Apulien – das ist Sonne, unendlich viel Küste und jede Menge wunderschöne Städte und Dörfer. Im Reisebericht führe ich dich durch die süditalienische Region. Unsere Rundreise durch Apulien beginnt am Gargano. Das schroffe Vorgebirge mit seinen Traumstränden, einsamen Buchten und steilen Klippen liegt am Sporn des italienischen Stiefels. Der Gargano ist in ganz Italien bekannt für seine spektakuläre Küste mit weißen Kalksteinfelsen. Hinter jeder Kurve lauert ein atemberaubendes Fotomotiv.

Reist du von der Molise an, zeigt sich die Landschaft an den beiden Süßwasserseen Lago die Lèsina und Lago di Varano zunächst unspektakulär. Doch kurz hinter den Seen steigen die Straßen an und die Ausblicke werden aufregender. Auf unserem Weg in den Fischerort Peschici nehmen wir allerdings nicht die Küstenstraße. Stattdessen kurven wir im Hinterland über Ischitella nach Vico del Gargano – einem Borgo più bello in dieser Ecke Apuliens.
Wenn du an der Küste des Gargano unterwegs bist, fallen dir sicherlich seltsame Holzkonstruktionen auf. Direkt am Meer stehen große Holzhütten auf Pfählen. Es handelt sich um Trabucchi. Die Bauten mit ihren an Stäben aufgehängten Netzen werden seit Jahrhunderten an der Adria zum Fischfang genutzt. Von einem Ausguck beobachtet ein Fischer die vorbeiziehenden Fischschwärme. Schließlich gibt er im richtigen Moment ein Zeichen zum Hochziehen des Netzes. Viele Trabucchi existieren heute nicht mehr. Etwa sieben Stück gibt es noch rund um Peschici, wo auch die letzten lebenden Baumeister der komplexen Holzbauten wohnen.
Kulinarischer Tipp
Viele der Trabucchi beherbergen heute Restaurants, in denen der Fisch fangfrisch auf den Tisch kommt. Eines davon ist das Trabucco di Monte Pucci. Es liegt westlich von Pesticci, unterhalb eines Turms, der im 16. Jahrhundert zum Schutz vor Piraten errichtet wurde. Von dort hast du nicht nur einen hervorragenden Panaromablick auf Peschici, sondern du kannst leckere Fischgerichte bei einer traumhaften Atmosphäre genießen.
Trabucco Di Monte Pucci, Torre di Monte Pucci, Peschici
Vico del Gargano – das Dorf der Verliebten
Vico del Gargano nimmt uns vollkommen verschlafen in Empfang. Im Hochsommer verirren sich in den 445 Meter hoch gelegenen Ort durchaus einige Touristen. Vor allem dann, wenn sie im nahe gelegenen Peschici keine Unterkunft mehr finden. Schließlich ist es von Vico nicht weit bis zum Meer. Gerade einmal elf Minuten ist der nächste Strand entfernt. Noch näher liegt der Foresta Umbra im Gargano-Nationalpark. Der Schatten spendende Urwald mit seinen hohen Bäumen ist bei Wanderern und Mountainbikern beliebt.
Kommst du wie wir im September nach Vico del Gargano, zeigt sich der Ort von seiner authentischen Seite. Die Touristen sind weg und die Dorfbewohner wieder unter sich. Während wir durch das Centro Storico schlendern, wird vor vielen Häusern eifrig gewerkelt. Aus den offenen Wohnungstüren strömt der verführerische Duft köchelnder Pasta-Sauce. Die Altstadt von Vico del Gargano erkundest du am besten intuitiv – mit einem offenen Auge für die stimmungsvolle Schönheit des Dorfes. Es sind die vielen alten Torbögen, märchenhaft verwinkelte Hauseingänge und die kleinen Plätze, die die besondere Atmosphäre des Ortes ausmachen.
San Valentino – Stadtpatron mit Herz
Schutzheiliger von Vico del Gargano ist San Valentino, der Patron der Verliebten. Entsprechend gut besucht ist der Ort am Valentinstag. Dann schmücken die Vichesi, so heißen die Bewohner von Vico, die Straßen festlich mit Zitronen und Orangen. Verliebte (oder alle, die auf der Suche nach der Liebe sind) sollten dem Largo Terra mit seiner ‚Treppe der Liebe“ einen Besuch abstatten. Ein wenig weiter solltest du unbedingt die Kussgasse Vicolo del Bacio nehmen: sie ist so eng, dass man sich beim gemeinsamen Durchqueren zwangsläufig nahekommt.
