Es heißt wieder früh aufstehen! Wir wollen nach Ravello und diesmal haben wir Glück. In Richtung Amalfi sind die Busse um diese Zeit noch leer. Die Tagestouristen aus Sorrent machen den ersten Stopp immer in Positano, später am Tag werden sie in Richtung Amalfi gekarrt. Entsprechend ungestört können wir zumindest in Ravello die vielen Sehenswürdigkeiten des einstigen Adelssitzes anschauen.
In Amalfi angekommen, müssen wir am zentralen Busbahnhof umsteigen. Nach Ravello fährt sowohl ein teurer Cabrio-Bus mit Guided Tour als auch der Linienbus für schlappe 1,30 Euro. Die Strecke in das 2500-Seelen-Dorf auf 365 Metern über dem Meersspiegel ist beeindruckend. Das Hinterland im Dragone Tal liegt noch überwiegend im Schatten und strahlt in sattem Grün.
Die beste Zeit für einen Besuch in Ravello
Durch Ravello können wir äußerst entspannt schlendern, denn viele Touristen haben sich morgens noch nicht hierher verirrt. Nach dem Trubel in Positano wirkt der noble Luftkurort, an dem es sich schon Virginia Woolf, Richard Wagner und jede Menge Hollywood-Stars gut gehen ließen, wie eine Oase der Ruhe. Im Herzen Ravellos liegt die Piazza Centrale mit der Kathedrale. Sie lohnt wegen der eindrucksvollen Kanzel eine kurze Stippvisite.
Richtig ruhig wird es hinter der Piazza. Die vordersten Geschäfte auf der Via Roma sind noch gut besucht, in Richtung Ortsende ebbt der Strom schnell ab. Dort liegt nicht nur die Chiesa di Santa Maria a Gradillo, von deren Flanke sich ein guter Ausblick auf die Nachbargemeinde Scala bietet, sondern Keramikfans können sich bei Ceramiche Cosmolena ins Koma shoppen.
Kulinarischer Tipp
Limoncello ist eine Glaubensfrage. Selbstgemacht schmeckt er am besten. Den vermutlich leckersten Limoncello der Amalfiküste gibt es in der kleinen Enoteca Profumi della Costiera in Ravello. Der Zitronenlikör ist hausgemacht und darf auch gekostet werden. Im hinteren Teil des Geschäfts kannst du einen Blick auf die Produktion werfen und Fragen beantworten die Verkäufer auch sehr gerne.
I Profumi della Costiera, Via Santissima Trinità 37, Ravello
Sehenswürdigkeiten in Ravello
Von der Viale Parco della Rimembranza führt ein steiler Weg mit vielen Treppen weiter hoch zur Chiesa San Giovanni del Toro. Die gleichnamige Straße mit den Luxushotels Caruso, Palazzo Avino und Palumbo, die Traumblicke für den großen Geldbeutel bieten, führen wieder in Richtung des Zentralplatzes. Beim Belvedere Prinicpessa di Piemonte machen wir eine Pause und genießen die grandiose Aussicht auf den Golf von Salerno sowie die Nachbarorte Minori und Maiori. Am Belvedere drehte John Huston mit Humphrey Bogart und Gina Lollobrigida 1953 den Film „Schach dem Teufel“.
Über die Via Richard Wagner kommen wir wieder zurück zum zentralen Platz Ravellos, an dem die berühmteste Sehenswürdigkeit des Ortes liegt: die Villa Rufolo. Den noblen Adelssitz aus dem 12. Jahrhundert kaufte der Schotte Francis Nevile Reid im 19. Jahrhundert, ließ ihn renovieren und legte auf den vielen Terrassen Gärten mit Pflanzen aus aller Welt an. Die Villa Rufolo ist ein Must-See in Ravello, nicht nur wegen der maurisch beeinflussten Architektur und dem botanischen Reichtum. Vom 30 Meter hohen Torre-Museo mit seiner Multimedia-Ausstellung kannst du einen wunderbaren Panoramablick über die Amalfitana genießen.
Wenn du Musikfan bist, solltest du Ravello unbedingt im Sommer besuchen. Vor der atemberaubenden Kulisse des Belvedere mit Blick über die Amalfitana und auf die Santa Maria delle Grazie treten ab Juli internationale Stars der Klassik und renommierte Orchester in der Villa Rufolo beim Ravello Festival auf.
Zu Fuß von Ravello nach Amalfi
Einen Ausflug ist auch noch die Villa Cimbrone wert, aber wir haben noch viel vor. Sportlich fühlen wir uns, als wir mit uns mit einem Arancino auf der Hand entscheiden, zu Fuß nach Amalfi zu laufen. Ein schneller Blick auf Google Maps verrät, dass es nur drei Kilometer sind. Gesagt, getan! Vom Piazza Centrale führt uns eine schmale Straße westlich an der Villa Rufolo vorbei und hier zeigt sich noch mal eine ganz andere Seite Ravellos. Kaum touristisch und authentisch. Aber mit Treppen! Vielen, vielen Treppen! Große Stufen, kleine Stufen, bröckelige Stufen, kaum noch Stufen. Hinter jeder Kurve: noch mehr Treppen. Steil nach unten, vorbei an duftenden Feigenbäumen und strahlenden Zitronenhainen. Eine wundervolle Idylle, an der wir schnaufend und schwitzend, aber staunend vorüberziehen. Die vielen tollen Ausblicke, die sich auf dem Weg immer wieder zeigen, nutzen wir, um kurz durchzuatmen.
