Während die meisten Italien-Urlauber als Reiseziel die sanften Hügel der Toskana oder die geschichtsträchtigen Stätten Roms ansteuern, bleibt Umbrien – das grüne Herz Italiens – ein gut gehütetes Geheimnis. Im Süden der mittelitalienischen Region liegt Spoleto, einst das politische Zentrum Umbriens. Die charmante Stadt, eingebettet zwischen Bergen und Tälern, erlaubt eine Zeitreise durch die Epochen. Sie empfängt ihre Besucher mit mittelalterlichen Gassen, historischen Sehenswürdigkeiten und zeitgenössischer Kunst im öffentlichen Raum. Drei Tage lang habe ich mich von Spoleto verzaubern lassen und die Stadt für dich entdeckt.
Spoleto befindet sich im Süden Umbriens, in der Provinz Perugia. Es liegt malerisch am Fuß des Monteluco, einem bewaldeten Berg, der die Stadt dominiert und ein beliebtes Ziel für Wanderer ist. Nördlich der Stadt führt die fruchtbare Talbene des Valle Umbra bis zum berühmten Pilgerort Assisi. In Richtung Osten erstreckt sich das wildromantische Valnerina zum Naturparadies der Monti Sibillini, wo du in Norcia den berühmten Schinken probieren kannst.
Spoleto blickt auf eine lebhafte Geschichte zurück. Rund um die Stadt und im benachbarten Valnerina siedelte in vorchristlicher Zeit das Volk der Umbrer. Im Jahr 241 v. Chr. wurde Spoleto zur römischen Kolonie und florierte später als Hauptstadt des langobardischen Herzogtums. Alle Herrscher und Epochen haben in der Stadt Spuren hinterlassen, die noch heute zu erkennen sind, sich manchmal aber erst auf den zweiten Blick offenbaren.
Entdeckungsreise in Spoleto: Kultur, Kulinarik und MTB-Abenteuer
Bei meinem Besuch in Spoleto erwarten mich drei aufregende Tage mit einem vollen Programm. Ich habe viel Zeit, die Sehenswürdigkeiten der Stadt zu entdecken, mich kulinarisch verwöhnen zu lassen und etwas zu unternehmen, was ich seit Jahren nicht gemacht habe: als Fahrradmuffel, der zuletzt vor Jahren auf einem Drahtesel saß, will ich mich zusammen mit anderen Journalisten auf den Sattel schwingen. Denn bei meiner Stippvisite im September findet eines der wichtigsten Events des Jahres in Spoleto statt: die SpoletoNorcia in MTB – die größte Radsportveranstaltung Mittel- und Süditaliens, an der jedes Jahr Tausende Radsport-Begeisterte und Mountainbike-Fans teilnehmen.
Doch bevor ich mich ins Fahrrad-Abenteuer stürze, gilt es erstmal Spoleto zu erkunden. Mit rund 34.000 Einwohnern hat die umbrische Stadt genau die richtige Größe, damit es tagsüber und abends nicht langweilig wird. Kaum ein Ort schlägt so konsequent eine Brücke zwischen Vergangenheit und Gegenwart wie Spoleto. Wenn du durch die engen Gassen der Altstadt spazierst, triffst du ständig auf römische und mittelalterliche Bauwerke. Immer wieder ergänzt durch Skulpturen oder moderne Kunstinstallationen.
Kunst und Kultur in Spoleto: Das berühmte Festival dei Due Mondi
Der Grund für die vielen Kunstwerke im öffentlichen Raum ist das Festival dei Due Mondi. Seit 1958 ist Spoleto Heimat des renommierten Festivals. Es ist ein Kulturevent der Extraklasse, das jedes Jahr im Juni und Juli Tanz, Theater, Musik und Kunst miteinander verbindet. Der italienische Komponist Gian Carlo Menotti hat es 1958 ins Leben gerufen. Vier Jahre später fand im Rahmen des Festivals die Ausstellung „Sculture nella città“ statt, die bis heute als ein wichtiges Ereignis der zeitgenössischen Kunstgeschichte gilt.
