Interview mit Olaf Maria Meier – Inhaber des Essener Weinlokals Le chat noir
Du öffnest die Tür und bist in einer anderen Welt: Mitten in der Ruhrmetropole Essen liegt ein kleines Stückchen Frankreich. Ein Ort, wie man ihn sonst nur aus Urlaubserinnerungen oder aus einer verwinkelten Seitenstraße in Paris kennt. Das Le chat noir – ein gemütliches Bistro und Weinlokal mit reduzierter und in Holz gehaltener, aber einladender Einrichtung. Und die erste und beste Anlaufadresse für Essens Weinliebhaber. Nicht erst seit gestern, sondern mit über 30-jähriger Tradition. Seit 2004 kümmert sich Olaf Maria Meier um das Wohl der Gäste in Essen-Rüttenscheid und schenkt nicht nur köstliche Weine aus, sondern fördert Kultur abseits des Mainstreams.
Du hast Literaturwissenschaft und Philosophie studiert. Wie landet man damit in der Gastronomie?
Ich bin wie die Jungfrau zum Kinde gekommen. In meiner Magister-Prüfungsphase habe ich einen Nebenjob gesucht und im Le chat noir angefragt, ob ich hier arbeiten könnte. Mein Vorgänger war amts- und altersmüde und so hat sich nach zwei Jahren die Übernahme des Ladens ergeben. Statt einer Promotion an der Uni habe ich meine Leidenschaft zum Beruf gemacht.
Das hat offenbar gut funktioniert, denn der Laden läuft.
Ich hab es mir anfangs einfacher vorgestellt. Ich dachte, es ist ein kleiner Laden und das erledige ich mal nebenbei. Dann habe ich gemerkt, dass es eine ganze Menge Arbeit macht. Es gibt ja auch Erwartungen und Wünsche, die man weckt und erfüllen muss.
Was sind das für Erwartungen?
Die Gäste haben Bilder im Kopf. Das geht mir auch so und ich denke z.B. an „Die fabelhafte Welt der Amélie“ und die Crème brûlée, bei der man das Knacken spürt, wenn der Löffel in den noch warmen, knusprigen Karamell eintaucht. Menschen leben von ihren Erwartungen und Bildern, die sie mitbringen. Die projizieren sie auch auf das Le chat noir. Wenn ein Gast eine Ratatouille bestellt, wie er sie aus Frankreich kennt, und die wird „knalleheiß“ und nicht – wie die Anrichteweise es verlangt – lauwarm serviert, dann verbrennt er sich die Zunge und ist enttäuscht. Das Gericht muss dann schon klassisch und dennoch unverwechselbar sein, wenn man es anbietet.
Gab es auch Missgeschicke?
Wir hatten in der Anfangszeit mal Spaghetti Aglio e Olio, die mit der Schere klein geschnitten serviert worden sind – kindgerecht, obwohl es für Erwachsene war. Das war ein Fauxpas, aber zum Glück ist sonst nichts wirklich schief gegangen.
Die Küche und das Angebot an Speisen hast du nach und nach ausgebaut.
Früher gab es schon das Häppchen zum Wein, heute gibt es auch ganze Gerichte neben den Sachen wie Käse, Schinken und Salat. Dafür mussten wir vor Jahren die Küche umbauen. Beraten hat uns dabei ein alter Zwei-Sterne-Koch, der zudem Gerichte für das Le chat noir entwickelt und rezeptiert hat. Das Le chat noir steht aber auch für etwas. Es ist eine Reminiszenz ans Pariser Künstlercafe und dem gebe ich mich auch hin. Ich ändere nicht aus einer Laune heraus einfach das Ambiente und designe es ganz „cool“ oder bereite nicht auf einmal Steaks zu, nur weil ich gerne welche esse. Das Essen muss chat-noir-affin sein.
Wie würdest du das Le Chat Noir beschreiben?
Es ist ein Ort, an dem man zusammenkommt, ein Glas Wein trinkt und einem gewissen savoir-vivre frönt. Man lässt die Seele baumeln, entspannt und trifft sich mit Freunden.
Nebenbei gab es unter dem Titel „Zwanzigfünfzehn – Wein und Wahrheit“ auch immer wieder Kulturveranstaltungen. 2015 ist da – gibt es ein neues Konzept?
Das Format „Zwanzigfünfzehn – Wein und Wahrheit“ ist 2009 als Komplementärprogramm zur Kulturhauptstadt 2010 entstanden. Die These war damals, dass das Le chat noir 2015 noch da wäre, während von der Kulturhauptstadt niemand mehr spräche. Es war als eine Utopie gedacht. Wir hätten die Utopie einfach weiter nach hinten schieben und es 2016 nennen können. Aber der neue Titel ist „Wein und Wahrheit – Katzen aus dem Sack“. Konzeptionell wird es sich jedoch nicht groß ändern. Es wird weiterhin Veranstaltungen von Gästen für Gäste geben, so wie wir das bislang hatten.
Wie wichtig ist es, ein Konzept zu haben für ein Bistro, ein Restaurant oder eine Kneipe?
