Wien, das ist sowas wie ein einziges großes Klischee. Zumindest für die Generation, die heute noch bei „Sissi“ vor dem Fernseher die Taschentücher zückt. Die von rauschenden Ballnächten träumt, bei denen stundenlang Walzer getanzt wird. Und den grummelig-grantigen Hans Moser als urtypischen Wiener betrachten. Dass sich das Bild so gut hält, liegt nicht zuletzt daran, dass es die Wiener natürlich auch kultivieren. Stereotype sind es, die den Reiz aus der Ferne ausmachen und die Touristen in die wunderschöne Hauptstadt Österreichs locken.
Wiener Schmäh, Wiener Schnitzel und die Kaffeehauskultur. Jeder Tourist hat sofort ein Bild vor Auge, auch wenn er noch nie in der Stadt war. Gerade die Kaffeehauskultur erinnert an den Fin de siècle, als Künstler und Intellektuelle beim Kaffee in der österreichischen Hauptstadt über Gott und die Welt sinnierten. Da grenzt es fast an ein Wunder, dass die Stadt in Zeiten von Coffee to go die lange Tradition der Kaffeehäuser bewahren konnte. Vielleicht liegt es am unterschwelligen Versprechen von Entschleunigung, das offensichtlich durch das Kaffeehaus eingelöst wird.
Einmal Kaffee hin und zurück
Dem Kaffee in all seinen Nuancen und den Wiener Kaffeehäusern im Speziellen widmet sich das kleine Büchlein „Kaffee in Wien„, das für Wienreisende zur Pflichtlektüre werden dürfte. Auf 130 Seiten und im praktischen Taschenformat führt es in die Welt des Kaffees ein. Spürt seiner Geschichte und der Kaffeehaustradition nach, erklärt die Qualität der Bohnen und die vielen Methoden, das schwarze Getränk zuzubereiten.
Besonders für teutonische Touristen, denen nachgesagt wird, dass sie außer Filterkaffee, Espresso und Cappuccino gerade mal den Lattte Macchiato kennen, werden die unübersichtlich vielen Kaffeevariationen vorgestellt, die der typische Wiener kennt. Den Löwenanteil macht jedoch ein umfangreicher Serviceteil aus, der über 100 Cafés von traditionell bis modern kurz vorstellt. Die Qual der Wahl, wo man danach seinen Kaffee genießen soll, bleibt indes dem Leser gänzlich selber überlassen.
Wer über einen großen Braunen oder einer Melange vor Ort ins Gespräch kommt, der kann dank „Kaffee in Wien“ auch mit jeder Menge Anekdoten und mehr oder weniger nützlichem Wissen über das schwarze Gold punkten. Vielleicht interessiert das Gegenüber ja, wieviele Bohnen Beethoven jeden Morgen brühte oder wieviel Kaffee man für den koffeeininduzierten Suizid trinken muss. Ein begeistertes Lachen treibt das Büchlein jedenfalls ins Gesicht. Nicht nur Wien-Touristen.
stadtbekannt.at
„Kaffee in Wien“
128 Seiten, ISBN 978-3-902980-14-4, € 9,99
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