Wer an italienisches Gebäck denkt, erwartet wohl Cannoli mit cremiger Füllung, zarte Amarettini oder knackige Cantuccini. Doch auf Sizilien, genauer gesagt in Modica, gibt es eine Spezialität, die mit ihrer ungewöhnlichen Kombination an Zutaten überrascht: die ′Mpanatigghi. Die halbmondförmigen Kekse sind außergewöhnlich gefüllt mit einer Mischung aus Schokolade, Mandeln, Gewürzen und Kalbfleisch. Was zunächst befremdlich klingen mag, entpuppt sich als ein raffiniertes Rezept für eine köstliche Delikatesse mit einer faszinierenden Geschichte.

′Mpanatigghi – süße Verbindung aus Modica-Schokolade und Fleisch
Die Zubereitung der Mpanatigghi folgt einem alten Rezept, über dessen lange Geschichte ich dir gleich mehr verrate. Der Teig, hergestellt aus Mehl, Eiern, Zucker und Schmalz, wird dünn ausgerollt und mit einer würzigen Schokoladen-Fleisch-Mischung gefüllt. Diese setzt sich aus fein gehacktem Kalbfleisch, Modica-Schokolade, Mandeln, Zimt, Nelken und Zucker zusammen. Die kleinen, halbmondförmigen Kekse werden dann gebacken, bis sie eine zart-knusprige Hülle bekommen.
Wenn du Modica besuchst, solltest du diese außergewöhnliche Spezialität unbedingt probieren. Das Kalbsfleisch, das zusammen mit der Schokolade und den gemahlenen Mandeln in die Füllung der Kekse kommt, schmeckst du nicht mehr wirklich, dafür sorgen die vielen anderen Zutaten. Aber die sizilianischen Kekse ermöglichen dir einen Ausflug in längst vergangene Zeiten.
Eine kurze Geschichte der ′Mpanatigghi
In der Küche des Mittelalters war es nämlich gar nicht zu ungewöhnlich, süße und herzhafte Zutaten miteinander zu kombinieren. Man denke nur an Blancmanger (Mandelsulz), das seit dem 14. Jahrhundert in Europa bekannt ist. Das Gericht besteht typischerweise aus einer Mischung aus Huhn oder Fisch mit Reis, Milch oder Mandelmilch, Zucker und Gewürzen wie Ingwer und Zimt. Die Wurzeln für solche herzhaft-süßen Gerichte liegen in der Kochtradition der Araber und die haben 831 für mehr als 200 Jahre ihre Spuren auf Sizilien hinterlassen.
Wann die ′Mpanatigghi erstmals im Süden Siziliens auftauchten, darüber darf heute gerätselt werden. Und natürlich gibt es wie bei vielen Spezialitäten jede Menge Legenden, die das Rezept aus Modica begleiten. Eine beliebte Anekdote erzählt davon, dass die Nonnen eines Klosters in Modica die Kekse – oder zumindest ein Teiggericht mit Füllung – Anfang des 16. Jahrhunderts erfanden, um den fastenden Mönchen heimlich nahrhafte Speisen zukommen zu lassen. Fleisch war in der Fastenzeit verboten, doch versteckt in einem Teigmantel konnten es die Geistlichen unbemerkt genießen. Die ′Mpanatigghi waren es sicherlich nicht, die die Mönche um 1500 schnabulierten. Schokolade war schließlich zu der Zeit in Europa noch gar nicht bekannt.
Wahrscheinlicher ist, dass die ′Mpanatigghi auf den Einfluss der Spanier zurückgehen, die Sizilien in zwei Phasen über mehrere Jahrhunderte regierten. Sie sollen es im 17. Jahrhundert gewesen sein, die die Schokolade mit nach Modica brachten. Ein Hinweis, dass hier die wahren Wurzeln der Fleischkekse zu finden sind, ist auch der Name der ′Mpanatigghi. Er leitet sich von den spanischen Empanadas ab – herzhaft gefüllte Teigtaschen, die während der spanischen Herrschaft ihren Weg nach Sizilien fanden.