Kulinarischer Tipp
Gutes Essen und viel Atmosphäre gibt es im Trappeto Cantina. Die Enothek und Trattoria befindet sich in einer ehemaligen mittelalterlichen Ölmühle. Die steinernen Wände atmen jede Menge Geschichte. Auf den Tisch kommen eine Auswahl an Fischgerichten und regionale Spezialitäten wie die Paposcia, eine Art belegtes Panino. Alles zum kleinen Preis und mit nettem Service.
Il Trappeto Cantina, Via Casale 168, Vico del Gargano
Sehenswertes in Vico del Gargano
Sehenswürdigkeiten wie die Türme der alten Stadtmauer im Osten des Centro Storico oder an der Via del Conte sowie die unauffällige Chiesa Madre fügen sich gut in das Stadtbild. So gut, dass du sie fast übersiehst. Früher oder später landest du an den Überresten einer alten Burg in der Via Castello. Die Burg von Stauferkönig Friedrich II. war nicht nur eine reine Verteidigungsanlage. Er nutzte sie auch als Residenz, idyllisch umgeben von Olivenhainen und Zitronenbäumen.
Einen Besuch lohnt auch das Museum Trappeto Maratea – eine alte Olivenmühle aus dem 14. Jahrhundert. Ein Blick in die Gegend rund um Vico del Gargano mit den vielen Olivenhainen macht schnell klar, dass Olivenöl in dem kleinen Dorf schon lange eine wichtige Rolle spielt. Die Verarbeitung der Oliven war damals allerdings den Feudalherren vorbehalten.
Peschici – die weißgetünchte Perle mit Flair
Noch schnell einen Espresso zur Stärkung und schon sind wir auf dem Weg zurück zur Küste. Peschici ist unser Ziel – einer der malerischsten Orte an der Nordküste des Gargano. Er schiebt sich auf einem Felsen spektakulär ins Meer. Durch seine Lage lässt sich in Peschici ein besonderes Phänomen an der Adria beobachten: Im Frühjahr und Sommer geht die Sonne über dem Meer sowohl auf als auch unter. An Tagen mit besonders gutem Wetter kannst du am Horizont außerdem die kroatischen Inseln erkennen.
Seit mindestens 970 n. Chr. ist der 90 Meter hohe Felsen von Peschici besiedelt. Weißgetünchte Häuser stapeln sich darauf dicht an dicht. An seinem Fuß liegt ein langer Traumstrand, der ein echtes Badeparadies ist. Entsprechend voll ist es im Sommer. Auch Surfer schätzen die guten Windverhältnisse rund um Peschici.
Den Ortskern hoch über dem Meer erreichst du über die SP52. Parken im Centro Storico ist unmöglich. Wir lassen deshalb unser Auto auf dem großen Parkplatz an der Via Monte Santo. Er liegt keine 300 Meter von der Altstadt des mit 4400 Einwohnern überschaubar kleinen Orts entfernt.
Mediterranes Flair im Centro Storico
Am Eingang des Centro Storico ist der Torre del Ponte nicht zu übersehen, neben dem du durch ein altes Steintor die engen Gassen der verwinkelten Altstadt betrittst. Auch hier sind viele Häuser weiß getüncht, blaue Türen und Pflanzenschmuck sorgen für erfrischende Kontraste. Mediterranes Sommerflair weht durch das wilde Gassengewirr.
Auf dem Weg durch die Hauptader der Altstadt (Via Roma) geht es vorbei an Souvenirshops, kleinen Boutiquen und Spezialitätenläden. Tische von Osterien und Pizzerien reihen sich aneinander. In Peschici hat der Tourismus voll zugeschlagen. Im Sommer herrscht dichtes Gedränge. Dagegen ist es im Frühjahr und Herbst bei babylonischem Sprachgewirr immer noch voll, aber schon etwas erträglicher.
Kulinarischer Tipp
Die Pasticceria Dolce Peschici liegt so günstig am Eingang der Altstadt, dass du dich sowohl bei deiner Ankunft in Peschici als auch beim Verlassen des Centro Storico mit köstlichen Süßigkeiten stärken kannst. Die Auswahl lässt sicherlich nicht nur mir das Wasser im Mund zusammenlaufen: leckere Cannoli, Sfogliatelle mit unterschiedlichsten Füllungen, Crustoli, Cassatine oder Babà garantieren auch bei längerem Aufenthalt genug Abwechslung.