Für die Ausstellung verwandelte der Künstler Giovanni Carandente die Stadt 1962 mit über 100 Skulpturen in ein Freilichtmuseum. „Sculture nella città“ begeisterte nicht nur mit eindrucksvollen Skulpturen von weltweit bekannten Künstlern, sondern löste eine internationale Diskussion über die Beziehung zwischen Stadt und Kunstwerk aus.
Ein großer Teil der Skulpturen wurde extra für die Ausstellung geschaffen, die sich durch die Gassen und zentralen Plätze der Stadt zog. Rund ein Dutzend der Werke sind davon in Spoleto zu sehen. Fotos der damaligen Ausstellung findest du im Palazzo Collicola, während du keine zehn Schritte vom Dom entfernt im Dokumentationszentrum der Casa Menotti alles über das Spoleto-Festival erfährst.
Spoleto auf dem Weg zur „Città dell’Arte“
Die enge Verbindung zur modernen Kunst zieht auch heute noch zahlreiche Kunstliebhaber in die Stadt. Für Umbrien, das sich im Vergleich zur benachbarten Toskana oder Emilia Romagna noch im touristischen Schönheitsschlaf befindet, bedeutet der Ruf Spoletos als Stadt der Kunst ein großes Pfund im Tauziehen um Touristen. An Ideen mangelt es jedenfalls nicht, um Reisende in die mittelitalienische Region zu locken, die als einzige keinen Zugang zum Meer hat. So fand 2024 erstmals die städteübergreifende „La Sottile Linea d‘Umbria“ statt. Für nur 15 € Euro konnte man zwischen Juni und Oktober 14 Nationalmuseen und archäologische Stätten in Umbrien besuchen. Diese präsentierten in den Sommermonaten nicht nur ihre kunsthistorischen Schätze, sondern auch Ausstellungen zeitgenössischer Künstler.
Auch Street-Art gibt es in Spoleto zu entdecken – wenn auch nicht viel. Doch es lohnt sich die Augen offen zu halten. Schließlich haben Graffiti-Künstler in manch einer Gasse oder Seitenstraße an unauffälligen Stellen ihre Spuren hinterlassen.
Palazzo Collicola: Eine Schatzkammer für moderne Kunst
Auch wenn ich sicherlich nicht alles toll finde, was heutzutage als Kunst deklariert wird, liebe ich moderne Kunst. Deswegen bin ich bei meinem Besuch in Spoleto besonders gespannt auf den Palazzo Collicola. Er wurde zwischen 1717 und 1730 im Auftrag des Kardinals Francesco Collicola erbaut. Mit immerhin 110 Räumen auf vier Etagen – so ließ es sich einst bequem wohnen. Von außen ist der Palazzo zwar kein Schmuckstück, jedoch zählt er zu den wichtigsten Adelspalästen der Stadt und beherbergt seit 2010 die Galerie für Moderne Kunst. Ein echtes Juwel unter den Museen von Spoleto!
Die prunkvollen Wohngemächer mit ihren verspielten Dekors sind allein schon einen Besuch im Palazzo wert. Sie wurden originalgetreu rekonstruiert. Im Sommer 2024 hat sich – wie so häufig in Spoleto – Historisches mit Zeitgenössischem verbunden. So war in den Adelsgemächern des Piano Nobile eine Sonderausstellung mit Werken von Chiara Camoni als Teil der 67. Ausgabe des Spoleto Festival dei Due Mondi zu sehen. Dafür hat die Künstlerin ihre Exponate in Form einer Schlange aus Naturmaterialien konzipiert.
In der zweiten Etage des Palazzo Collicola befindet sich die Galerie für moderne Kunst „Giovanni Carandente“. Sie fasziniert mit einer umfangreichen Sammlung zeitgenössischer Kunst. Die Dauerausstellung wurde aus Werken für den Kunstpreis Premio Spoleto zusammengetragen, der zwischen 1953 und 1968 vergeben wurde. Danach wurde die Sammlung stetig erweitert und im Erdgeschoss durch wechselnde Sonderausstellungen ergänzt.
