Nicht weit von der Grenze zur Basilikata und der Sassi-Stadt Matera entfernt, fasziniert Gravina in Puglia mit einer sehenswerten Altstadt und spektakulären Lage. Am Rand einer karstigen Schlucht klebt das historische Zentrum auf einem steilen Felsen und begeistert mit jahrhundertealten Grottenkirchen. James Bond hatte für die Sehenswürdigkeiten von Gravina in Puglia zwar kein Auge, bescherte dem Städtchen in „Keine Zeit zu Sterben“ aber einen denkwürdigen Auftritt. Ein Streifzug durch das Centro Storico von Materas kleiner Schwester.
Gravina in Puglia – eine beliebte Filmkulisse
Karg und steinig ist die Landschaft rund um Gravina in Puglia. Die breiten Grasflächen sind von der Sommerhitze bereits gegerbt und unterstreichen so den rauen Charakter der Schluchtenstadt in der Alta Murgia. Es ist eine durch und durch archaische Landschaft, in der man als Mensch Demut spürt. Gravina in Puglia wirkt mit seinem durchlöcherten Felsen wie eine Miniaturausgabe der berühmten Höhlenstadt Matera, die nur 20 Kilometer entfernt liegt.
Weil Gravina in Puglia so schwindelerregend nah an dem tiefen Canyon liegt, war die Stadt in den letzten Jahren immer wieder ein beliebter Drehort für Filme. James Bond stürzte sich in „Keine Zeit zum Sterben“ waghalsig von der Ponte Acquedotto in die steinige Tiefe der Schlucht. Auch Matteo Garrones „Pinocchio“ spazierte über das huckelige Pflaster der Brücke. Und für die Verfilmung von Jan Weilers Bestseller „Maria, ihm schmeckt’s nicht“ diente Gravina in Puglia als süditalienische Kulisse.
Seit dem Neolithikum leben in der Gegend rund um Gravina Menschen. Viel länger noch hat der gleichnamige Fluss die Schlucht tief in den weichen Kalkfelsen gegraben. Heute ist die Gravina nur noch ein Bach, der am Boden kaum auszumachen ist. Fast surreal mutet es an, dass zwischen den grauen Felsen Zypressen und andere Bäume in die Höhe wachsen.
Unser Auto haben wir an der Viale Orsini im Schatten des neogotischen Uhrenturms geparkt. Seit dem späten 19. Jahrhundert schlägt er den Gravinesi die Stunde. Einmal am Tag muss das Uhrwerk aufgezogen werden, damit die Uhr nicht die Zeit vergisst. Vom Uhrenturm sind es keine fünf Minuten Fußweg zur zentralen Piazza Benedetto XIII – benannt nach dem berühmtesten Sohn der Stadt: Adelssohn Pietro Francesco Orsini lenkte als Papst Benedikt XIII. von 1724 bis 1730 die Geschicke der katholischen Kirche.
Der Cola Cola
Seit mehr als vier Generationen stellt die Familie Loglisci in Gravina den Cola Cola her. Die kleinen, bunt angemalten Tonpfeifen in Form eines Vogels können einen Kuckucksruf imitieren. Die Pfeifen werden unter anderem Namen auch in Matera und Altamura hergestellt. Doch die Familie Loglisci besteht darauf, dass die Wurzeln in Gravina liegen. Sie sind ein Symbol für den Frühling, in dem die Fruchtbarkeit des Bodens wiederhergestellt wird. Auch wenn der Cola Cola aussieht wie ein Hahn, verweist der Name auf das Dialektwort für Elster. In der Casa del Cola Cola gegenüber der Kathedrale erzählt ein kleines Museum die Geschichte der Tonpfeifen. Dort verkauft die Familie Loglisci den Cola Cola auch als Souvenir.
Die wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Gravina in Puglia
An der Piazza triffst du direkt auf mehrere Sehenswürdigkeiten von Gravina in Puglia. Die Kirche Santa Maria del Suffragio fällt vor allem wegen des barocken Portals ins Auge. Zwei Skelette über dem Eingang der privaten Grabkapelle der einflussreichen Orsini-Familie spielen mit der Idee des Memento Mori. Schräg gegenüber liegt die etwa 100 Jahre jüngere Bischöfliche Bibliothek, die 1743 fertiggestellt wurde.
Rund um den Platz reihen sich zudem das Museo Capitolare di Arte Sacra mit Kirchenschätzen, das Museo Civico Archeologico mit Ausstellungsstücken aus der langen Geschichte Gravinas sowie die Chiesa Santa Maria und ein Dominikaner-Kloster aus dem späten 17. Jahrhundert. Das wichtigste Gebäude im Ensemble ist allerdings die Cattedrale Santa Maria Assunta. Sie stammt ursprünglich aus dem 11. Jahrhundert, stürzte aber 1456 bei einem Erdbeben ein. Danach wurde sie neu errichtet in einem Architekturmix aus Spätromanik, Barock und Renaissance. Im Inneren bezaubert sie mit einer goldverzierten Decke, ist ansonsten aber eher kühl eingerichtet.
