Bernie Rieder galt lange als das Wunderkind unter den Köchen Österreichs. Mit gerade einmal 21 Jahren erkochte er seine erste Gault-Millau Haube. Es sollte nicht die letzte sein. Seitdem bewährte er sich in zahlreichen Restaurants als Küchenchef und verwöhnte als TV-Koch die Zuschauer des ORF. Jetzt legt er mit „Österreichische Küche Reloaded“ ein Kochbuch vor, dass nicht nur die Klassiker der Alpenrepublik vorstellt. Rieder modernisiert die Küche des Landes und zeigt, dass sie viel mehr als Wiener Schnitzel und Eiernockerl zu bieten hat. Auf Dishes Delicious stellt er sein Lieblingsrezept vor und verrät, warum die Küche Wiens und Österreichs zwei unterschiedliche Paar Schuhe sind.
Die österreichische Küche wurde von den kulinarischen Traditionen Böhmens, Ungarns, des Balkans und Italiens beeinflusst. Siehst du sie als den Prototypen der Fusionsküche?
Genauso ist es! Dadurch, dass sich Kaiser Franz Josef alles unter den Nagel gerissen hat und sich Österreich vor 200 Jahren so weit erstreckte, wurden viele Einflüsse unter dem Begriff der österreichischen Küche verkauft. Die Gerichte, die man aus Italien kannte. Oder aus Ungarn mit Gulasch und Szegediner Krautfleisch, die Buchteln aus Böhmen. Das ist, was die österreichische Küche geprägt hat.
Was die traditionelle österreichische Küche ausmacht
Was kennzeichnet die traditionelle österreichische Küche?
Es ist eine sehr, sehr bodenständige Küche. Ich komme von einem Bauernhof aus dem Burgenland. Der Ort ist ganz klein, hat 3000 Einwohner. Ich bin bei meinen Großmüttern aufgewachsen und wir haben immer ganz nah an den Jahreszeiten gelebt. Wir hatten Erdäpfel-Äcker und einen riesengroßen Garten. Im Winter gab es anders als heute keine Erdbeeren, weil sie dort nicht wuchsen. Man konnte sie nur essen, wenn sie reif waren. Im Herbst und Winter hatten wir viele Zwiebeln, Knoblauch, Kraut, Kohlköpfe und Rüben. Es war das, was zu der Zeit wuchs. Das ist für mich typisch Österreich. Bodenständig, sehr erdig. Und grundsätzlich eine sehr deftige Küche. Ich habe in dem Kochbuch aber versucht, viele dieser Gerichte in die neue Zeit zu bringen.
Wo siehst du Modernisierungsbedarf?
Die traditionelle österreichische Küche lebt von Schweineschmalz. Ich kann einem Gulasch aber auch einen wunderbaren Geschmack geben, indem ich das Schmalz weglasse und ein bisschen Olivenöl nehme. Früher hat man vor allem getrocknete Kräuter verwendet, aber man kann genauso gut frische Zutaten hinzugeben. Ich nehme frische Kräuter, frisches Gemüse und bin damit sehr nah am Produzenten.
Sehr viele Rezepte auf den ersten 200 Seiten sind vegetarisch bzw. kommen mit sehr wenig Fleisch aus. Und das, obwohl die österreichische Küche so deftig ist.
Fleisch gab es in meiner Kindheit nur am Wochenende. Unter der Woche haben wir vor allem Nudeln, Reis und extrem viel Gemüse gegessen. Wir haben uns zwangsläufig sehr gesund ernährt. Die Generation meiner Großmutter hat viel bewusster gelebt. Vor allem, was die Jahreszeiten betrifft. Die haben immer gewusst, wann etwas reif ist. Das Bewusstsein dafür versuche ich, meinen Kindern beizubringen. Und ich achte darauf, dass sie nicht so viel Fleisch essen. Es ist nicht besonders gesund und es gibt wunderbare Gerichte, die mit Gemüse gemacht werden. Deshalb sind viele vegetarische Rezepte im Buch und ich hoffe, dass sie den Leuten Spaß machen. Es muss nicht immer ein Rindscurry sein, sondern es kann auch mit Kürbis zubereitet werden.
Gibt es denn die klassische österreichische Küche überhaupt noch?
Österreichische Küche ist das, was der Österreicher gerne isst. Man kann sich gegen Einflüsse nicht wehren. Was auch gut ist, denn der Österreicher hat immer gerne gekocht. Aber was ist denn Österreich in Zeiten, in denen wir eine EU haben und ganz nah aneinander rücken? Es ist eine zentraleuropäische Küche. Für mich ist sie nicht vor 200 Jahren stehen geblieben. Damals waren es die ungarischen, böhmischen und italienischen Einflüsse. Heute gehe ich in den Supermarkt und finde dort als Zutaten Curry, Ingwer, Chili, Limettenblätter und Sojasauce. Diese gehören mittlerweile auch dazu.
In deinem Buch servierst du typisch österreichische Zutaten im asiatischen Gewand. Beispielsweise Frühlingsrollen mit karamellisiertem Kraut, Blunzn, Speck und Apfel oder Schweinsbraten-Dim-Sum mit Muskatellerkraut. Welche Küchen haben dich als Koch am meisten beeinflusst?
