Gut essen, aber nichts dafür tun. Das ist der Traum vieler Gourmets und Hobby-Köche. Entsprechend umfangreich ist das Angebot an Kochbüchern mit Gerichten, die sich ohne viel Aufhebens am besten innerhalb von 30 Minuten kochen lassen. Die Grabbeltische in den Buchhandlungen sind voll von Titeln, die Easy Cooking versprechen. Und auch bekannte Köche wie Jamie Oliver bis Alexander Herrmann haben ihre Rezepte in Kochbücher für Eilige gepackt. Mit Yotam Ottolenghi kommt nun ein weiterer bekannter Koch hinzu, von dem man eigentlich aufwendige Zubereitung gewohnt ist. Sein „Simple. Das Kochbuch“ stellt auch Gestressten aromatisches Essen aus der Ottolenghi-Küche in Aussicht.
Die Küche des Londoners mit deutsch-israelischen und italienischen Wurzeln ist allerdings gerade dafür bekannt, wahnsinnig viele Zutaten miteinander zu einem vielfältigen Geschmackserlebnis zu verbinden. Seine Fusion aus europäischer und orientalischer Tradition erforderte immer die Bereitschaft, viel Zeit in der Küche zu verbringen. Als Belohnung war ein tolles Geschmackserlebnis garantiert. Diesen Widerspruch zwischen seinem kulinarischen Ansatz und schnellen Rezepten versucht Ottolenghi in „Simple. Das Kochbuch“ aufzulösen.
Zusammen mit seinen Ko-Autorinnen hat Yotam Ottolenghi die leichten Rezepte in sechs Kategorien unterteilt: Schnell fertig, Nicht mehr als 10 Zutaten, Lässt sich vorbereiten, Aus dem Vorrat, Macht sich fast von allein und Einfacher als gedacht. Soweit selbsterklärend. Die Gerichte selber sind in die Hauptzutaten (z.B. Nudeln, Fleisch, Fisch) oder Zweck (Brunch, Dessert) gegliedert. Gewöhnliches darf man von Ottolenghi niemals erwarten: Gegrilltes Lamm mit Mandeln und Orangenblüte oder Blumenkohlsalat mit Granatapfel und Pistazien heißen die klangvollen Rezepte in „Simple“, die schnell nachgekocht sein sollen.
Soweit die Theorie. Wenn Bücher das Blaue vom Himmel und ausgefeilte Gerichte in nur wenigen Minuten versprechen, können sie in der Realität oft nicht bestehen. Kochen mit frischen Zutaten braucht Zeit. Schnippeln in der Küche auch – vor allem, wenn man keine Kochausbildung hinter sich hat. So wird auch in Ottolenghis „Simple“ getrickst: Die Gerichte mit nicht mehr als zehn Zutaten sind eine kleine Mogelpackung, denn Salz, Pfeffer, Öl, Knoblauch und Zwiebeln zählt der Koch gar nicht erst mit. Und auch wenn sich Kuchen und Schmortöpfe in der Tat ganz von allein machen, binden sie schon zeitlich an die Küche. Ich verlasse jedenfalls nicht das Haus, wenn ich einen Kuchen im Ofen habe.
Und die Bandbreite der Rezepte? Die ist qualitativ gut, wie es sich für Otttolenghi gehört. Es ist der typische Mix aus Zutaten und Aromen, für die der Londoner Gastronom so bekannt ist. Grüner Spargel aus dem Ofen mit Mandeln, Kapern und Dill oder Gebackener Reis mit Minze und Granatapfel-Oliven-Salsa sind Beilagen, die dem Hauptgang die Show stehlen. Bei der Gebackenen Forelle mit Tomaten-Orangen-Salsa mit Berberitzen oder dem Lammhackbraten mit Tahin-Sauce und Tomaten vereinen sich, wie man es von dem Koch kennt, Aromen aus dem Orient und Okzident.
Das Versprechen der schnellen Küche hält Ottolenghis „Simple“ allerdings wie all die anderen Easy-Cooking-Bücher von prominenten Köchen nicht. Aber es vereinfacht in der Tat die oftmals komplexen und mit vielen Gewürzen durchkomponierten Rezepte von Yotam Ottolenghi. Anders als sein Buch zur High-End-Küche seines Restaurants Nopi zeigt „Simple“, dass es auch bescheidener geht und weniger Aromen immer noch zu einem tollen Ergebnis führen. So ist „Simple. Das Kochbuch“ definitiv zu empfehlen für alle, die viel mehr Ottolenghi kochen würden, wenn sie mehr Zeit hätten. Quasi die schnelle Essenz aller Ottolenghi-Kochbücher für unter der Woche. Am Wochenende greift man dann aber besser zu den Langfassungen der Rezepte.
Yotam Ottolenghi
„Simple. Das Kochbuch“
(Dorling Kindersley)
ISBN 978-3-8310-3583-0, 320 Seiten, € 28
Fotos in diesem Beitrag: Johnathan Lovekin. F. d.dt. Ausgabe: Dorling Kindersley Verlag
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