Wenn du am Ende des Platzes rechts abbiegst, gelangst du zum Portal und einer Aussichtsterrasse mit Blick auf das Viadukt und die Schlucht. Die noch recht junge Eingangstür erzählt in 24 Episoden Geschichten aus dem Evangelium. Das linke Seitenportal greift mit einem Engel, der Totenschädel trägt, wiederum den Memento Mori-Gedanken auf.
Die Höhlenkirchen von Gravina in Puglia
Gravina in Puglia ist wie Matera und Massafra bekannt für seine Höhlenkirchen. Sie lassen sich allerdings nur im Rahmen von geführten Touren besichtigen. Die wichtigste Grottenkirche ist die Chiesa Rupestre San Michele delle Grotte im südlichen Teil der Altstadt. Sie stammt aus der Zeit zwischen dem 8. und 10. Jahrhundert nach Christus. In späteren Jahrhunderten wurde sie als Friedhof genutzt und stark beschädigt. Ebenfalls sehenswert sind die Höhlenkirchen San Basilio und die Chiesa Santuario Madonna delle Stelle.
Letztere liegt auf der anderen Seite der Schlucht und lässt sich am besten über die Ponte Acquedotto im Norden der Altstadt erreichen. Die steinerne Brücke, die auch ein Aquädukt beinhaltet, führt von den Resten der alten Bastion in 37 Metern Höhe über die Gravina zur Kirche auf dem Petramagna-Hügel. In vorchristlicher Zeit wurden an der Stelle der Kirche schon heidnische Rituale vollzogen. Ab 1550 wurde die Kirche mit ihrem kleinen Glockenturm als Marienkloster genutzt.
Eine weitere wichtige Sehenswürdigkeit von Gravina ist die Grotte delle Sette Camere, auf die du von der Trattoria al Vecchio Crapo in der Via Civita eine gute Aussicht hast. Ihren Namen trägt sie, weil die Höhle aus sieben miteinander verbundenen Räumen besteht, die sich auf drei Ebenen verteilen. Inschriften weisen darauf hin, dass sie mindestens seit frühchristlicher Zeit genutzt wurde.
Auch einen Blick wert: die nördliche Altstadt
Im nördlichen Teil der Altstadt lohnt es sich, in den Seitengassen zu flanieren. Nicht nur, weil sich gelegentlich schöne Ausblicke auf die Schlucht ergeben, sondern weil sich dort mit dem Convento San Francesco und der Chiesa Santa Sofia einige sehenswerte Sakralbauten verstecken. Früher oder später kommst du auch am Palazzo Capone Spalluti vorbei. Er war im 15. Jahrhundert Residenz der Orsini und wurde über die Jahrhunderte mehrfach umgebaut. Im Keller hat man Reste des Originalgebäudes freigelegt.
Kulinarischer Tipp
Wenn du ein kulinarisches Mitbringsel aus Gravina in Puglia suchst, dann ist es das Olivenöl von Losacco. Die Olivenbauerfamilie um Enzo Losacco produziert das grüne Gold seit mehr als drei Generationen. Sie verarbeiten die lokal angebaute Olivensorte Bambina, aber auch weitere Sorten wie Coratina, Leccino, Oliarola, Frantoio, Peranzana, Cima di Melfi, die alle ausschließlich aus dem Gebiet von Apulien stammen. Das Olivenöl der Familie schmeichelt nicht nur am Gaumen, sondern auch optisch macht es etwas her. Du kannst es in bunt bemalten Keramikflaschen kaufen, die allein schon Kunstwerke für sich sind.
Frantoio Losacco, Via Marconi 7, Gravina in Puglia
Bei einem Ausflug nach Gravina in Puglia solltest du neben den Höhlenkirchen zwei Dinge auf keinen Fall verpassen: Mitten im historischen Zentrum führt Gravina Sottoterranea hinab in die Tiefen der Stadt. Dort befindet sich ein faszinierendes Netzwerk aus unterirdischen Gängen, Getreidespeichern, Lagerräumen und Höhlen. Zum anderen solltest du unbedingt zum Belvedere fahren. Er liegt auf der anderen Seite der Schlucht, direkt oberhalb der Grotte delle Sette Camere. Von dort hast du einen fantastischen Blick auf die Altstadt.
mario
Der Bericht über Apulien ist wirklich fantastisch geschrieben! Man bekommt sofort Fernweh und möchte direkt losziehen. Besonders der Hinweis auf Matera ist goldrichtig – wer in Apulien ist, darf sich diese einzigartige Stadt nicht entgehen lassen. Sie liegt zwar in der Region Basilikata, aber ist nur einen Katzensprung entfernt. Die Höhlenstadt mit ihrer beeindruckenden Geschichte und als Kulturhauptstadt 2019 – ein echtes Highlight! Ein Besuch dort ist eine unvergessliche Erfahrung, die man unbedingt gemacht haben muss.
Torsten
Danke! Ja, Matera ist wirklich eine einzigartige Stadt. Dort schaue ich auch immer bei jeder Gelegenheit vorbei, die sich mir bietet.