Am späten Vormittag brechen wir nach Cisternino auf. Mit seiner schnuckeligen Altstadt gehört der Ort zu den Borghi più belli d’Italia – den schönsten Dörfern Italiens. Rund 11.000 Menschen wohnen in Cisternino. Ahnlich wie in Ostuni tünchen auch die Bewohner des apulischen Städtchens ihre Häuser blendend weiß. Bereits 1180 wurde der Ort erstmals unter dem Namen Cisturnium urkundlich erwähnt. Aber in den Jahrhunderten zuvor siedelten an diesem Flecken Italiens schon Messapier, Griechen und Römer. Ein geschichtsträchtiges Pflaster mit vielen kulinarischen Highlights.
Mittelalterliche Spuren im Centro Storico
In der Altstadt ist viel mittelalterliche Architektur erhalten. Die Häuschen in den engen Gassen sind durch stützende Bögen miteinander verbunden und du kannst erstaunlich gut sehen, wie organisch das Centro Storico gewachsen ist. Die gepflegten Innenhöfe, steilen Außentreppen und urigen Bögen – alles wirkt auf subtile Weise miteinander verbunden.
Einen zentralen Parkplatz haben wir in Cisternino nicht gefunden. Also lassen wir das Auto kurzerhand an der Via Domenica Cirillo direkt unterhalb der Altstadt stehen, wo weiße Striche freies Parken ermöglichen. In der Parallelstraße Via Regina Margherita packen Straßenhändler schon frühzeitig ihre Marktstände zusammen, denn die Hitze drückt an diesem sonnenreichen Vormittag. Innerhalb weniger Minuten scheint der gesamte Ort in einen Dornröschenschlaf zu verfallen.
In Windeseile verschwinden die Menschen in ihren Häusern, aus denen nur noch das Klappern der Töpfe zu hören ist. Kaum eine Menschenseele ist jetzt noch unterwegs, als wir von der Barockkirche Chiesa San Cataldo aus an den strahlend hellen Häusern des kurzen, aber schmucken Corso Umberto vorbeischlendern.
Kulinarischer Tipp: Besuch beim Fornello
Die Murgia, allen voran Cisternino, ist für eine besondere kulinarische Tradition bekannt: den Fornello. Es handelt sich dabei um eine kleine Fleischerei, in der sich die Kunden ein frisches Stück Fleisch in der Theke aussuchen. Anschließend können sie es sich direkt in einem kleinen, mit Olivenholz befeuerten Steinofen grillen lassen. Das Fleisch gart dabei nicht über der Kohle, sondern wird so im Ofen platziert, dass es durch indirekte Hitze brät. An kleinen Holztischen kannst du das auf diese Weise zubereitete Fleisch bei einem Glas Wein genießen. Zu den größten Spezialitäten gehören Innereien wie Turcinieddhi und die Gnummareddi. Im Grunde ist es mit das älteste Street Food Apuliens. Empfehlenswert in Cisternino sind die Rosticceria Al Vecchio Fornello und Zio Pietro – beide mitten im Centro Storico.
Kunst am Torre Grande
An der Piazza Garibaldi genießen wir den tollen Ausblick. Er reicht über das Valle d’Itria bis nach Martina Franca und Locorotondo. Oberhalb der Piazza thront der Torre Grande. Der alte Wehrturm ist ein wuchtiger Klotz und steht auf dem höchsten Punkt Cisterninos. Die normannisch-schwäbische Verteidigungsanlage aus dem 12./13. Jahrhundert war allerdings zu schwach gebaut, weshalb sie hauptsächlich als Ausguck diente. Von der Spitze des quadratischen Turms konnte man das Valle d’Itria perfekt überblicken. Der Torre Grande stand fast direkt am Haupttor zur Altstadt, von dem jedoch nichts mehr erhalten ist. Heute dient er friedlicheren Zwecken und beherbergt Kunstausstellungen.