MUTECO: Das Textil- und Kostümmuseum im Palazzo Rosari Spada
Nicht weit entfernt vom Palazzo Collicola versteckt sich im ersten Stock des Palazzo Rosari Spada seit 2023 das Textil- und Kostümmuseum MUTECO. Klingt nach Special Interest, ist aber eine interessante Ausstellung, die in fünf Sälen die Geschichte der reich verzierten umbrischen Textilien, Trachten und Gewänder aus der Zeit zwischen dem 14. und 20. Jahrhundert nachzeichnet.
Sehenswürdigkeiten in Spoleto: Ein Spaziergang durch die historische Altstadt
Viele der Sehenswürdigkeiten in Spoleto reichen bis in die römische Epoche zurück. Schließlich wurde das antike Spoletium schon früh zur Kolonie und die Bevölkerung in Windeseile romanisiert. Mit der Lex Iulia erhielt die Stadt 90 v. Chr. römische Bürgerrechte. Zeitzeugen aus der römischen Ära sind die Casa Romana, der Arco del Druso, die Sanguinario-Brücke, das Teatro Romano sowie ein Amphitheater und Fundamente eines Tempels. Noch mehr römische Überreste dürften unter der Erde vergraben sein, auf der das mittelalterliche Spoleto erbaut wurde.
Der beste Ausgangspunkt für eine Stadttour durch das Centro Storico ist die Piazza della Libertà. Vom südlichen Eingang der Altstadt aus kannst du die zahlreichen Sehenswürdigkeiten von Spoleto bestens erlaufen. Direkt an der Piazza liegt nicht nur der Palazzo Ancaiani, sondern auch das antike Teatro.
Tipp für Sparfüchse: Spoleto Card
Wenn du viele Sehenswürdigkeiten in Spoleto anschauen möchtest, dann lohnt es sich, die Spoleto Card zu kaufen. Sie ermöglicht dir den Besuch zahlreicher Museen und Kulturorte über einen Zeitraum von sieben Tagen. In der Spoleto Card sind u.a. der Eintritt für die Rocca Albornoz, der Palazzo Collicola und das Teatro Romano enthalten. Du kannst sie sowohl online kaufen oder in den teilnehmenden Museen vor Ort. Zuletzt kostete die Karte 12 Euro für Erwachsene ab 25 Jahren.
Teatro Romano und das Archäologische Museum von Spoleto
Das Teatro Romano, ein beeindruckendes Zeugnis römischer Baukunst aus dem 1. Jahrhundert v. Chr., wurde zwischen 1954 und 1960 wieder freigelegt. Dabei war seine Existenz bereits seit 1891 bekannt: Der Archäologe Giuseppe Sordini stieß damals auf eine Zeichnung aus dem 15. Jahrhundert, die das Theater auf dem Gelände des Sant’Agata-Klosters verortete.
Das Kloster, das Benediktiner-Mönche ab 1395 bewohnten, wurde direkt auf den Überresten des römischen Bauwerks errichtet. In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts verließen es die Mönche, woraufhin es die Stadt von 1869 bis 1952 als Gefängnis nutzte. Erst Mitte des 20. Jahrhunderts nahm man die Ausgrabungen in Angriff und rekonstruierte das Theater.
Das Teatro Romano selbst hat eine lange und bewegte Geschichte hinter sich. Bereits kurz nach dem Bau wurde es durch Erdrutsche beschädigt. Im 4. Jahrhundert n. Chr. gab man das Theater schließlich auf und es verfiel im Laufe der Jahrhunderte. Doch seine Bedeutung geriet nie ganz in Vergessenheit. Die Zeichnung, die Sordini 1891 entdeckte, war der erste Schritt zur Wiederentdeckung dieses kulturellen Schatzes. Heute ist das Teatro Romano nicht nur ein Zeugnis der römischen Vergangenheit. Jedes Jahr während des renommierten Festivals dei Due Mondi erwacht es als Bühne für Tanz- und Theatervorführungen zu neuem Leben.
