Spanisches Olivenöl hatte lange einen schlechten Ruf als gesichtslose Massenware. Doch das Image wandelt sich. Nachdem die Bauern jahrzehntelang auf Quantität setzten, rücken immer mehr Produzenten die Qualität in den Mittelpunkt. Ich war auf Stippvisite in der andalusischen Provinz Jaén, wo Premiumöle, Bio-Anbau und nachhaltige Bewirtschaftung zunehmend wichtiger werden. Offensichtlich wollen sich die Spanier nicht mehr hinter den Italienern verstecken, die bislang den Olivenöl-Markt dominieren.
Wo man auch hinschaut in der andalusischen Provinz Jaén, die Olivenbäume reichen bis zum Horizont und darüber hinaus. Sie stehen in Reih und Glied, scheinen niemals enden zu wollen. Eine perfekte Ordnung, die gleichzeitig absurd wirkt und doch den eigentümlichen Reiz dieser beruhigenden Landschaft ausmacht. „Land der gekämmten Hügel“ hat der spanische Dichter Antonio Machado Jaén genannt. Es waren die Mauren, die während ihrer Herrschaft in Al-Andalus den Olivenanbau intensivierten und perfektionierten. Ein Erbe, das bis heute sprachlich spürbar ist: die spanischen Wörter für Olivenöl (aceite de oliva), Olive (aceituna) oder Olivenmühle (almazara) haben ihren Ursprung im Arabischen.
Umdenken in Andalusien: Klasse statt Masse
Die Provinz Jaén ist mit 60 Millionen Olivenbäumen das größte Anbaugebiet der Welt. Rund 25 % der weltweiten Olivenölproduktion stammt von hier. Jaén hat sich gar zur Welthauptstadt des Olivenöls ausgerufen. Ohnehin ist Spanien der Platzhirsch auf dem Olivenölmarkt. Mit jährlich 1,3 Millionen Tonnen erzeugt Spanien 45 % des globalen Angebots. Zum Vergleich: Aus Italien, das unter den Verbrauchern den Markt beherrscht, kommen gerade einmal 350.000 Tonnen des kostbaren Safts.
Vor allem der superintensive Anbau mit all den Nachteilen einer Monokultur brachte den spanischen Olivenbauern lange einen schlechten Ruf ein. Doch die Zeichen stehen längst auf Veränderung. Ein frischer Wind weht durch das Land der Oliven. Es herrscht Aufbruchsstimmung. Immer mehr Produzenten richten den Blick auf die Qualität des grünen Golds. Masse allein zählt nicht mehr.
„Früher haben wir unser Olivenöl an die Italiener geliefert, die es abfüllten und als italienisches Öl verkauften“, erzählt Terry Chicharro, die für das UK-Geschäft der Kooperative Picualia zuständig ist. Der hochmoderne Betrieb liegt keine zehn Minuten von der beschaulichen Renaissance-Stadt Bailén entfernt. Der Rasen vor der Fabrik ist penibel getrimmt, im Innenhof spiegelt sich die perfekte Ordnung der Olivenhaine in der streng strukturierten Architektur.
Rund 1000 Olivenbauern aus einem Umkreis von 20 Kilometern verarbeiten bei Picualia ihre Ernte. Die Qualität der Oliven und des Öls wird mit modernsten Methoden kontrolliert. „Wir können den gesamten Produktionsprozess nachverfolgen. Die Oliven kommen alle aus der Nähe und werden direkt gepresst. Pro Jahr verarbeiten wir fünf Millionen Kilo Oliven, aber wir füllen nur auf Bestellung ab. Dadurch bleibt das Öl so frisch wie nur möglich.“ Heute verkauft Picualia das Olivenöl der höchsten Qualitätsstufe „nativ extra“ nicht mehr an die Italiener, sondern vermarktet es selbst. Das Öl der Kooperative hat internationale Preise gewonnen. Ihr flüssiges Gold exportieren sie bis nach Saudi-Arabien und China.
