Auch in Apulien muss man mittlerweile suchen, um Orte zu finden, in die sich kaum Touristen verirren und die gleichzeitig Sehenswürdigkeiten bieten. Die Schluchtenstadt Massafra liegt etwa 18 Kilometer nordwestlich von Taranto abseits der Touristenpfade. Sie gilt noch als einer der Geheimtipps für Reisende. Auf der Liste der beliebtesten Orte in Apulien taucht Massafra jedenfalls nicht auf. Reisende zieht es eher ins deutlich bekanntere Matera. Dabei klemmt die Altstadt von Massafra ähnlich beeindruckend auf einem Felssporn zwischen zwei Schluchten. Die Häuser stapeln sich wie auf dem rauen Felsen, in dem sehenswerte Grottenkirchen auf neugierige Besucher warten.
Die Felsen, auf denen Massafra klebt, sind löchrig wie ein Schweizer Käse. In den vielen kleinen Höhlen hausten schon in der Steinzeit Menschen. Während des byzantinischen Bilderstreits ab dem 8. Jahrhundert nutzten vor allem geflohene Mönche die Höhlen als Unterschlupf. Sie waren die ersten, die die kleinen Grotten mit Ikonen-Malereien verzierten. Nach und nach wurden einige der Höhlen von kleinen Gebetskammern zu richtigen Felsenkirchen vergrößert. In späteren Jahrhunderten dienten sie den Bewohnern Massafras auch als Zufluchtsort vor Angriffen feindlicher Mächte.
Sehenswerte Höhlenkirchen in der Schlucht
Zu den schönsten Höhlenkirchen zählen die Cripta San Marco und die Chiesa Candelora. Leider haben die Witterung und Vandalismus dafür gesorgt, dass viele der Kirchen heute für die Öffentlichkeit nicht frei zugänglich sind. Allerdings gibt es täglich mehrere Führungen, in deren Rahmen du die Chiese Rupestri besichtigen kannst. Jedenfalls in Theorie, denn es kann durchaus vorkommen, dass die Touren ausfallen. Schließlich kommen nach Massafra keine Touristenmassen. Die genauen Zeiten erfährst du in der Touristeninformation an der Piazza Garibaldi. Am besten ist aber, wenn du im Vorfeld anrufst und eine Führung durch die Chiese Ruspestri reservierst.
In Sachen Tourismus hat die 32.000 Einwohner starke Stadt in Apulien noch einiges nachzuholen. Nicht etwa, weil die Palazzi bröckeln oder weil der Verkehr störend durch die Altstadt fließt. Vielmehr befinden sich viele Sehenswürdigkeiten im Dornröschenschlaf – zumindest abseits des Hochsommers. Verschlossene Türen an Kirchen sind auch am Vormittag keine Seltenheit. Dass der Tourismus in Massafra noch nicht das Ruder in der Hand hat, macht die Stadt aber wiederum sympathisch.
Mystisches Massafra: Legenden und Magier
Vielleicht liegt es an den vielen Heilkräutern, die in der Schlucht von Massafra wachsen. Aber über Jahrhunderte eilte der Stadt der Ruf als Ort der Magier voraus. Das liegt nicht zuletzt an der Legende, die sich um den Alchemisten Greguro rankt und ein wichtiger Teil der lokalen Folklore ist. Greguro soll vor über 1000 Jahren mit seiner Tochter Margheritella in einer Höhle in der Schlucht gelebt haben. Gemeinsam haben Vater und Tochter Krankheiten der Massafresi mit Naturkräutern geheilt. Margheritella soll so schön gewesen sein, dass sich die Männer reihenweise in sie verliebten. Sehr zum Unmut der Frauen von Massafra.
Die sorgten dafür, dass Margheritella als Hexe auf dem Scheiterhaufen verbrannt werden sollte. Weil sie den Zorn der Frauen fürchteten, wagte keiner der Männer einzuschreiten. In letzter Minute wurde Margheritella allerdings vom aufgeklärten Vorsteher des byzantinischen Klosters, Igumeno Anselmo, vor dem Feuer gerettet. Zusammen mit ihrem Vater kehrte sie wieder in die Schluchten von Massafra zurück, wo sie sich bis zu ihrem Lebensende zurückgezogen dem Kräuterstudium widmete.