Das Kloster über dem Theater beherbergt mittlerweile das Archäologische Museum. In den Ausstellungsräumen des Museums erwartet dich eine beeindruckende Reise durch die Geschichte der Region. Neben Funden aus der römischen Epoche zeigt es zahlreiche Artefakte aus der Bronzezeit und der vorrömischen Ära der Umbrer, die einst die Gegend besiedelten.
Piazza del Mercato: Treffpunkt im antiken und modernen Spoleto
Die heutige Piazza del Mercato war einst das römische Forum und Zentrum des antiken Spoletium. Damals wie heute ist der Platz ein beliebter Treffpunkt. Mit Blick auf den Fiaschetti-Brunnen, kannst du in einem der vielen charmanten Restaurants und Cafés eine Verschnaufpause einlegen. Der pompöse Brunnen wurde 1743 erbaut und seine elegante Fassade aus Travertin erinnert an die prächtigen Brunnen Roms.
Während das antike Forum heute kaum noch zu erahnen ist, hat die Geschichte rund um die belebte Piazza jede Menge Spuren hinterlassen. Ein besonders markantes Zeugnis der römischen Vergangenheit ist der Drusus- und Germanikusbogen aus dem Jahr 23 n. Chr., der einst den Eingang zum Forum markierte. Der imposante Bogen lässt erahnen, dass das antike Spoleto viel tiefer lag als die heutige Stadt. Nur wenige Meter weiter stößt du auf die Porta di Monterone, der mittelalterliche Zugang zur Stadt entlang der Via Flaminia, von der aber nicht mehr viel übrig ist.
Ein weiteres, wenn auch etwas verstecktes Zeugnis aus römischer Zeit sind die leicht zu übersehenden Fundamente eines antiken Tempels oberhalb des Forums im Vicolo della Basilica. Auch wenn es sich nur um ein paar Steine handelt, auf denen ein neueres Gebäude aufgesetzt wurde, zeigen sie, wie sich in Spoleto Geschichte und Architektur übereinanderschichten.
Kulinarischer Tipp: Ristorante del Mercato
Es birgt immer ein großes Risiko, an einer hübschen und zentralen Piazza im Centro Storico ins Restaurant zu gehen. Oft ist Aussicht besser als die Küche. Nicht so im Ristorante del Mercato. Im Zentrum der sonnigen Piazza mit Blick auf den Fiaschetti-Brunnen laden eine Handvoll Tische vor dem Restaurant zum Pranzo am Mittag oder abendlichen Cena ein. Auf den Tisch kommt umbrische Küche mit typischen Produkten der Region, aber leicht modernisiert. Vor allem wenn es besonders einfach zugeht, ist es im Ristorante del Mercato wirklich lecker: Unbedingt von den Vorspeisen den aromatischen Schinken aus Norcia mit Fregnacce aus Hefeteig probieren!
Ristorante del Mercato, Piazza del Mercato 29, Spoleto
Casa Romana: Wohnen wie die alten Römer
Ein weiteres Zeugnis aus römischer Zeit ist die Casa Romana in der Via di Visiale. Das gut erhaltene Patrizierhaus aus dem 1. Jahrhundert n. Chr. wurde 1885 ebenfalls vom Archäologen Giuseppe Sordini entdeckt und bis 1914 freigelegt. Die Casa Romana liegt oberhalb des antiken Forums – heute die belebte Piazza del Mercato – und beeindruckt vor allem durch ihre filigranen Mosaikböden mit feinen geometrischen Mustern.
Archäologen vermuten, dass die Mutter des römischen Kaisers Vespasian, die aus dem nahegelegenen Norcia stammte, einst in diesem Haus gelebt haben könnte. Zwar erscheint die Casa Romana im Vergleich zur prächtigen Villa Casale auf Sizilien weniger opulent, doch sie ist mit ihrem schlichten Charme und den gut erhaltenen Details sehenswert. Und wie so oft in Spoleto sind auch in der Casa Romana gelegentlich Kunstwerke aus jüngerer Zeit ausgestellt.
