Zu meinen Lieblingskochbüchern zählt ohne Zweifel „Jerusalem“ von Yotam Ottolenghi und Sami Tamimi. Mit viel Liebe zum Detail und raffinierten Rezepten haben die beiden Köche darin das kulinarische Erbe der Stadt beschrieben, in der die Grenzen zwischen Israel und Palästina, zwischen jüdischer und muslimischer Küche verschwimmen. Das Buch entwickelte sich binnen kürzester Zeit zum Kochbuch-Klassiker. Mit Sami Tamimis „Palästina. Das Kochbuch“ gibt es nun eine Fortsetzung, die den Blick auf die reichhaltige Küche der Palästinenser richtet. Kann das Kochbuch mit „Jerusalem“ mithalten?
Satte 110 Rezepte präsentieren Sami Tamimi und seine Co-Autorin Tara Wigley, die im Ottolenghi-Umfeld fürs Schreiben zuständig ist. Sie hat vor allem die Geschichten verfasst, die das Buch begleiten. Statt auf arabisch-palästinensische Folklore blickt sie hauptsächlich auf Zutaten, kulinarische Hintergründe und die politisch-soziale Situation, die sich in der Küche Palästinas spiegelt.
Alltagsküche oder Kochkunst?
Die Gerichte in „Palästina. Das Kochbuch“ sind ähnlich opulent wie in „Jerusalem“, die Zutatenlisten entsprechend lang. Schnelle Küche sind die wenigsten Rezepte, allein schon, weil im Nahen Osten Gerichte gerne lange schmoren, die Zutaten in der Vorbereitung gut marinieren oder eingelegt werden. Das war bereits bei „Jerusalem“ die einzige Hürde, doch in beiden Büchern wartet unglaublicher Kochspaß und Genuss, sobald man sich auf die Rezepte einlässt.
Das liegt vor allem daran, dass die Anleitungen klar beschrieben sind und auf den ersten Blick zeigen, was sich gut vorbereiten lässt. Sowas wünsche ich mir für viele Kochbücher, hier ist es wirklich gut gelöst. Zusätzlich gibt es bei fast jedem Gericht Hinweise auf Alternativen – sei es, um schwerer erhältliche Zutaten zu ersetzen oder um die Gerichte mit weiteren Aromen zu ergänzen und das Rezept abzuwandeln. Das Experiment mit den Gerichten ist gleich mitgedacht, was ganz in der Tradition der Ottolenghi-Bücher steht: Rezepte sind nicht in Stein gemeißelt, sondern leben von den Köchen und was ein Tami Samimi oder Yotam Ottolenghi in der Küche macht, musst ich noch lange nicht genauso machen. Meine Küche, mein Geschmack!
Tradition oder Moderne?
So hangelt sich auch Tami Samimi weder nur an Klassikern entlang oder bleibt der Tradition verhaftet, sondern er geht seinem Wunsch nach, Gerichte zu aktualisieren und weiterzuentwickeln. Jedenfalls, solange sie ihre Geschichte erzählen und nicht zu avantgardistisch werden. Ein modernes palästinensisches Kochbuch habe er schreiben wollen und das ist ihm ganz klar gelungen.
Die Rezepte machen schon beim Blättern hungrig und wollen am liebsten alle sofort nachgekocht werden. Ein paar Gerichte gibt es so oder ähnlich schon in „Jerusalem“ (z.B. das Grundrezept für Hummus), aber insgesamt ist der Blick frisch. Obwohl die palästinensische Küche insgesamt fleischlastig ist, findet „Palästina. Das Kochbuch“ eine gute Balance zwischen vegetarischen Rezepten und Gerichten mit Fisch und Fleisch.
Die köstlichsten Rezepte
Ein besonderes Highlight sind Makdous – eingelegte Auberginen, die mit gehackten Walnusskernen, Knoblauch und Kräutern gefüllt sind. Es zählt zu den Rezepten mit Vorlauf, muss das Gemüse doch zwölf Tage fermentieren.
Als Feigen-Fan freue ich mich auch auf die gebackenen Feigen und Zwiebeln mit Radicchio und Ziegenkäse – ein Rezept, das sich zum Erscheinungstermin im Frühjahr noch nicht umsetzen lässt, aber das Wasser im Mund zusammenlaufen lässt. Sobald die Feigensaison beginnt, steht es ganz oben auf meiner Rezeptliste. Verfeinert wird der Salat noch mit Minzblättern, gerösteten Walnusskernen und einem Dressing mit Honig, Granatapfelsirup und Balsamico.
Zudem schafft „Palastina. Das Kochbuch“ etwas, was wenigen Kochbüchern gelingt: mich auf eine Suppe neugierig zu machen. Normalerweise bin ich kein großer Suppenfan (zu viel zum Schlürfen, zu wenig zum Kauen), aber die Kürbissuppe mit Safran, karamellisierten Pistazien und Kräutersalsa begeistert mich sofort. Die Pistazien karamellisiert man dabei in einer Mischung aus Ahorn- und Zuckerrübensirup, Orangenblütenwasser und Isot Biber, was ihnen einen süß-feuriges Aroma gibt.
Auch sehr lecker: Hähnchen-Musakhan, ein palästinensisches Nationalgericht. Eines der einfachsten Gerichte im Buch und deshalb ein guter Einstieg. Das Hähnchen kommt mit Kreuzkümmel, Sumach, Zimt, Piment und Pfeffer gewürzt in den Ofen und wird später mit gut gewürzten, gedünsteten Zwiebeln und Pinienkernen serviert. Ein Gedicht!
Fazit
Zweifellos: Tami Samimi knüpft mit „Palästina“ nahtlos an „Jerusalem“ an. Selten findet man in einem Kochbuch so viele wundervolle Gerichte, die man sofort nachkochen will. Auch wenn es Fortsetzungen immer ein wenig schwerer haben, so hat „Palästina. Das Kochbuch“ das Zeug zu einem Klassiker. Auf jeden Fall bietet es mit seinen weit über 100 Rezepten für die nächsten Jahre ähnlich viel Kochvergnügen wie schon „Jerusalem“.
Sami Tamimi, Tara Wigley
„Palästina. Das Kochbuch“
(Dorling Kindersley)
ISBN 978-3-8310-3982-1, 352 Seiten, € 28
Fotos: © Ebury Press, Jenny Zarins, f.d.dt. Ausgabe: Dorling Kindersley Verlag
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