterhalb des Domplatzes führt die Via Trara Genioino in den oberen Ortsteil. Der Aufstieg über die irre vielen Treppen ist anstrengend, lohnt sich aber. Auch wenn sich deine Beine und Knie beschweren: hoch oben ebbt nicht nur der Touristenansturm ab. Positano zeigt sich hier von einer ursprünglicheren Seite und bietet zudem grandiose Panoramablicke auf den ganzen Ort.
Ausgeh-Tipp
Verdammt teure Drinks, aber ein unvergessliches Ambiente genießt du im Africana Famous Club. Er liegt am östlichen Ortsende von Praiano. Genauer gesagt in einer Bucht und ist direkt am Meer in eine Felshöhle, der Grotta dell’Africana, eingelassen. Der Boden ist teilweise gläsern und ermöglicht einen Blick auf den Meeresgrund. Geöffnet ist der Club allerdings nur in den Sommermonaten.
Africana Famous Club, Via Terramare 2, Praiano
Weiter zu Teil 7: Die Amalfiküste: Ravello, Amalfi und Atrani
Du hast Fragen oder Anmerkungen? Du warst auch schon an der Amalfiküste? Berichte gerne in den Kommentaren von deinen Erfahrungen und Tipps!
Sarah
Was für ein wundervoller Bericht. Wir waren letztes Jahr 3 Wochen an der Amalfi Küste und ich kann es kaum erwarten wieder hinzufahren! Wir haben übrigens für 25 km 2,5h gebraucht ?
Ich freu mich schon auf deine weiteren Berichte!
Ganz liebe Grüße,
Sarah
Torsten
Liebe Sarah,
danke dir! Da waren wir mit unseren knapp zwei Stunden für 36 Kilometer ja noch schnell. :-)
Liebe Grüße
Torsten
Iseli
Grüezi Torsten :)
Mit Herzklopfen habe ich Ihren Reiebericht gelesen. Als Hobbyfotografin und frisch geschlüpfte Rentnerin heisst mein Traumziel für 2019 Amalfiküste, Capri, Pompei. Ihre detaillierten und begeisternden Informationen motivieren mich, diese Reise nächstes Jahr im Frühling anzutreten.
Ich wünsche Ihnen weiterhin viele inspirierende Unternehmungen und grüsse Sie fröhlich aus Spiez, Berner Oberland