Bio-Olivenöl und Nachhaltigkeit werden wichtiger
Siebzig Kilometer östlich, am Fuße der Sierra de Cazorla, liegt die Hacienda Vadolivo. Der Guadalquivir, die Lebensader Andalusiens, rauscht direkt an der Olivenmühle vorbei. Seit 1989 bauen sie hier auf 500 Hektar Oliven der Sorten Picual, Royal, Arbequina und Hojiblanca an. Die ältesten Bäume sind 500 Jahre alt. Masse steht bei Vadolivo schon lange nicht mehr im Mittelpunkt, die Hacienda hat sich ganz der Herstellung von qualitativ hochwertigem Olivenöl verschrieben. Nachhaltigkeit wird großgeschrieben, ein Drittel der 61.000 Olivenbäume bewirtschaften sie biologisch. Gegen die berüchtigte Olivenfliege kommt nicht die Chemiekeule zum Einsatz. Zwischen den Bäumen sorgen Pflänzchen und Gräser für Biodiversität. Gedüngt wird mit den Resten aus der Olivenölproduktion.
Flaggschiff von Vadolivo ist die Sorte Royal, die sie in den sanft geschwungenen Hainen zu 95 % biologisch anbauen. Die einheimische Olive aus dem DOP-Gebiet Sierra de Cazorla liefert ein weiches Olivenöl bester Qualität – leicht würzig und bitter, mit floralem Geschmack von Tomate, frisch geschnittenem Gras, Apfel und einem Hauch Banane. „Wie waren Pioniere bei der Wiedergewinnung dieser Sorte. Als jeder sie verachtete und beseitigte, um Picual zu pflanzen, haben wir wegen ihres Geschmacks auf sie gesetzt. Es ist schwierig, sie anzubauen und eine gute Ernte zu erzielen. Sie erfordert viel Sorgfalt und Pflege“, sagt Agraringenieur José Antonio Reche, der zusammen mit dem Verkaufsleiter José Heras durch den Olivenhain führt. Es ist Erntezeit, doch weil es leicht nieselt, sind unter den knorrigen Bäumen mit den silbrig-grünen Blättern keine Netze ausgebreitet. Die Olivenernte hat Zwangspause. Nasse Früchte würden die Qualität des Olivenöls Virgen Extra ruinieren.
Weshalb die frühe Ernte für bestes Olivenöl so wichtig ist
85 Helfer kümmern sich um die Ernte. Ein Teil kommt aus der Region, andere Arbeiter reisen jedes Jahr extra aus Marokko an. Ein Knochenjob. Jede Person schafft 800 bis 1000 kg Oliven pro Tag. Geerntet wird von Oktober bis Februar. „Der Unterschied zwischen den früh geernteten Oliven und der Ernte im November oder Dezember liegt darin, dass wir aus einem Kilo früher Oliven nur 10 % Olivenöl erhalten. Wenn wir bis Dezember oder gar bis Januar warten, ist der Ölgehalt höher. Aber die Qualität ist viel, viel schlechter. Das Öl ist gelber, flüssiger und hat weniger Aroma“, erklärt José Heras. Es eigne sich dann allenfalls zum Frittieren. Spitzenöle dagegen ließen sich nur aus den Oliven der ersten Erntewochen gewinnen.
Nativ extra ist die höchste Güteklasse des Olivenöls, für die strenge Kriterien gelten. Bei der Ernte muss deshalb sorgfältig gearbeitet werden. In der Hacienda Vadolivo verzichten sie auf große Maschinen, die wie gigantische Monstertrucks aussehen und in der Kritik stehen, weil ihnen vor allem nachts tausende Vögel in den Bäumen zum Opfer fallen. Geerntet werde nur tagsüber, sagt José Antonio Reche, mit Baumrüttlern und der Vara, einem langen Holzstab, mit dem die Oliven in die unter den Bäumen ausgelegten Netze geschlagen werden. Für Olivenöl der höchsten Güteklasse dürfen die Oliven niemals den Boden berühren. „Wenn die Frucht auf dem Boden liegt, ist sie Abfall.“ Manche Produzenten sammeln sie ein und verarbeiten sie zu Lampantöl. Vadolivo hingegen nutzt sie als Düngemittel.