Essen und trinken kann man überall. Ob das gut oder schlecht ist, ist eine andere Frage. Ein Konzept muss sein, damit ein Laden auch funktioniert. Die Leute wollen etwas erleben, sie möchten ein Ambiente. Bei uns als französischem Weinlokal läuft jetzt zum Beispiel Yann Tiersen im Hintergrund. Die Gäste möchten in der Zeit, in der sie hier sind, eine Stimmung oder ein Grundgefühl erleben. Und als Gast merkt man schnell, ob das Versprechen eingehalten wird.
Was muss man noch richtig machen?
Die Sprache des Service. Kann das Personal ganze Sätze sprechen? Welcher Ton herrscht in so einem Laden? Das sind alles weiche Faktoren, die aber das Stimmungsbild ausmachen. Man kann ein noch so tolles Essen kochen, wenn man einen beschissenen Service bietet. Damit kann man alles versauen.
Welchen Wein auf deiner Karte empfiehlst du?
Das ist im Moment bei den offenen Weinen der Côtes du Rhône, der Sablet. Ein wunderbarer Wein, ganz klassisch gemacht. Er ist nicht zu verspielt, sondern direkt. Ich will nicht sagen, er ist erdig, weil das Wort an sich schwierig ist. Aber er ist als Cuvée so gemacht, wie man sich einen Côtes du Rhône vorstellt. Und bei den Flaschenweinen gibt es den L`Angelet von Heiner Sauer. Das ist ein deutscher Winzer, der in Spanien Trauben anbaut. Also ein spanischer Wein mit deutschem Migrationshintergrund. Es ist ein Belohnungswein, von dem man bei einem besonderen Anlass eine Flasche mit Freunden trinken kann.
Le chat noir
Brigittastrasse 22
45130 Essen
Öffnungszeiten:
So-Fr: 19:00 – 01:00
Sa: 10:00 – 15:00 / 19:00 – 01:00
Mein relatives Lieblingsgericht: Braisierter Tafelspitz mit Dörrobst, Wurzelgemüse und Französischem Landbrot
Zutaten
- 1,5 kg Rindertafelspitz mit Fett
- 200 g Möhren
- 150 g Petersilienwurzel
- 200 g Pastinake
- ¼ Knollensellerie
- 3 rote Zwiebeln
- 1 Schalotte
- 1 Stange Porree
- 1 Knolle Knoblauch
- Meersalz grob
- Pfeffer grobkörnig
- Bratöl
- 3-4 Blätter Lorbeer
- 8 Körner Piment
- 1 Sternanis getrocknet
- 1 Zweig Thymian frisch
- 3 Zweige glatte Petersilie
- 1 Flasche Rotwein schwer, aber kein Billigfusel!
- 200 g Dörrobst ungeschwefelt und gemischt
- 3 TL Mehl
- 20 g Butter kalt
- Butterschmalz
- Küchengarn
- 1 Teebeutel
- 1 Schmortopf
Zubereitung
- Den Tafelspitz mit Küchentuch abtupfen und temperieren lassen. Die Fettseite einschneiden und das Fleisch mit Salz und geschrotetem Pfeffer großzügig würzen. Das Bratöl in einem Bräter erhitzen. Das Fleisch zunächst auf der Fettseite scharf anbraten, hernach auf den anderen Seiten. Mit einer Fleischgabel oder einer Küchenzange aus dem Topf nehmen.
- Röstgemüse herstellen. Hierzu Möhren, Petersilienwurzel, Pastinaken, ¼ Knollensellerie, 1 Stange Porree in grobe Würfel schneiden. Die Zwiebeln und die Knolle Knoblauch mit Haut halbieren. Bei hoher Temperatur im Fleischansatz bis zur dunklen Bräune anbraten. Mit Rotwein ablöschen und kurz aufkochen lassen. Jetzt das Fleisch, einen Teebeutel mit Piment und Sternanis sowie das Bouquet garni (3 Stengel Petersilie, 1 Zweig Thymian und die Lorbeerblätter ins Lauchblatt eingewickelt) in den Bräter geben. Das Fleisch sollte zur Hälfte im Rotwein liegen. Zugedeckt bei 160 Grad ca. 3 Stunden im unteren Ofendrittel schmoren lassen. (Es geht aber auch auf dem Gasherd bei schwacher Flamme). Zwischendurch kontrollieren.
- Tafelspitz aus dem Bratensatz nehmen und in Alufolie gewickelt warm stellen. Bouquet garni und Teebeutel entfernen und das Gemüse fein pürieren. (Alternative: Das Gemüse ganz entfernen und dafür durch ein Spitzsieb abseihen. In diesem Fall würde es sich anbieten, nur die Hälfte der empfohlenen Menge an Röstgemüse fürs Schmoren zu verwenden und die andere Hälfte fein zu schneiden, zu blanchieren und später in der Pfanne mit einer klein geschnittenen Schalotte in Butterschmalz anzubraten und als Beilage zu servieren). Backobst in Streifen schneiden und in Butterschmalz kurz anbraten. Die Sauce kurz aufkochen, mit frisch gestoßenem Pfeffer und Salz abschmecken (vor Weihnachten darf es auch ein wenig Lebkuchengewürz sein) und mit etwas in kaltem Wasser gelöstem Mehl binden. Das angebratene Backobst hinzugeben. Abschließend mit eiskalten Butterstückchen montieren.
- Tafelspitz gegen die Fleischfaser in Scheiben schneiden und anrichten. Das Französische Landbrot unter Freunden brechen. Guten Appetit!
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