Für die einen ist es eine Philosophie, für die anderen die einfachste Sache der Welt: Pasta und die Kunst, die Nudel richtig zuzubereiten. In Italien füllen leidenschaftliche Diskussionen über Nudelsorten, Rezepte und ihre Geschichte ganze Abende. Jede Nonna hütet das Geheimrezept für ihre ganz besondere Nudelsauce strenger als einen Goldschatz. Man bräuchte vermutlich eine Ewigkeit, um all die Pasta-Rezepte dieser Welt zu erfassen. Und doch hat es einer gewagt: Vincenzo Buonassisi – eine Koryphäe der italienischen Kulinarik. Für „Der Pasta-Codex“ hat er mehr als 1000 Pasta-Rezepte zusammengetragen.
Buonassisi wurde 1918 in den Abruzzen geboren. Mit einem abgeschlossenen Jurastudium in der Tasche interessierte er sich weniger für Richter und Staatsanwälte, sondern für Gerichte, die ihm zu Tisch vorgesetzt wurden. Als Journalist bei der Corriere della Sera schrieb er über Kulinarik, Wein und Gastrosophie. Rund 40 Kochbücher verfasste er zeit seines Lebens, bevor er 2004 in Mailand verstarb.
Die wiederentdeckte Pasta-Bibel
Eines seiner berühmtesten Werke, „Der Pasta-Codex“, wurde unlängst neu entdeckt. Erstmalig 1977 auf Italienisch veröffentlicht, erschien 2020 eine Neuauflage in den USA. Nun hat das Standardwerk über Teignudeln von Spaghetti über Maccheroni, Tagliatelle, Gnocchi bis Tortellini und viele andere auch endlich den Weg nach Deutschland gefunden. Mit Callwey hat sich ein Verlag um die Veröffentlichung gekümmert, der sich schon in Vergangenheit um deutsche Ausgaben wirklich grandioser italienischer Kochbücher wie „La Cucina“ oder „Osteria“ verdient gemacht hat.
Auch „Der Pasta-Codex“ ist eine Wucht von Buch. Bibeldick und satte 1,5 Kilo schwer. Ein Kochbuch, das sich ganz auf das Kochen konzentriert. Grob unterteilt in Pasta mit Gemüse (oder zusätzlich mit Milchprodukten und Eiern), mit Fisch, mit Geflügel, Lamm und anderen Fleischsorten, mit rotem Fleisch, Schweinefleisch und Wild reiht es Rezept an Rezept und steigert sich dabei jeweils von einfachster Zubereitung zu anspruchsvolleren Gerichten. Eine kluge Aufteilung, bei der auch unbedarfte Hobbyköche nach und nach ihre Grenzen erweitern können. Zur Einstimmung gibt es einen kleinen historischen Abriss der Pastakultur. Lediglich an schneller Orientierung mangelt es dem Buch – ein alphabetisches Rezeptregister ist bei über 1000 Gerichten auf 700 Seiten wirklich zu wenig und sorgt für einen dicken Minuspunkt.
Ein Buch zum Kochen
Fans von Coffee-Table-Books mit großformatigen, hyperdurchkomponierten Food-Fotos dürften es mit dem „Pasta-Codex“ schwer haben, denn er kommt wie so viele klassische italienische Kochbücher ohne Bilder aus. Gekocht wird in Gedanken – schon beim Lesen. Zudem setzt Buonassisi zumindest ein grundlegendes Gefühl fürs Kochen voraus. Die Anleitungen zur Zubereitung sind kurz und knapp, exakten Garzeiten fehlen, was daran liegt, dass in Italien ein Erfahrungsschatz mitkocht. Auch Mengenangaben sind oft nur Richtwerte, die bei der Zubereitung Gestaltungsspielraum bieten. Wo nötig hat allerdings Übersetzerin Judith Marnet vorausschauend nachgesteuert.
Was die Vielfalt der Gerichte anbelangt, ist „Der Pasta-Codex“ unschlagbar. Neben einfachen Klassikern wie Spaghetti Cacio e Pepe oder Tortellini in Brodo hat Buonassisi jede Menge Rezepte von bekannten Köchen und seinen Freunden aus Film, Musik und Fernsehen zusammengetragen. Auch über die italienische Grenze geht es manchmal hinaus – vor allem in den exotischeren Gerichten mit Banane, Hering oder Kamelfleisch. Sie machen aber nur einen kleinen Teil des umfangreichen Fundus an Gerichten aus, die überwiegend problemlos nachkochbar sind und für die nächsten Jahre unendlichen Pasta-Genuss versprechen. Wie heißt es so schön? Pasta… e basta. Mehr braucht man nicht. Der „Pasta-Codex“ ist mit 1001 Rezepten die Eintrittskarte zum kulinarischen Glücklichsein.
Vincenzo Buonassisi
„Der Pasta-Codex“
(Callwey Verlag)
ISBN 978-3-7667-2529-5, 704 Seiten, € 39,95
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