Gutes Wetter gibt es nicht im Abo. Es regnet Bindfäden, als wir auf dem Rückweg aus den schönsten Dörfern des Subapennin Dauno in Richtung Tavoliere sind. Unser Ziel ist die Stadt Lucera, die mitten in der großen Ebene der Provinz Foggia liegt. Die alte Sarazenenstadt war einst ein mediterranes Zentrum der Kulturen. Heute sind es die einladende Altstadt, gute Shoppingmöglichkeiten und die Burg am Stadtrand, die viele Besucher nach Lucera locken. Doch die alte Wehranlage ist nichts gegen das imposante Castel del Monte, rund anderthalb Stunden südlich von Lucera.
Lucera – weltoffene Sarazenenstadt
Lucera ist die heimliche Hauptstadt des Tavoliere. Ein lebhaftes mediterranes Kleinod mit rund 35.000 Einwohnern. Im 13. Jahrhundert machte Friedrich II. Lucera zu einem Refugium für Sarazenen. Sie genossen Glaubensfreiheit und durften eigene Moscheen errichten. Nach dem Tod des Herrschers war es mit der Freiheit allerdings schnell wieder vorbei. Die Angeviner zerstörten alles, was auch nur ansatzweise arabisch aussah.
Parkplätze gibt es in Lucera mehr als genug. Am Wochenende und werktags ab 18:30 Uhr musst du ein wenig aufpassen, wo du langfährst. Dann verwandelt sich ein großer Teil der Altstadt in eine verkehrsberuhigte Zone (ZTL). Am besten kannst du rund um die Piazza Matteotti parken. Von dort schlendern wir über die Via Federico ins historische Zentrum. Jede Menge kleine Geschäfte laden dort zum Bummeln ein.
Unterwegs in der Altstadt von Lucera
An der Kreuzung führt die Via Biagio di Giovine zur schlicht gehaltenen Basilica San Francesco. Die große Kirche an einer baumbewachsenen Piazza wurde direkt nach der Eroberung der Stadt durch die Angeviner erbaut. Sehenswert ist sie vor allem wegen des kunstvollen Rosettenfensters über dem Hauptportal.
Kulinarischer Tipp
Le Delizie di Bacco ist der Ort für einen guten Snack am frühen Abend. In der gemütlichen und speziell eingerichteten Bar mitten im Centro Storico kannst du zum Glas Bier oder Wein Focaccia und Pizza probieren – mit unterschiedlichstem Belag. Ein beliebter Ort auch bei den jungen Bewohnern Luceras.
Le Delizie di Bacco, Via Luigi Zuppetta 27, Lucera
Über die Piazza Tribunali und Via Zuppetta geht es weiter zum eigentlichen historischen Kern Luceras, rund um die weitläufige Piazza del Duomo. Dort steht die sandsteinfarbene Kathedrale Santa Maria Assunta, deren Grundstein um 1300 gelegt wurde. Beim Bau verwendeten die Angeviner Säulen aus der zerstörten Moschee. Die wiederum stammten aus einem römischen Palast. Die gotische Fassade ist fast vollständig erhalten – im barockverliebten Apulien fast schon eine architektonische Rarität. Den Altar im Inneren karrte man aus dem zerstörten Castel Fiorentino heran, in dem Friedrich II. 1250 starb. Ein Blick lohnt sich auch in den Palazzo Vescovile. Direkt gegenüber der Kathedrale kannst du im Diözesanmuseum allerlei kirchlichen Prunk besichtigen.
Lokale Tradition – der Totenkult in Lucera
Für die Bewohner Luceras war Allerseelen, das Fest der Verstorbenen, immer ein wichtiger Feiertag. Schon Wochen vorher schmückten die Frauen die Gräber auf dem Friedhof der Stadt. Am 2. November verbrachten sie dort den Tag, um die Toten zu ehren. Der Besuch der Verstorbenen war nicht nur bürgerliche und religiöse Pflicht, sondern bot auch Gelegenheit, um Freunde und Bekannte zu treffen. Für die Kinder war Allerseelen ein freudiger Tag, an dem sie morgens am Bett oder Kamin eine Socke gefüllt mit Süßigkeiten oder Früchten vorfanden. Bis auf unartige Kinder – deren Socken wurden mit Kohle gefüllt.