Atrani – malerisches Dorf mit viel Ausstrahlung
Hunderte Stufen später kommen wir über den hinteren Ortsteil in Atrani an, das zu den borghi più belli d’Italia gehört und sich dem Massentourismus gegenüber recht verschlossen hält. Im Schatten der wunderschönen Kirche Santa Maria Maddalena machen wir eine Pause und genießen die Ruhe auf der kleinen Piazza. Über die Piazza Umberto mit seinen einladenden Bars und kleinen Cafés geht es weiter in Richtung Amalfi, nicht an der Hauptstraße entlang, sondern über Treppen, verwinkelte Gassen und verschachtelte Häuser durch die Brust ins Auge.
Welche Sehenswürdigkeiten du in Amalfi erkunden solltest
Auf diesen abgelegenen Schleichwegen gelangen wir schließlich nach Amalfi, wo der Bär auf engster Fläche tobt. In einem schmalen Keil sind die Häuser zwischen die Schlucht geklebt. Kaum zu glauben, dass hier einst zur Zeit der Seerepublik Amalfi das Drehkreuz des Handels zwischen Orient und Okzident war und im 10. Jahrhundert an die 50.000 Menschen in der Stadt lebten. Viel Zeit ist seitdem vergangen und durch ein Erdbeben und Tsunami verlor Amalfi einen großen Teil der Stadtfläche vor Jahrhunderten ans Meer.
Der Glanz vergangener Tage findet sich noch im Dom von Amalfi: die Cattedrale di Sant’Andrea mit seiner orientalisch anmutenden schwarz-weißen Mamorfassade. Durch den Kreuzgang mit filigranen Mamorsäulen und Sarkophagfragmenten aus der Römerzeit bis zum Mittelalter gelangt man in die Klosterräume mit Ausstellungsstücken aus der reichen Geschichte Amalfis. Die barocke Krypta sorgt für staunende Münder – sie ist so reichhaltig verziert, dass es die prachtvolle, dreischiffige Kathedrale schwer hat, den kunstvollen Reichtum noch zu toppen.
Auch wenn unsere Beine schon ein wenig streiken, wollen wir nach dem Besuch der Kathedrale noch ein wenig Amalfi erkunden. Vom Hafen die Via Lorenzo d’Amalfi hoch bis zur Piazza Spirito Santo drängen sich die Touristen auf der zentralen Ader des Ortes. Auf beiden Seiten ist alles auf die Shoppingbedürfnisse der Besucher zugeschnitten: es gibt handgeschöpftes Papier, regionale Feinkost und jede Menge Billig-Souvenirs aus Massenfertigung. In Richtung Papiermuseum wird es leerer, aber der Gang über den Trubel hinaus lohnt sich. Gegenüber vom Parkplatz in der Via Cardinale Marino del Giudice steht eine der vielen Miniaturlandschaften, die über die Amalfiküste verteilt sind. Die größte und schönste findest du übrigens an der Strada Amalfitana in Praiano.
Die Amalfiküste – ein vorläufiges Fazit
Am Abend kehren wir erschöpft nach Praiano zurück und genießen noch einmal den Sonnenuntergang auf unserer Terrasse, samt einer Pizza von La Strada. Fünfzehn Jahre haben wir vom Cilento aus sehnsuchtsvoll über den Golf von Salerno auf die Steilküste geblickt und in der Ferne die vielen Lichter flimmern gesehen. Unser Eindruck von der Amalfitana aus nächster Nähe bleibt allerdings gemischt.
Landschaftlich zeigt sie sich atemberaubend mit dem Mix aus schroffen Felsen, der üppigen Vegetation und den Düften von Zitronen, Granatäpfeln, Feigen und Rosmarin. Architektonisch hat sie unglaubliche bauliche Meisterleistungen zu bieten, ganz zu schweigen vom kulturellen und kulinarischen Reichtum. Doch auf der anderen Seite steht der Massentourismus, unter dem die kleinen Orte der Amalfitana ächzen. Mit all seinen Schattenseiten: überteuerte und mittelmäßige Restaurants, Souvenirs aus chinesischer Produktion und vor allem ein ununterbrochener Trubel, der die Amalfitana fast ganzjährig zu einem Freilichtmuseum macht, in dem ein Klischee des Dolce Vita verkauft wird. Das macht es schwer zu ergründen, was das Leben und die Mentalität an der Amalfitana tatsächlich prägt. Zumindest schwerer als in anderen Landstrichen Italiens.
Du hast Fragen oder Anmerkungen? Du warst auch schon an der Amalfiküste? Berichte gerne in den Kommentaren von deinen Erfahrungen und Tipps!
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