Sobald die Olive geerntet ist, beginnt der Wettlauf gegen die Zeit
Nach der Ernte muss alles ganz schnell gehen. „Die Olive ist ein lebendiges Produkt. In der Zeit, die es braucht, sie zu ernten und in die Mühle zu bringen, verliert sie an Qualität. Deshalb verarbeiten wir immer am Tag der Ernte, wenn die Oliven frisch sind. Und nur Oliven, die aus der Nähe der Mühle kommen“, bemerkt José Heras. Sobald die Oliven nicht mehr am Baum hängen, beginnt ihr Verfall. Je reifer die Oliven sind und je wärmer sie gelagert werden, desto schneller nimmt ihre Qualität durch oxidative Prozesse ab. Man kann sie im fertigen Olivenöl als Defekte schmecken.
In der Ölmühle werden die Oliven zunächst von Blättern und anderen Verunreinigungen befreit, gewaschen und mit einer Walze zu Mus zerkleinert. Den Olivenbrei knetet eine weitere Maschine – bleibt er zu kurz oder zu lange darin, wirkt sich dies ebenfalls auf die Qualität des Öls aus. Schließlich trennen Zentrifugen das kostbare Öl von der Maische. Die Temperatur darf bei der Verarbeitung niemals über 27 Grad Celsius steigen, denn sonst verliert das grüngoldene Olivenöl seine Aromavielfalt. Anschließend wird das frisch gewonnene Olivenöl gefiltert und in riesige Edelstahltanks abgefüllt. Die Nebenprodukte aus der Produktion wie die geschredderten Kerne verarbeiten sie bei Vadolivo zu Heizungspellets, den Trester zu Dünger.
Der Olivenöl-Markt – David gegen Goliath
Bio-Olivenöl und nachhaltige Landwirtschaft, eigene Marken mit Qualitätsanspruch. Es ist der Versuch der kleinen Mühlen und Kooperativen unter den Platzhirschen zu bestehen, die mit superintensiven Monokulturen nur auf hohe Erträge setzen. „Es ist ein sehr umkämpfter Markt mit großem Preisdruck. Die Importeure und Einkäufer bestimmen den Preis. Wenn ich den großen Einkäufern sage, dass ich zu ihrem niedrigen Einkaufspreis nicht mehr verkaufen kann, verweisen sie mich auf 20 andere Produzenten, die schon in der Schlange stehen, um ihr Angebot anzunehmen“, ärgert sich José Heras.
Das frische Olivenöl wird in großen Edelstahltanks zwischengelagert In der Kooperative Picualia wird nur auf Bestellung abgefüllt
Es ist der Kampf zwischen David und Goliath. Ein Kampf um gute Qualität und einer um Eigenständigkeit, den die Mühlen mit ihren Marken führen. Er hat dafür gesorgt, dass sich viele Olivenöle aus Andalusien nicht mehr hinter den Qualitätsölen aus Italien verstecken müssen. Nur Geschichten erzählen sie hier im Land der Oliven vielleicht noch nicht so gut wie ihre Nachbarn auf der anderen Seite des Tyrrhenischen Meeres.
Im zweiten Teil des Berichts liest du, wieso es so schwierig ist, ein gutes Olivenöl zu bekommen. Ich verrate dir, woran du wirklich gutes „Natives Olivenöl Extra“ erkennst und es richtig verkostest, was die Farbe des Öls verrät, wieso Olivenöl so gesund ist und wie du es richtig lagerst.
Vielen Dank an die Cámara de Comercio de Linares, die mich zu der Olivenöl-Reise nach Andalusien eingeladen hat.
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