In direkter Umgebung der Casa Romana befindet sich der Palazzo Comunale, den man Ende des 20. Jahrhunderts nach einem Erdbeben restauriert hat. Direkt vor dem Palazzo triffst du auf die Skulptur „Spoleto 1962“ von Nino Franchina. Sie war Teil der Ausstellung „Sculture nella città“.
Rocca Albornoziana: die trutzige Festung von Spoleto
Eine der beeindruckendsten Sehenswürdigkeiten Spoletos, die du auf keinen Fall verpassen solltest, ist die Rocca Albornoziana. Die gewaltige Festung thront majestätisch auf dem Gipfel des Colle Sant’Elia. Die mächtigen Mauern der Burg erzählen von einer bewegten Geschichte, die bis ins 14. Jahrhundert zurückreicht und bieten dir einen atemberaubenden Blick auf die Stadt und das gesamte Tal.
Die Burg spielte eine entscheidende Rolle in der strategischen Kontrolle über Mittelitalien. Kardinal Egidio Albornoz ließ die Rocca Albornoziana ab 1359 erbauen, da er von Spoleto aus die Macht des Kirchenstaats in der Region sichern und dessen Gebiete erweitern sollte. Sie diente nicht nur als militärischer Stützpunkt, sondern auch als Residenz für päpstliche Legaten und die Stadtväter von Spoleto. Heute zeugt sie von ihrer glanzvollen Vergangenheit und hat sich zu einem faszinierenden Kultur- und Geschichtsort entwickelt.
Ein Highlight der Rocca ist der erst seit Sommer 2024 zugängliche Aufstieg zu den Türmen. Von hier oben eröffnet sich ein spektakuläres Panorama über das grüne Tal und reicht bei gutem Wetter bis weit in die Region Perugia. Der Zutritt zu den Türmen ist jedoch nur im Rahmen von Führungen möglich, die du am besten im Voraus buchst.
Höfische Freuden und traurige Schicksale
Auch im Inneren der Festung gibt es viel zu entdecken. Besonders eindrucksvoll sind die Fresken der Camera Pinta, die die Besucher mit zwei Bilderserien in die Welt des mittelalterlichen Hoflebens entführt. Eine Reihe zeigt lebhafte Szenen von Liebe, Spiel und Jagd, während die anderen Wandmalereien Einblicke in das Leben von Rittern und Edeldamen gibt.
Ein weiteres, eher trauriges Kapitel in der Geschichte der Rocca Albornoziana spielte sich in den Jahren 1816 bis 1982 ab, in denen die Festung als Gefängnis genutzt wurde. Zeichnungen und Kritzeleien der Gefangenen an den Wänden erzählen noch heute von den Sehnsüchten und Schicksalen derjenigen, die hier eingesperrt waren. An keinem Ort in Spoleto begegnen sich Macht und Leid auf solch eindringliche Weise.
Abgesehen von seiner bewegten Geschichte beeindruckt die Rocca Albornoziana heute als ein Ort für Kunst und Kultur. Die Festung beherbergt das Nationalmuseum des Herzogtums Spoleto, das die Geschichte der Region von den Langobarden bis ins 16. Jahrhundert erzählt. Bei meinem Besuch war zudem eine beeindruckende Ausstellung des bekannten Arte Povera-Künstlers Mario Merz zu sehen, dessen Werke du auch im MoMA in New York und dem Centre Pompidou in Paris findest. Seine markanten Iglus und Installationen sorgten für einen faszinierenden Kontrast zu den alten Mauern der Rocca.
Ponte delle Torri: Die legendäre Brücke zwischen der Rocca und dem Monteluco
Rund um die Rocca verläuft ein Spazierweg mit vielen atemberaubenden Ausblicken auf die Stadt und ihre Umgebung. Früher oder später landest du auf diesem an der beeindruckenden Ponte delle Torri. Diese monumentale Brücke aus dem späten 14. Jahrhundert, die einst als Aquädukt diente, spannt sich in schwindelerregenden 80 Metern Höhe über die 280 Meter lange Schlucht zwischen Spoleto und dem Berg Monteluco. Sie wurde auf den Überresten eines römischen Bauwerks errichtet und verbindet die Burg auf dem Colle Sant’Elia mit einem echten Märchenwald.