Sehenswürdigkeiten in der Altstadt von Massafra
Zwei Brücken führen über die canyonartige Gravina di San Marco, die das historische Zentrum von der Neustadt trennt. In die Altstadt gelangst du am besten über die Ponte Garibaldi, die direkt auf die zentrale Piazza führt. Das architektonische Bild des Platzes wird leider durch einen grottenhässlichen Neubau gestört, der so gar nicht zu den stattlichen, älteren Palazzi passt. Hinter dem barocken Uhrenturm fällt sofort die Chiesa San Benedetto ins Auge. Der Grundstein für die Barockkirche wurde 1689 gelegt. Von außen ist sie dezent gestaltet, dafür erstrahlt das Innere mit elfenbeinfarbenen Stuckarbeiten auf blauem Grund.
Nur wenige Meter weiter gelangst du über die Via Emanuele Scarano zum noch recht jungen Immacolata-Dom von Massafra. Der mächtige Bau in säulengetragener Neoklassik wurde erst 1931 fertiggestellt und löste die Chiesa di San Lorenzo als Mutterkirche ab. Richtung Westen ist das Santuario di Gesù Bambino sehenswert, das du nach einem kurzem Gang durch das verwinkelte Gassengewirr erreichst. Die ebenfalls im neoklassischen Stil erbaute Kirche stammt aus dem 19. Jahrhundert.
Im südlichen Bereich der Altstadt kannst du die barocke Chiesa di Sant’Agostino aus dem 16. Jahrhundert entdecken. Die Stadt nutzt sie heute als Veranstaltungsort für Konzerte und Kulturevents. Die wichtigste Sehenswürdigkeit in diesem Stadtteil von Massafra ist jedoch das mittelalterliche Castello. Es wurde im 10. Jahrhundert von den Normannen angelegt und in den Jahrhunderten danach weiter ausgebaut. Der Innenhof ist hübsch gestaltet und lohnt den Besuch. In der Burg sind mittlerweile ein Museum und eine kleine Bibliothek untergebracht.
Der schönste Aussichtspunkt der Neustadt
Nicht verpassen solltest du einen der schönsten Plätze in der Neustadt. Es ist der Vorplatz der strahlendweiß getünchten Kirche Santi Medici. Der Vicolo Santi Medici liegt am Rande der San Marco-Schlucht und führt von der Piazza Risorgimento ab. Von dort hast du nicht nur einen guten Blick auf die Chiesa Sant’Agostino und die alte Mutterkirche, sondern auch auf das Castello. Im Sommer finden an der Piazza abendliche Filmvorführungen statt. Außerdem gibt es eine nette kleine Osteria und Weinbar, in der du die Beine hochlegen kannst.
Kulinarischer Tipp: Dolci im Gran Caffè Italiano
Um süß zu schlemmen und leckerste Desserts zu probieren, musst du die Altstadt von Massafra verlassen. Am Corso Roma in der schachbrettartig aufgebauten Neustadt liegt die beste Adresse für Dolci und einen Espresso. Das Gran Caffè Italiano hat alles, was das süße Herz höherschlagen lässt: von Cassatine oder Babà über Aragoste mit Creme- und Schokofüllung, bis Canolli oder Tiramisù. Am besten probierst du dich dort einmal quer durch die süße Seite Italiens.
Gran Caffè Italiano, Corso Roma 2, Massafra
Lohnt sich eine Reise nach Massafra? Die Antwort ist: ja! Massafra zählt tatsächlich noch zu den unentdeckten Städtchen in Apulien, die der Tourismus so gut wie gar nicht berührt hat. Natürlich waren wir ein wenig enttäuscht, dass wir an so vielen Kirchen vor verschlossenen Türen standen. Die Altstadt liegt generell noch ein wenig im Dornröschenschlaf. Aber im Gegenzug versprüht Massafra noch authentisches Leben und du kannst die Sehenswürdigkeiten der Schluchtenstadt ohne Menschentrauben und lange Besucherschlangen bewundern. Und da die Bewohner Massafras nicht täglich von Touristenströmen überrannt werden, sind sie Besuchern gegenüber auch sehr freundlich und hilfsbereit. Ganz zu schweigen von einigen guten kulinarischen Adressen, die die Stadt bietet. Für einen Tagesausflug ist Massafra auf jeden Fall ein gutes Reiseziel.
Schreibe einen Kommentar