Kulinarischer Tipp: Mandorle atterate
Wenn du eine Naschkatze oder -kater bist, dann solltest du in den Pasticcerien von Cisternino nach einer lokalen Süßigkeit namens Mandorle atterate Ausschau halten. Es handelt sich dabei um eine einfache, aber wirklich köstliche Spezialität: geröstete Mandeln aus der Region, die in Zucker karamellisiert werden. Oft sind sie leicht mit Zitrone aromatisiert, aber es gibt sie auch mit Schokolade überzogen. Die Spezialität aus Cisternino wurde vor allem bei Hochzeiten, Taufen und anderen Festen als Geschenk mitgebracht. Sie sind auch ein ideales Mitbringsel für Daheimgebliebene.
Chiesa di San Nicola und das Nachtleben rund um die alte Stadtmauer
Wenige Meter entfernt vom Turm liegt die Chiesa di San Nicola aus dem 15. Jahrhundert. Sie wurde auf den Resten einer noch älteren Kirche aus dem 8. Jahrhundert errichtet. Im Laufe der Zeit gestaltete man die Kirche mehrfach um. So stammt ihre heutige Fassade in neoklassischer Schlichtheit erst aus dem Jahr 1848. Die Türen sind aber wie fast alles in Cisternino zur langen Mittagspause: verschlossen.
Abends herrscht in dieser Ecke von Cisternino reges Leben. Die Via San Quirico entlang der alten Stadtmauer ist eine kleine Barmeile mit fantastischer Aussicht. Die Stadtmauer wurde im 14. Jahrhundert gebaut, um die wachsende Stadt zu schützen. Im Laufe der Jahrhunderte ist sie mit den Gebäuden regelrecht verwachsen. So stammen Teile des Palazzo Amati mit seinen auffälligen Balkonen und der Torre Amati noch aus den alten Mauern.
Bère Vecchie – der älteste Ortsteil
Nur ein paar Schritte weiter, am Park der San Quirico-Kirche, kannst du noch einmal eine fantastische Aussicht auf das Itria-Tal genießen. Wir biegen aber lieber ab in die Altstadt, wo wir das winkelige Gassengewirr des Viertels Bère Vecchie erkunden wollen. Es ist der älteste Stadtteil von Cisternino. Hier ist das Centro Storico ein echter Traum aus schmalen Gassen mit blumengeschmückten Innenhöfen, abenteuerlichen Treppen und schiefen Häuschen.
Kulinarischer Tipp: Orecchiette
Zu den Spezialitäten von Cisternino gehören auch die Orecchiette. Jene kleinen Nudeln in Öhrchenform, die in ganz Apulien auf den Tisch kommen. Cisternino widmet der Pasta jedes Jahr im August ein eigenes Fest. Bei der Sagra delle Orecchiette kannst du die Nudeln in allen erdenklichen Variationen probieren – mit klassischem Ragù und Cacioricotta, Cime di Rapa oder – ganz einfach und nicht weniger schmackhaft – mit Tomaten und Basilikum. Aber aufpassen: die Sagra findet nicht im historischen Zentrum statt, sondern im Ortsteil Caranna, etwa drei Kilometer entfernt.
Rund um die Piazza Vittorio Emanuele
Früher oder später sind wir schließlich dort, wo jeder Besucher in Cisternino landet: an der Piazza Vittorio Emanuele mit dem Uhrenturm Torre dell’Orologio von 1850. In seinem Schatten lädt eine Bar zum Ausspannen ein – mitten im Herz des Ortes. Es ist, was den Reiz von Cisternino ausmacht. Für seine beschauliche Größe hat das Städtchen ein unglaublich breites gastronomisches Angebot. In den verwinkelten Gassen versteckt sich hinter jeder Ecke und Weggabelung eine Trattoria oder Osteria. Und in den kleinen Bars kannst du am frühen Abend einen Aperitif genießen. Das verwandelt Cisternino nicht nur in ein einladendes Ziel für Tagesausflüge, sondern du kannst so auch prima ein paar Tage am Stück in dem Ort genießen.
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