Hinter dem Wehrturm des Fortilizio dei Mulini beginnt ein Wanderweg, der dich tief in die unberührte Natur und den dichten, mystischen Wald des Monteluco führt. Er war einst ein heiliger Ort, an dem Einsiedler die Stille und Abgeschiedenheit suchten. Ein strenges Gesetz, die Lex Spolentina, verbat schon im 3. Jahrhundert n. Chr. jegliches Abholzen der Bäume. Man könnte fast vom ersten Naturschutzgebiet Italiens sprechen, das hier vor mehr als 1700 Jahren entstand.
Leider ist die Ponte delle Torri seit dem Erdbeben von 2016 wegen Renovierungsarbeiten vorübergehend gesperrt. Doch auch aus der Ferne bietet sie einen spektakulären Anblick und ist ein beliebtes Fotomotiv. Ihre gleichmäßigen Bögen scheinen die Schlucht fast schwebend zu überbrücken und fügen sich perfekt ein in die dramatische Landschaft. Bald kannst du hoffentlich auch wieder über die Brücke spazieren, denn die Wiedereröffnung ist für Ende 2024 geplant.
Fontana del Mascherone: Ein Brunnen mit mystischem Charme
Auf deinem Weg zurück in die Altstadt solltest du unbedingt einen Stopp am Fontana del Mascherone einlegen. Der eigentümliche Brunnen wirkt wie die verwunschene Kulisse eines Fantasy-Films. Aus dem offenen Mund eines Satyr-Gesichts fließt kühles Wasser aus dem Aquädukt vom Monteluco. Schon im Mittelalter stand an der kleinen, ruhigen Piazza ein Brunnen. Der Fontana del Mascherone erhielt aber erst 1736 sein heutiges, unverwechselbares Aussehen.
Im Herzen von Spoleto: Piazza del Duomo und die Cattedrale di Santa Maria Assunta
Vom Brunnen ist es nicht mehr weit zu Spoletos atmosphärischstem Platz – die weitläufige Piazza del Duomo. Eine lange Freitreppe führt von der Via Aurelio Saffi hinab zur Piazza, an deren Ende als zentraler Blickfang die Cattedrale di Santa Maria Assunta thront. Die Spitze der Freitreppe ist ein beliebter Fotospot für Reisende, weil sich von dort eine wunderschöne Perspektive auf den Dom ergibt.
Der Dom, dessen Ursprünge bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen, beeindruckt nicht nur mit seiner prächtigen Fassade, sondern auch durch die kunstvolle Innenausstattung mit Fresken des Renaissance-Malers Filippo Lippi.
Auf der Piazza lohnt sich auch ein Blick auf eine Ecke unterhalb der Chiesa di Sant’Eufemia, wo sich eine weitere Bronzeskulptur versteckt: „Stranger III“ von Lynn Chadwick. Diese Bronze stammt ebenfalls aus der legendären Ausstellung „Sculture nella città“ von 1962.
Die Piazza del Duomo entfaltet besonders am späten Nachmittag und frühen Abend einen besonderen Zauber, wenn die Sonne langsam hinter den Hügeln untergeht und das warme Licht die Gebäude in sanfte Farben taucht. Dann ist der Domplatz einer der schönsten Orte, um in Spoleto einen Aperitivo zu genießen.
Thomas von Canterbury in der Ex-Chiesa SS Giovanni e Paolo
Versteckt in einer ruhigen Gasse der Altstadt liegt die Ex-Chiesa SS Giovanni e Paolo an der Via Flitteria in der Nähe des Teatro Nuovo. Von außen wirkt das ehemalige Gotteshaus unscheinbar, überrascht aber mit beeindruckenden Fresken, die teils bis ins 12. Jahrhundert zurückreichen.
Besonders bemerkenswert ist eine der ältesten erhaltenen Darstellungen des Heiligen Thomas von Canterbury in Italien. Das Fresko zeigt Szenen aus dem Leben des Heiligen, der im Jahr 1170 ermordet wurde, und gilt als kunsthistorische Kostbarkeit.