Ein größerer Schlenker führt uns noch zum alten Stadttor, der Porta Troia. Zurück zur Piazza Matteotti geht’s vorbei an den Kirchen Santa Maria della Grazie und San Domenico (beide in der Via San Domenico). Im angrenzenden Park sind ab dem Nachmittag die Jogger unterwegs. Im Sommer spenden Bäume kühlen Schatten. Von dort ist es nicht mehr weit zu Luceras größter Sehenswürdigkeit, dem Castello Svevo-Agioina. Friedrich II. und Karl von Anjou bauten die schwer einnehmbare Burg zu einer gewaltigen Festung aus, u.a. mit Steinen aus verfallenen römischen Häusern aus der Gegend.
Die Fortezza Svevo-Angioina
Die Burg ist nur über eine Brücke zu erreichen und du kannst sie vormittags bei freiem Eintritt besichtigen. Ein Weg führt um die hohen Mauern herum, von denen der Blick weit über die Felder des Tavoliere reicht.
Restaurationsarbeiten verhindern bei unserem Besuch allerdings die komplette Umrundung. Spannend ist auch, was unterhalb der Festung liegt. Vom Burggraben führte lange Zeit ein unterirdischer Geheimgang ins Zentrum in direkte Nähe des Doms.
Von der ursprünglichen Konstruktion des Kastells hat die Festung von Lucera viel gemeinsam mit der berühmtesten Burg Apuliens, wenn nicht sogar ganz Italiens: dem Castel del Monte in der Nähe von Andria. Dem römischen Amphitheater am östlichen Stadtrand von Lucera statten wir notgedrungen keinen Besuch ab. Schließlich sind es zum Castel del Monte gut 90 Minuten Fahrtzeit, die wir vor uns haben.
Castel del Monte – die bekannteste Burg Italiens
Berühmt geworden ist das geheimnisumwitterte Castel del Monte vor allem wegen seiner ungewöhnlichen Form: das komplette Schloss ist achteckig angelegt, ebenso wie jeder seiner acht Türme. Seit 1996 zählt es zum UNESCO-Welterbe und zieht entsprechend viele Tagesausflügler an. Es liegt ca. 30 Kilometer von der Küste entfernt im Nationalpark Alta Murgia. Weit sichtbar ragt es auf einem Hügel aus der Ebene hervor.
Ein Rätsel für Historiker
Stauferkaiser Friedrich II. ließ während seiner Regentschaft zahlreiche Schlösser und Burgen erbauen. Doch keines blieb so rätselhaft wie das Castel del Monte. Errichtet wurde es vermutlich zwischen 1240 und 1250. Wozu – darüber spekuliert die Fachwelt bis heute. Historiker stellten im Laufe der Jahrhunderte zahlreiche Theorien dazu auf. Manche brachten die Burg mit astrologischen Bedeutungen oder geografischer Mystik in Verbindung.
Im Inneren trägt die labyrinthartige Raumführung zu zusätzlichen Spekulationen bei. Zur Verteidigung war die Burg vermutlich nicht gedacht, denn es gibt weder einen Schutzgraben noch zusätzliche Mauern. Vielleicht diente das Kastell dazu, den Machtanspruch des Kaisers in der Region durch ein imposantes Gebäude zu zementieren. Schließlich wirkt es durch seine Bauweise wie eine gigantische steinerne Krone. Man vermutet auch, dass es Friedrich II. als Jagdschloss für die Falkenjagd nutzte. Wie auch immer: es ist ein architektonisches Meisterwerk, das auf faszinierende Weise mit Mathematik und Geometrie spielt.
Das Castel del Monte war auch Kulisse in zahlreichen Filmen und hinterließ in Matteo Garrones „Pentameron“-Verfilmung „Das Märchen der Märchen“ bleibenden Eindruck. Außerdem solltest du bei Gelegenheit einen Blick auf die italienische Ein-Cent-Münze werfen… darauf ist die spektakuläre Burg ebenfalls zu sehen.
Wie du das Castel del Monte am besten erreichst
In der Nähe des Schlosses liegt ein großer Parkplatz, von dem alle paar Minuten ein Shuttlebus zum Kastell fährt. Viel schöner ist aber der etwa zehnminütige Fußweg durch ein kleines Wäldchen, das die Burg umgibt. Der Anblick des Castel del Monte ist wirklich umwerfend. Wenn du es umrundest, kannst du dir einen guten Eindruck von der fantastischen Aussicht von der Burg ins Umland verschaffen. Eine Besichtigung des Inneren solltest du dir auch nicht entgehen lassen. In der Hochsaison kann das Gedränge rund ums Kastell und im spektakulären Innenhof allerdings dichter werden.
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