Pasticceria Dolce Peschici, Via Forno, Peschici
Piazza del Popolo – das Herz der Altstadt
Stimmungsvolles Schmuckstück der Altstadt ist die heimelige Piazza del Popolo mit Restaurants, einer Eisdiele von Weltrang und der kleinen Chiesa del Purgatorio aus dem 17. Jahrhundert. Weiter geradeaus führt die Via Castello abwärts zu den Resten des byzantinischen Castello hoch über dem Meer. Auf der Via Castello und ihrer Parallelstraße standen einst die wichtigsten Gebäude Peschicis: Palazzi der Adeligen, Kirchen und Militärbauten. Der abfallende Felsen, auf dem die Bauwerke errichtet wurden, hat sich in spannender Weise auf die Architektur der Häuser ausgewirkt. So waren Räume in den Palazzi durch kleine Treppen verbunden, obwohl diese auf einer Ebene lagen. Schmale Zwischengassen zwischen den Gebäuden wurden später geschlossen, was zu den langen Häuserblocks auf der Via Castello führte.
Am Ende der Straße liegen die Reste der Burg aus dem 10. Jahrhundert. Sie wurde von den Venezianern zerstört. Friedrich II. ließ sie wiederaufbauen, aber viel ist nicht mehr davon erhalten. Trotzdem drängen sich oberhalb der San Michele-Kirche die Menschen. Grund ist eine schmale Aussichtsterrasse, die dir einen endlosen Blick auf die Adria ermöglicht.
Kulinarischer Tipp
Seit 1999 verwöhnt Michel Draicchio in der Gelateria Michel seine Gäste mit außergewöhnlichen Eiskreationen. Dabei setzt er vor allem auf Produkte „al chilometro zero“: Mandeln aus San Giovanni Rotondo, Honig aus Manfredonia, Brombeeren aus dem Foresta Umbra und IGP-Zitrusfrüchte aus Rodi Garganico. Seine herrlich cremigen Eissorten haben sogar den Gourmet-Guide Gambero Rosso auf die kleine Eisdiele mitten im Centro Storico aufmerksam gemacht. Sie sind so lecker wie ausgefallen. Beispiele gefällig? Gelato del Pastore mit Schafsricotta, Mascarpone, Birnensalsa und Walnüssen aus Vico del Gargano. Das Gelato Garganico mit Ziegenmilch und -ricotta, Mandeln, Pistazien und Safran oder U Cascavall. Aber auch ein Eis mit Caciocavallo di Podolico, das mit Zitrusfrüchten und Quittenhonig aromatisiert ist. Ein paar Tage brauchst du schon, um dich durch alle Kreationen zu probieren. Denn jede einzelne davon lohnt sich!
Gelateria Michel, Piazza del Popolo, Peschici
Strandleben in Peschici
Der Weg zu Fuß zum Strand, vom Castello an der Porta di Basso vorbei, macht allenfalls abwärts Spaß. Der Treppenweg hinauf treibt uns hingegen den Schweiß auf die Stirn. Umgekehrt müsste es sein! Dann wäre nach dem Baden in der sanften Brandung des Mittelmeers nicht schon wieder eine Erfrischung nötig.
Viel freien Strand gibt es direkt in Peschici nicht. Kostenpflichtige Stabilimenti pflastern den warmen Sand. Dafür bewachen aber für den Fall der Fälle Rettungsschwimmer die Bucht, die mit der Bandiera Blu ausgezeichnet wurde. Im Sommer reihen sich die Sonnenhungrigen dicht an dicht.
Das Heimatmuseum: Leben auf dem Gargano
Auf dem Rückweg in die Altstadt kommen wir in der Via Porta di Basso an der Presepe di Peschici vorbei. Dort findest du ein Heimatmuseum zum Leben auf dem Gargano. Du solltest unbedingt einen Blick auf die Fotowand mit Bildern aus vergangenen Zeiten werfen. Sie zeigt Aufnahmen der leeren Strände aus den Sechzigern, als der Gargano touristisch noch unberührt war. Nur wenige Meter weiter gelangst du zu Peschicis wichtigster Kirche – die Parrocchia Sant’Elia Profeta aus dem 13. Jahrhundert.
Alles in allem ist Peschici wirklich eine hübsche mediterrane Perle und hat viel Flair. Allerdings ist der Ort auch sehr touristisch. Wir sind froh, dass wir nicht in Peschici Quartier bezogen haben. Es ist für unseren Geschmack zu voll. Da wir noch weitere Teile des Gargano erkunden wollen, haben wir uns für Vieste entschieden, das nur wenige Kilometer östlich von Peschici liegt. Eine gute Wahl. Warum genau liest du im zweiten Teil des Gargano Reiseberichts.
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