Sightseeing rund um die Altstadt: Premiata Farmacia Amici und romanische Kirchen
Von der Kirche aus kannst du, vorbei am Torre dell’Olio, über den Corso Garibaldi zur Piazza Garibaldi spazieren. Bergab findest du auf dem Corso jede Menge kleine Geschäfte und Boutiquen. Am Fuß der Altstadt, direkt an der Piazza findest du eine der ungewöhnlichen Sehenswürdigkeiten Spoletos: die Premiata Farmacia Amici. Die Apotheke blickt auf eine lange Geschichte zurück, die du in einem kleinen Museum im Untergeschoss kennenlernen kannst. Bekannt ist die Farmacia für den Amaro Nazzareno, einen hervorragenden Kräuterlikör, den du ausschließlich in der Apotheke kaufen kannst.
Nur einen Steinwurf entfernt von der Apotheke solltest du am anderen Ende der Piazza noch einen Blick in die Basilica San Gregorio Maggiore werfen. Die romanische Kirche ist eine der vielen weiteren Sehenswürdigkeiten rund um die Altstadt von Spoleto. Eine ebenfalls wunderschöne Kirche in romanischer Architektur, die Chiesa di San Pietro, liegt am südlichen Ortseingang von Spoleto. Eine verwunschene Treppe führt hinauf zur Kirche aus dem 11. Jahrhundert, deren Originalfassade teils noch erhalten ist.
Kulinarischer Tipp: Ristorante Il Tartufo
Unterhalb der Altstadt findest du an der Piazza Garibaldi das Traditionsrestaurant Il Tartufo. Seit 1927 ist es eine hervorragende Adresse für umbrische Küche und wird heute von Paolo Di Marco in dritter Generation geführt. Das Restaurant wirkt durch seine holzverkleidete Inneneinrichtung sehr urig, im Sommer stehen aber auch Tische auf der Piazza für die Gäste bereit. Natürlich gibt es viele Gerichte, bei denen der namensgebende und für Umbrien so wichtige Trüffel eine Rolle spielt. Aber auch für jemanden, der – wie ich – kein Freund von Trüffel ist, bietet die Karte eine köstliche Auswahl. Bei meinem Besuch haben mich ein knuspriger Canolo mit einer Füllung aus Kartoffeln und Salsiccia vom schwarzen Schwein begeistert. Als ebenso fantastisch habe ich den Hauptgang in Erinnerung – ein Schweinefilet mit einer Füllung aus Zichorie und Ricotta salata.
Ristorante Il Tartufo, Piazza Giuseppe Garibaldi 24, Spoleto
Unesco-Welterbe in Spoleto: die Langobarden-Kirche Basilica di San Salvatore
Leider war während meines Besuchs die Basilica di San Salvatore vorübergehend geschlossen. Die Basilika, deren Ursprünge bis ins 4. Jahrhundert zurückreichen, wurde während der Herrschaft der Langobarden im 6. Jahrhundert weiter ausgebaut. Die Langobarden waren es, die das mächtige Herzogtum Spoleto gründeten, das weite Teile Mittelitaliens beherrschte – seine Grenzen reichten im Osten bis zur Adria und im Süden bis nach Benevento. Spoleto war damals ein bedeutendes Machtzentrum und spielte eine zentrale Rolle in der Geschichte des Königreichs der Langobarden, das von 568 bis 774 n. Chr. bestand. Ich hätte sie liebend gern besichtigt, denn in der uralten Kirche wurden zahlreiche Säulen und andere Elemente alter römischer Gebäude verbaut.
Seit 2011 gehört sie zum UNESCO-Weltkulturerbe. Insgesamt sieben Orte und Machtzentren der Langobarden erhielten diese Auszeichnung. Zwei der Stätten befinden sich in Spoleto – die Basilica di San Salvatore und der Clitunno-Tempel 14 Kilometer nördlich der Stadt. Die anderen Langobarden-Stätten sind über ganz Italien verteilt, darunter in Monte Sant’Angelo am Gargano in Apulien.
