Nur eine kleine Treppe müssen sie hinab, dann stehen Kochbuch-Fans im Paradies. Im Souterrain eines großen Berliner Altbaus, direkt in Mitte, geht Hobbyköchen und Leseratten das Herz auf. Dort sitzen Swen Kernemann-Mohr und Johannes Mohr zwischen rund 35.000 kulinarischen Büchern aus den letzten 300 Jahren. Das älteste Werk stammt aus dem Jahr 1716. Die beiden sind die guten Seelen der Bibliotheca Culinaria, dem größten Kochbuch-Antiquariat Deutschlands. Ein Besuch bei Swen Kernemann-Mohr, der sich vom Orchideengroßhändler zum Herr der Bücher wandelte und mit einem Gastrezept überrascht, das mindestens gewöhnungsbedürftig ist.
Wie kommt man von Blumen zu Kochbüchern?
Ich habe immer gerne gekocht, schon als Kind. Irgendwann habe ich angefangen, auf dem Flohmarkt nach Kochbüchern zu schauen. Damit hat die Sammelwut angefangen. Am Anfang habe ich natürlich alles gekauft. Mittlerweile ist es schon sehr speziell und man erkennt schnell, wenn man in Kisten reinschaut, ob Kochbücher drin sind oder nicht.
Wann hast du dich entschieden, das Hobby zum Beruf zu machen?
Vom Kopf her vor zehn Jahren, realisiert haben wir es vor fünf. Die ganzen Bücher mussten von Köln nach Berlin, was schon ein Aufwand war. Die haben einfach ein Gewicht und wenn du damit einen LKW vollpackst, ist der ganz schnell überladen.
Wie sich Kochbücher weiterentwickeln
Wenn du Jahrhunderte alte und moderne Kochbücher vergleichst, wie unterscheiden sie sich?
Ganz deutlich die Bildsprache. Früher gab es gar keine Bilder. Und auch keine Mengen- oder Zeitangaben. Da kam etwas „in den heißen Ofen“ und wurde gekocht, „bis es fertig“ war. Damals wie heute sind es immer die gleichen Grundrezepte. Natürlich kann man viel abwandeln, heutzutage vor allem durch neues Gemüse. Aber im Grunde erfindet niemand das Kochen neu.
Und welche Änderungen gab es in der jüngeren Vergangenheit?
Auch da hat sich primär die Fotografie verändert. Die Art der Aufnahmen und das Design. Also wie Essen präsentiert wird. Heutzutage gibt es ein Rezept, eine Zubereitungserklärung und ein schönes Bild dazu. An den Kochbüchern der Fünfziger und Sechziger fasziniert mich, dass sie teilweise sehr amüsant waren. Da wurden nebenbei kleine Geschichten erzählt und man nahm das Kochen manchmal nicht so ernst. Im Buch „Gastronomie International“ gibt es tatsächlich ein Kapitel im Bereich Afrika namens „Die Kannibalen“, in dem beschrieben wird, welches Menschenfleisch am besten ist und warum. Das würde sich heute keiner mehr trauen.
Was macht das perfekte Kochbuch aus?
Für mich muss das perfekte Kochbuch kein Bild haben. Dann kann ich die Rezepte geistig nachkochen, wenn ich sie lese. Und sie müssen schlüssig sein. Dann sind sie perfekt.
Der Reiz alter Kochbücher
Kochen deine Kunden, wenn sie zum Beispiel Bücher aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts kaufen, tatsächlich daraus?
Viele kaufen die wegen der kleinen Geschichten und der Art, wie das Buch geschrieben ist. Wir haben zum Beispiel das erste auf deutsch erschienene italienische Kochbuch, „Nicht nur Maccheroni“, das 1916 in der Schweiz verlegt wurde. Die Dame beschreibt so amüsant und herzlich die Gerichte. Es ist einfach wunderschön zu lesen und eher Literatur.
In alten Kochbüchern findet man sicherlich viele skurrile Rezepte?
