Mit ihrem Kochbuch „Die Küche Venedigs“ begeben sich Giancarlo und Katie Caldesi auf eine genussvolle Reise in eine der schönsten Städte der Welt. Dabei besinnt sich das Paar, das in London eine italienische Kochschule und mehrere Restaurants betreibt, auf die prächtige kulinarische Tradition der Serenissima. Inspiriert von der Rezeptesammlung „Libro per cuoco“ des Anonimo Veneziano verbinden sie eine moderne, bodenständige Küche mit der üppig gewürzten aus der Zeit des Levantehandels. Katie Caldesi über ihre Liebe zur Lagunenstadt, die Besonderheiten der venezianischen Regionalküche und ihr Lieblingsgericht, das sie als Gastrezept vorstellt.
Sie waren mit 21 Jahren erstmals in Venedig. Erinnern Sie sich noch an Ihren ersten Eindruck?
Ich stieg aus dem Zug und es war ein wundervoller Anblick. In einigen Stadtteilen sah man keine Anzeichen des modernen Lebens. Keine Fahrräder, keine Autos. Vieles wirkte so, wie es vor 800 Jahren gewesen sein muss. Das ist das Unglaubliche an Venedig. Man hat das Gefühl, rückwärts durch die Zeit zu reisen.
Was lieben Sie besonders an Venedig?
Ich mag, dass sich in Venedig nicht so viel verändert hat. Wenn Sie in der Nacht oder am frühen Morgen durch die Stadt gehen, treffen Sie kaum Menschen. Ich stelle mir dann bildhaft vor, wie die Stadt vor Jahrhunderten zu den Hochzeiten des Gewürzhandels ausgesehen haben muss. Und ich finde den Frieden und die Ruhe schön, den Venedig ausstrahlt, wenn man durch die Gassen geht.
Was hat Sie dazu bewogen, ein Buch über Venedig und seine kulinarische Tradition zu schreiben?
Mein Mann Giancarlo und ich haben zuvor ein Buch über Amalfi veröffentlicht. Jetzt wollten wir über italienische Städte schreiben. Es sollte ein Ort sein, von dem oft gedacht wird, man bekäme dort nur touristisches Essen. Ich wusste durch meine Besuche in der Stadt, dass man in Venedig auch ganz anders essen kann. Durch meine Liebe für Geschichte ahnte ich, dass es faszinierende Dinge rund um den Gewürzhandel zu entdecken gäbe, der die Stadt einst so prägte. Viele der Palazzi wurden mit dem Geld aus dem Gewürzhandel erbaut. Und ich stellte mir die Frage, wie das Essen zu dieser Zeit schmeckte.
Sie haben einige Rezepte des Anonimo Veneziano an die heutige Küche angepasst. Kannten Sie das Kochbuch aus dem 14. Jahrhundert schon, bevor Sie mit der Arbeit an „Die Küche Venedigs“ begonnen haben?
Nein. Wir trafen viele Köche und Einwohner Venedigs und ich merkte an, es sei doch seltsam, dass das Essen in einer Stadt des einstigen Gewürzhandels so gewürzarm sei. Eine Frau sagte uns, wir müssten unbedingt dieses alte Kochbuch ansehen, aus dem auch ein Restaurant, das Bisto de Venise in San Marco, kocht. Mein Mann rief den Besitzer an und fragte ihn, ob wir mit ihm arbeiten könnten. Das Essen dort war wundervoll und die Gerichte sehr ungewöhnlich. Er verriet uns, dass das Buch des Anonimo Veneziano in einem Museum in Rom liegt. Wir fuhren dort hin, um es uns anzusehen, und danach fingen wir an, die Gerichte daraus nachzukochen.
Was ist das Besondere an der venezianischen Küche?
Sicherlich der frische Fisch. Wenn man dort ist, muss man unbedingt die Sardinen probieren, die morgens gefischt wurden. Man schmeckt noch das Salzwasser, aus dem der Fisch nur Stunden zuvor geholt wurde.
Was unterscheidet die venezianische Küche von anderen italienischen Regionalküchen?