Parken in Spoleto
Spoleto ist ein Traum für Fußfaule, die sich nur ungern durch steile Gassen quälen. Dein Auto kannst du auf einem von drei zentralen Parkplätzen am Fuße der Altstadt abstellen. Von dort lassen sich die Höhenmeter bis zur Spitze der Altstadt über Rolltreppen und Aufzüge zurücklegen, die – anders als in Deutschland – sogar funktionieren. Selbst die Burg Rocca Albornoziana kannst du auf diese Weise bequem und ohne anstrengenden Aufstieg in nur wenigen Minuten erreichen.
Deposito di Santo Chiodo – ein Krankenhaus für Kunstwerke
Bei meinem Aufenthalt in Spoleto hat sich mir eine einmalige Gelegenheit geboten: das Deposito di Santo Chiodo öffnete seine Touren für einen besonderen Besuch. Es ist ein einzigartiger Ort für alle Kunst- und Kulturfans.
Mitten im Industriegebiet liegt die auf den ersten Blick unscheinbare Lagerhalle. Doch dann fallen die vielen Kirchenglocken rund um die Halle in den Blick. Man ahnt, dass hinter sich hinter den großen Eingangstoren keine normale Firma verbirgt.
Was passiert im Deposito di Santo Chiodo?
Das Deposito di Santo Chiodo ist sowas wie ein Krankenhaus für Kunstwerke, die bei den verheerenden Erdbeben von 2016 in Mittelitalien beschädigt wurden. Unzählige Kunstschätze, Stücke von Kirchenfassaden, Fresken, Gemälde, Statuen, Textilien und noch viel mehr haben in der Lagerstätte eine neue Heimat gefunden. Im Deposito werden sie von einem engagierten Team sortiert, konserviert und in mühevoller Kleinstarbeit restauriert. Eine Herkulesaufgabe, denn die Bruchstücke und Kunstwerke gehen in die Tausende.
Jede Halle in der großen Lagerstätte hat ein eigenes Mikroklima – je nach Art der historischen Schätze, die hier ein Zuhause gefunden haben. Bemerkenswert ist nicht nur, wie vor Ort Stück für Stück zerbrochene Fresken wieder zusammengesetzt werden. Auch die vielen Gemälde, die in herausziehbaren Regalen schlummern, beeindrucken allein durch die schiere Menge. Das Ausmaß der Zerstörung beim Erdbeben in Umbrien sowie in den Abruzzen und Marken lässt sich in dieser Sammlung erahnen.
Und kein Ort in Spoleto vereint so viel Traurigkeit und Hoffnung wie das Krankenhaus für Kunstwerke. Ziel ist es, irgendwann alle Kunstschätze wieder an ihre Ursprungsorte zurückzubringen. Doch viele der zerstörten Kirchen sind bis heute nicht wieder aufgebaut. Damit die vielen Artefakte dennoch nicht in einem Archiv verschwinden, ist ein großer Ausstellungskomplex in der Nähe des Deposito di Santo Chiodo in Planung. Wann er genau eröffnet wird, ist noch nicht klar. Aber dann soll endlich wieder ein großer Teil der beschädigten Kunstwerke für die Öffentlichkeit zugänglich sein.
Rauf auf’s Rad!
Nach vielen tollen Sightseeing-Erlebnissen in Spoleto gilt es für mich schließlich, sportlich aktiv zu werden. Die Fahrräder stehen bereit und gemeinsam mit einer Gruppe Journalisten geht es auf große Fahrradtour. Was dich als Fahrrad-Urlauber rund um Spoleto erwartet und wie es mir als Radmuffel auf dem Drahtesel ergangen ist, verrate ich dir in diesem Beitrag.
Mein Dank geht an die Italienische Handelskammer für Deutschland sowie die Camera di Commercio dell’Umbria für die Organisation und Einladung zur Reise nach Spoleto. Der Inhalt dieses Artikels ist davon unbeeinflusst und spiegelt genauso wie die Berichte über meine selbstorganisierten Reisen meine eigene Meinung wider. Für den Beitrag erhalte ich keine Vergütung.
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