Wie kam das Kalbfleisch in sizilianische Kekse?
Vielleicht hat man das Fleisch mit Zucker und Schokolade gemischt und in Teig gebacken, um es länger haltbar zu machen. Statt Kalbfleisch soll man früher vor allem Wild für die Füllung der Kekse verwendet haben. Möglicherweise sind die ′Mpanatigghi auch nur das Ergebnis eines besonders pfiffigen Kochs, der gerade keine andere Zutat zur Hand hatte. Die Rezepte heutzutage variieren in Modica: Manchmal verfeinern die Bäcker den Teig mit Marsala oder ergänzen die Füllung mit getrockneten Feigen oder Walnüssen. Doch eines bleibt stets gleich – die ′Mpanatigghi sind eine kulinarische Köstlichkeit, bei der der Fleischgeschmack unter dem Aroma der Schokolade, Mandeln und Gewürze nahezu verschwindet. Und das Rezept für ′Mpanatigghi ist gar nicht schwer nachzumachen.
Der berühmte sizilianische Schriftsteller Leonardo Sciascia soll – und da sind wir wieder im Reich der Legenden ohne verlässliche Quellen – die Kekse als das „perfekte Reisegebäck“ gelobt haben: lange haltbar und einfach nur köstlich. In Modica jedenfalls sind sie ein fester Bestandteil der Konditoreikunst und du kannst sie in zahlreichen Bäckereien und Cafés probieren. Eine der bekanntesten Adressen dafür ist die berühmte Schokoladen-Manufaktur Bonajuto. Besonders mit einem starken Espresso oder einem Glas Marsala sind sie ein wundervoller Genuss.
′Mpanatigghi – Schokoladenkekse aus Modica
Zutaten
Für den Teig
- 500 g Mehl
- 180 g Schmalz
- 1 Eigelb
- 1 Ei
- 150 g Zucker
- 2 g Trockenhefe
- 70 ml Marsala
- 2 g Salz
Für die Füllung
- 150 g Schokolade aus Modica
- 200 g Kalbshack
- 200 g Mandeln gemahlen
- 50 g Zucker
- ½ TL Zimt bei Bedarf etwas mehr
- 1 Prise Nelken gemahlen – nur optional
Zubereitung
- Das Mehl, den Schmalz, das Eigelb und Ei zusammen mit der Trockenhefe und dem Zucker in eine Schüssel geben und grob miteinander verkneten. Den Marsala und das Salz hinzugeben und alles in ca. 5 Minuten zu einem glatten Teig verkneten. Den Teig zu einer Kugel formen, in Frischhaltefolie einwickeln und für eine Stunde im Kühlschrank ruhen lassen.
- In der Zwischenzeit die Füllung vorbereiten: die Schokolade feinreiben und zusammen mit dem Kalbshack, den gemahlenen Mandeln, dem Zucker und Zimt zu einer homogenen Masse vermengen. Optional noch 1 Prise gemahlene Nelken hinzugeben.
- Den Backofen auf 180 Grad vorheizen. Den Teig auf einer bemehlten Arbeitsfläche auf ca. 2 mm Dicke ausrollen und mit einem runden Formenausstecher oder einem großen Glas Kreise von ca. 8 cm Durchmesser ausstechen. In die Mitte von jedem Teigkreis einen Löffel der Füllung setzen.
- Die Ränder der Teigkreise mit etwas Wasser befeuchten und die Teigkreise anschließend so zusammenklappen, dass Halbmonde entstehen. Die Halbmonde vorsichtig verschließen und an der Auflagekante mit einer Gabel zusammendrücken. Jeden Halbmond an der Oberfläche mit einem Messer leicht einschneiden und die Halbmonde auf ein mit Backpapier belegtes Backblech geben. Die ′Mpanatigghi für 20 Minuten auf mittlerer Schiene backen. Anschließend aus dem Ofen nehmen und auskühlen lassen.
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