Witzigerweise viele. Bei uns sagt man, aus jedem Dorf ein Hund. Da bin ich typisch Österreicher. Ich liebe Currys! Insgesamt habe ich einen leichten Hang zur asiatischen Küche. Ich schätze an ihr, dass sie handwerklich perfekt und sehr gesund ist. Und ihre Geschmacksnuancen. Ich kann nur empfehlen, wenn etwas vom Schweinebraten über ist, die Reste wie beim Dim-Sum im Buch in einen Teig zu packen und zu frittieren. Das schmeckt dermaßen fantastisch, das ist zum Niederknien!
Was die österreichische Küche von der Wiener Küche unterscheidet
Viele Deutsche verwechseln die österreichische mit der Wiener Küche. Wo liegen die Unterschiede?
Die Wiener Küche ist geschichtlich bedingt eine sehr herrschaftsreiche Küche. Durch Kaiser Franz Josef und den Hofstaat wurden dort sehr fürstliche Gerichte mit viel Fleisch serviert. In der Wiener Küche wurde in Saus und Braus gelebt. In den anderen Regionen gab es viele Bauern, die nicht mehr als das hatten, was auf ihrem Land wuchs. Viel Gemüse, wenig Fleisch. Das war eine sehr arme Küche.
Hat man außerhalb Wiens bewusster gekocht?
Sicher. Den Tafelspitz hat man zum Beispiel auch auf dem Land gekocht. Allerdings hatte der Bauer nur eine Kuh und damit nur einen Tafelspitz für einen ganz besonderen Anlass. Das kalte Fleisch, das dann übrig blieb, hat man am nächsten Tag aufgeschnitten und mit Essig und Öl mariniert. Radieschen, Senf und Zwiebeln dazugegeben. Das ist in der Wiener Küche nicht der Fall.
Für welches traditionelle österreichische Gericht würdest du sterben?
Für einen guten Grenadiermarsch von meiner Großmutter leg‘ ich mich nieder. Da lass ich jedes Fleisch liegen. Ich kann mich an Jahre erinnern, in denen meine Großmutter tagtäglich fast nur zwei Gerichte gemacht hat. Bröselnudeln – das sind mit Butter und Bröseln angeröstete Spiralnudeln, die mit Zucker und Apfelkompott serviert werden. Und den Grenadiermarsch. Der besteht aus Fleckerln-Nudeln, Kartoffeln, Zwiebeln, Paprikapulver und Majoran. Dazu isst man dann einen Krautsalat.
Was ich in deinem Buch vermisse, sind die Süß- und Mehlspeisen. Es gibt nur einige Varianten des Schmarrn.
Das ist richtig! Das war ein lustiges Thema. Der Verlag hat zu mir gesagt, wir können 400 Seiten machen. Ich hab dann angefangen, ein Inhaltsverzeichnis zu skizzieren. In der ursprünglichen Version hatte ich über 800 Gerichte, die ich zeigen wollte. Ich habe angefangen, meine Rezepte zu schreiben und zu kochen. Habe sie fotografieren lassen und abgeliefert. Irgendwann rief ich meine Lektorin an und fragte sie, wie viele Seiten ich noch für Desserts habe. Es waren noch genau 15 Seiten frei. Die reichten natürlich niemals aus, um die Desserts der österreichischen Küche vorzustellen. Bevor ich auf wertvolle Süßspeisen verzichte, wollte ich nur eines machen. Nämlich mein Lieblingsdessert, den Kaiserschmarrn. Da hat der Verlag aber sein Veto eingelegt. Ich habe das dann umgangen, indem ich davon verschiedene Varianten für die restlichen Seiten zubereitet habe. Und jetzt schreibe ich noch ein eigenes Buch für die Desserts.
Hier geht es zur Besprechung von „Österreichische Küche Reloaded“.
Natürlich will euch Bernie Rieder sein Lieblingsrezept nicht vorenthalten. Viel Spaß mit seiner Kindheitserinnerung an den Grenadiermarsch.
Grenadiermarsch mit Paprika und Speck nach Bernie Rieder
Zutaten
- 300 g Fleckerl
- Maiskeimöl
- 100 g Speck in kleine Würfel geschnitten
- 2 Zwiebeln groß, geschält und in kleine Würfel geschnitten
- 600 g Kartoffeln in der Schale gekocht, geschält und in ca. 3 mm dicke Scheiben geschnitten
- 2 EL Paprikapulver edelsüß
- Salz
- Pfeffer
- 3 TL Majoran getrocknet
- 3 TL glatte Petersilie gehackt
Zubereitung
- Die Fleckerl in Salzwasser bissfest kochen und abseihen.
- Etwas Öl im Topf erhitzen. Speck und Zwiebeln darin anrösten. Die Erdäpfel dazugeben und weiterrösten.
- Das Paprikapulver einrühren und kurz mitrösten.
- Die Fleckerl unterrühren und mit Salz und Pfeffer würzen.
- Den Majoran unterrühren und auf Tellern anrichten. Mit Petersilie bestreut servieren.
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