Altamura, keine 12 Kilometer von Gravina in Puglia und keine 20 Kilometer von Matera entfernt, ist mit rund 70.000 Einwohnern die achtgrößte Stadt Apuliens. Der Ort thront auf der Kalkhochebene der karstigen und rauen Murgia. Italienweit bekannt ist er für das berühmte Pane di Altamura, ein köstliches Brot aus Hartweizen mit dicker Kruste. Touristen verirren sich nur selten nach Altamura. Und das, obwohl die Stadt ein wunderschönes historisches Zentrum hat, in dem die Zeit stillzustehen scheint. Noch beginnt der Geheimtipp-Status von Altamura trotz der schönen Sehenswürdigkeiten nicht zu bröckeln.
Auf Entdeckungstour in der Altstadt von Altamura
Mit entsprechender Begeisterung und Hilfbereitschaft empfängt man uns in der Touristeninformation von Pro Loco an der Piazza Repubblica. Ausgestattet mit allerhand Informationen rund um die wichtigsten Sehenswürdigkeiten von Altamura und einem Plan des Centro Storico gehen wir auf Entdeckungstour. Die Altstadt von Altamura ist ein kleines, verwinkeltes Labyrinth, was nicht zuletzt an ihren claustri genannten Innenhöfen liegt. Immer wieder enden die schmalen Straßen als Sackgassen, in denen sich vor allem abends das quirlige Leben der Bewohner Altamuras abspielt.
Seinen Namen trägt Altamura wegen seiner weit über vier Meter hohen megalithischen Mauern aus dem 5. und 4. Jahrhundert vor Christus, deren Reste bis heute erhalten sind. Sie sind im Westen der Stadt zu besichtigen. Altamura war eine Siedlung der Peuketier. Das Gebiet rund um den Ort ist aber schon viel länger bewohnt. Dinosaurier hinterließen vor 70 Millionen Jahren über 30.000 gut erhaltene Fußabdrücke, die du südwestlich der Stadt in einem Steinbruch bestaunen kannst. Noch sensationeller mutete 1993 der Fund eines gut erhaltenen Skelettes in der Grotta di Lamalunga an. Beim Altamura-Mann handelt es sich um einen Vorfahren des Menschen, der in der Region vor ca. 130.000 bis 200.000 Jahren gelebt hat. Das genaue Alter konnte bis heute nicht ermittelt werden, weil das Skelett im Tropfstein eingeschlossen ist. Eine spannende Ausstellung zum Fund gibt es im Archäologischen Museum der Stadt zu sehen.
Wie Altamura die Löwin von Apulien wurde
Der Corso Federico di Svevia durchschneidet die fast kreisrunde Altstadt von Altamura genau in der Mitte. Er ist die Lebensader der Stadt, die von der Porta Bari und dem schönen Palazzo Viti-de Angelis im Norden bis zur Porta Matera im Süden an vielen wichtigen Sehenswürdigkeiten vorbeiführt. Das Herz des historischen Zentrums ist die weitläufige Piazza Duomo mit dem Märtyrer-Denkmal. Es wurde im Gedenken an den Aufstand der Bewohner Altamuras errichtet. Als Teil der Parthenopäischen Republik leisteten sie 1799 erbitterten Widerstand gegen die Sanfedisti-Truppen des Kardinals Ruffo, der die Monarchie wiederherstellen wollte. Die kurze, aber heftige Episode in der Geschichte des Ortes in der Alta Murgia hat der Stadt den Beinamen „Löwin Apuliens“ eingebracht.
Die Löwin Apuliens gegen McDonald’s
Nach 1799 leistete Altamura ein weiteres Mal erbitterten Widerstand. Anfang 2001 eröffnete der Fast-Food-Gigant McDonald’s eine Filiale in der Stadt und verschandelte sie mit einem neongelb leuchtenden ‚M‘. Ein lokaler Bäcker eröffnete kurze Zeit später eine kleine Focaccia-Bäckerei direkt neben der Fast-Food-Filiale und bot dem Konzern dort mit einem Menü aus frischer Focaccia und einem Dessert die Stirn. Mit Erfolg – die Menschen in Altamura zeigten den pappigen Burgern die kalte Schulter. So zwangen sie McDonald’s Ende 2002, die Filiale wieder zu schließen. Der Kampf von David gegen Goliath sorgte weltweit für Resonanz und wurde 2009 schließlich von Nico Cirasola als „Focaccia Blues“ verfilmt. Die halbdokumentarische Komödie mit Lino Banfi („Maria, ihm schmeckt‘s nicht“) ist wirklich sehenswert – nicht nur wegen der vielen Impressionen aus Altamura.