In Venedig verwendet man viel Reis. Es steht oft Risotto auf den Speisekarten. Ich mag die Art, wie es in der Stadt zubereitet wird, denn es ist immer noch etwas nass, fast wie eine Suppe. Die Patisserie ist auch besser als in anderen Regionalküchen und rührt vom österreichischen Einfluss her. Vor allem während des Karnevals gibt es in Venedig eine große Auswahl an Desserts. Viel mehr als zum Beispiel in der Toskana.
„Die Küche Venedigs“ liefert auch viele Hintergrundinfos über die kuliarische Tradition der Stadt und gibt Reisetipps. Ist ein Kochbuch idealerweise mehr als eine einfache Rezeptesammlung?
Ich erzähle gerne Geschichten über das, was wir essen. Als Lehrerin in unserer Kochschule weiß ich, dass die Leute gerne zusätzliche Informationen zu Gerichten und Zutaten erfahren möchten. Ich schaue auch gerne, warum Zutaten oder Gerichte in einer bestimmten Region vorkommen. In Venetien und in Friaul-Julisch Venetien wird beispielsweise sehr oft Polenta serviert. Durch diese überlebten die Menschen im Norden Italiens vor Jahrhunderten eine Hungersnot. Deshalb hat sie dort bis heute einen großen Stellenwert. Die Menschen haben eine emotionale Bindung zu ihrem Essen.
Arbeiten Sie schon an Ihrem nächsten Projekt?
Ja, es wird ein Buch über Rom, für das ich einige Gerichte gefunden habe, die Julius Caesar gegessen hat. Ich finde es faszinierend, dass wir viele Gerichte, die bei den Menschen damals auf dem Speiseplan standen, immer noch mögen.
Hier geht es zur Buchbesprechung von „Die Küche Venedigs – Traditionelle Rezepte neu entdeckt“.
Risotto mit Hähnchenfleisch aus Venedig
Zutaten
Für das Sofritto
- 2 Stangen Staudensellerie
- 1 Zwiebel groß und weiß
- 2 Möhren mittelgroß
Für das Risotto
- 2 Zehen Knoblauch leicht zerdrückt
- 1 Zweig Rosmarin
- 6 Scheiben Pancetta fein gewürfelt (oder ungeräucherter Bacon)
- 8 EL Olivenöl extra vergine
- 1 Hähnchen zerlegt (oder 8 große Hähnchenkeulen mit Knochen)
- Salz
- Pfeffer
- 4 EL Sonnenblumenöl
- 100 ml Weißwein
- 300 g Carnaroli-Reis oder anderer Risottoreis
- 1-1,2 l Hühnerbrühe alternativ Rinder- oder Gemüsebrühe
- 30 g Butter gesalzen
- 50 g Parmesan frisch gerieben
Zubereitung
- Für das Soffrito das Gemüse schälen und von Hand fein würfeln (oder in der Küchenmaschine grob zerkleinern).
- Das Soffrito-Gemüse mit Knoblauch, Rosmarin und Pancetta in einen großen Topf mit schwerem Boden geben und etwa 10 Minuten bei geringer Hitze im Olivenöl anschwitzen, bis das Gemüse weich ist.
- Die Hähnchenteile mit Salz und Pfeffer würzen, in einem zweiten Topf im Sonnenblumenöl rundherum knusprig anbraten. Die Hähnchenteile zum soffritto geben, dabei das überschüssige Sonnenblumenöl auffangen. Den Wein angießen und 2 Minuten verdunsten lassen. 1000 mI Brühe zugeben, aufkochen lassen und das Fleisch 10 Minuten darin zugedeckt garen.
- Den Reis in den Sud einrühren und unter gelegentlichem Rühren kochen, bis er die Flüssigkeit aufgesogen hat. Gegebenenfalls noch etwas Brühe hinzufügen, um den Reis aufzulockern (er sollte eine cremige, relativ flüssige Konsistenz haben).
- Sobald Reis und Fleisch gar sind, den Topf vom Herd nehmen. Butter und Parmesan unterrühren. Den Deckel auflegen und den Risotto vor dem Servieren einige Minuten ziehen lassen.
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