Da gibt es sehr viele. Früher wurden natürlich alle möglichen Arten von Vögeln gegessen. Aber das skurrilste Buch der Neuzeit ist „Köstlichkeiten internationaler Kochkunst“ von einem Berliner, der hier Ende der Sechziger, Anfang der Siebziger ein Restaurant hatte. Werner Fischer. Da ging die ganze Dekadenz Berlins hin. Er hat zum Beispiel Elefantensuppe gekocht. Robbenfilet oder Bärentatzen, die er über dem Feuer gegrillt hat. Der war hart drauf.
Welches ist dein teuerstes Kochbuch?
„Das Brandenburgische Kochbuch“, das gibt es auch als Reprint. Es ist das erste deutsche Kochbuch und wurde ziemlich spät veröffentlicht, weil Deutschland durch die Kleinstaaterei geprägt war. Das Buch kostet 1800 Euro.
Kochen in der DDR
Gibt es einen Unterschied zwischen BRD- und DDR-Kochbüchern?
In der DDR sind wesentlich weniger Kochbücher erschienen. Grob geschäzt vielleicht 300 in der ganzen DDR-Geschichte und in Westdeutschland dagegen vermutlich 300.000. Die Küche im Osten war sehr fleischlastig, denn Fleisch gab es genug in der DDR. Viele meiner Kunden aus der ehemaligen DDR sagen, dass die Küche wesentlich kalorienärmer war. Dadurch, dass bestimmte Fette Mangelware waren. Bei Backrezepten wird weniger Butter verwendet. Es gab auch einen DDR-Fernsehkoch. Der musste vor jeder Sendung beim Zentralkommitee anrufen und fragen, ob er ein geplantes Gericht kochen durfte. Denn wenn er was kochte, wozu am nächsten Tag die Lebensmittel nicht erhältlich waren, dann gab’s Ärger. Aber viele Leute, die nicht aus der DDR kommen, schwören auf diese Bücher. Ich finde sie auch ganz toll, weil sie sehr fundiert sind. Die Gerichte wurden alle vorher durchgekocht und sind schlüssig, was im Westen nicht immer so war.
Fällt es dir leicht, dich von den Büchern zu trennen?
Mittlerweile ja, weil auch immer wieder etwas Neues kommt. Alle Bücher sind verkäuflich. Ich preise natürlich meine Lieblings-Kochbücher an, die ich im Grunde gut finde. Die sind dann natürlich weg. Und dann hat man den Ansporn, sie wiederzubekommen und so geht die Jagd weiter. Bei manchen klappt’s, bei anderen nicht.
Bibliotheca Culinaria
Zehdenicker Straße 16
10119 Berlin
Öffnungszeiten: Di-Fr 11-19 Uhr, Sa 11-16 Uhr
www.bibliotheca-culinaria.de
U8, M1, M12, Bus 142: Rosenthaler Platz
Jakobsmuscheln auf Christstollen
Zutaten
- 12 Jakobsmuscheln frisch mit Corail
- Liebigs Fleischextrakt oder Rinderbrühe
- 2 Becher Creme double
- 1 Glas Champagner
- Salz
- weißer Pfeffer
- Zimt
- 5 Fäden Safran
- 125 g Butter
- 12 Scheiben Christstollen
Zum Garnieren
- Essbare Blüten
Zubereitung
- Die Jakobsmuscheln waschen und trockentupfen.
- In einem Topf Fleischextrakt mit 150–200 ml Wasser anrühren und etwas einkochen lassen. Creme double hinzugeben und weiter einkochen.
- Jetzt den Champagner hinzugeben und alles zu einer cremigen Sauce einkochen lassen. Salzen, pfeffern und mit reichlich Zimt und dem Safran abschmecken. Nochmals einen Schuss Champagner hinzugeben.
- Butter in einer Pfanne zerlassen und die Jakobsmuscheln darin von jeder Seite für 2-3 Minuten ziehen lassen – nicht anbraten, sondern eher pochieren.
- Die Christstollenscheiben mit je einer Muschel belegen, etwas Sauce darauf geben und mit den Blüten garnieren.
Schreibe einen Kommentar