Sehenswürdigkeiten in Altamura
Die wichtigste Sehenswürdigkeit Altamuras ist die Cattedrale Santa Maria Assunta, die mit ihren zwei Glockentürmen aus dem 16. Jahrhundert und dem angebauten Campanile den Domplatz optisch beherrscht. Friedrich II. errichtete sie 1232. Weniger als hundert Jahre später zerstörte ein Erdbeben die Kirche, die anschließend wiederaufgebaut wurde. Absoluter Hingucker ist das reichlich verzierte Hauptportal im spätromanischen Stil. Mit viel Liebe zum Detail haben die Steinmetze im 14. Jahrhundert darauf Szenen aus dem Neuen Testament verewigt. Zwei steinerne Löwen säumen das beeindruckende Portal.
Auch im Inneren ist die Kathedrale absolut sehenswert. Das Kirchenschiff, die Wände und die Decke sind reichlich verziert, die neogotischen Säulen mit kostbarem Marmor verkleidet. Mit ihren unzähligen Gemälden gleicht die Kirche fast einer Galerie – fotografieren ist deshalb nicht erlaubt. Im Gegenzug gibt uns ein älterer, freundlicher Herr, der das Fotoverbot überwacht, direkt eine private Führung durch die Kirche. Sein persönliches Highlight ist das Gemälde „La Conversione di San Paolo“ (1876) von Domenico Morelli. Mit überschwänglicher Begeisterung lobt er die naturalistische Darstellung und das beeindruckende Lichtspiel des Gemäldes. „Vai, vai, mach ein Foto davon, es ist so schön“, fordert er uns auf. Fotoverbot war gestern. So schnell kann das gehen. Und sowieso, für die schönsten Aufnahmen müssten wir auf die obere Galerie gehen. Von dort gebe es einen wundervollen Blick ins Kirchenschiff. Dem guten Rat folgend besuchen wir gleich noch das Diözesanmuseum in der oberen Etage der Kirche und den Bischofspalast.
Kulinarischer Tipp: Pane di Altamura
Altamura ist die Stadt des Brotes. Das Pane di Altamura wird aus Hartweizen, Salz, Wasser und Mutterhefe hergestellt und meist in der charakteristischen Form „u sckuanète“ gebacken. Seit 2003 ist das lange haltbare Brot ein geschütztes DOP-Produkt. Aufgrund eines Dekrets durften Brote unter Strafandrohung lange Zeit nicht zu Hause gebacken werden. Die Frauen bereiteten den Teig vor und brachten ihn anschließend zu öffentlichen Öfen. Um zu verhindern, dass die Brote vertauscht werden, markierte der Bäcker sie mit den Initialen der Familie. Diese waren auf einem Eisenstempel angebracht. Direkt gegenüber der Barockkirche Santa Chiara liegt der Forno di Santa Chiara. Es ist der älteste Holzofen der Stadt. Heute ist Altamurabrot eines der bekanntesten Brote Italiens und eine echte Delikatesse.
Nur hundert Meter von der Kathedrale entfernt liegen gleich zwei weitere sehenswerte Kirchen. Die Chiesa San Nicola dei Greci wurde ebenfalls 1232 erbaut und war bis 1601 ein griechisch-orthodoxes Gotteshaus. Im Inneren ist sie mit einer prachtvollen Holzdecke geschmückt. Sie erzählt in historischen Bildern aus dem Leben des Heiligen Nikolaus. Direkt gegenüber der Kirche wuchs ab 1795 Saverio Mercadante auf, einer der berühmtesten Opernkomponisten Italiens. Direkt an die Kirche grenzt die Chiesa San Biago mit einem Fresko von San Cristofero an der Außenwand. Trotz mehrfacherer Restaurierung nagt unübersehbar der Zahn der Zeit an dem Bildnis.
Neben einem ausgiebigen Spaziergang durch die Altstadtgassen lohnt sich auch, vor den Toren des historischen Zentrums zu flanieren. Vor allem südlich der Porta Matera findest du noch einige sehenswerte Sakralbauten. Darunter die Kirche und das Kloster der Dominikaner. Es wurde 1716 im apulischen Barock erbaut – die Fassade hat man allerdings nie fertiggestellt.
Kulinarischer Tipp: Padre Peppe
Eine weitere Spezialität Altamuras ist ein tiefbrauner Walnusslikör namens Padre Peppe. Für den Likör legt man noch grüne Walnüsse in Alkohol ein und versetzt ihn später mit Zucker, Kräutern, Eukalyptusblättern, aber auch mit Kaffeebohnen, Zimt und Muskatnuss. Mindestens sechs Monate muss der Likör reifen, bevor er serviert wird. In Altamura kannst du ihn direkt neben der Kathedrale im Caffè Roncchi probieren. Es ist die älteste Espresso-Bar der Stadt.
Caffè Roncchi, Corso Federico II di Svevia 87, Altamura
Obwohl Altamura von den Touristenströmen verschont bleibt, zeigt sich die Stadt sehr engagiert, was Besucher betrifft. Ganze 24 geschichtsträchtige Orte und Sehenswürdigkeiten verteilen sich über das Stadtgebiet in einem „Museum der Straße“ und erzählen von der Geschichte und den Traditionen Altamuras. Also Augen auf und auf die Schilder achten! Und Altamura bei einer Apulien-Reise auf jeden Fall einen Besuch abstatten.
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