„Genial italienisch“ von Jamie Oliver gehört sicherlich zu jenen Italien-Kochbüchern, die in jedem gut sortierten Kochbuch-Regal stehen. Erschienen zur Hochzeit des Hypes um den „Naked Chef“ war es ein Rundumschlag durch die italienische Küche, perfekt abgestimmt auf den Mainstream-Markt. Mit „Jamie kocht Italien“ ist der britische TV-Koch wieder kulinarisch in das Land zurückgekehrt, das seine Küche nachhaltig geprägt hat. Mitgebracht hat er jede Menge Rezepte italienischer Großmütter.
Gleich vorweg: Es gibt bessere italienische Kochbücher. Aber kaum eins hält so gut die Balance zwischen Coffee-Table-Buch und tatsächlicher Motivation zum Nachkochen wie „Jamie kocht Italien“. Sich sattsehen (oder hungrig werden) kann man auch in der gleichnamigen TV-Show zum Buch. Sie führt den Koch in acht Ecken Italiens. Neben vielen Dolce Vita-Klischees zeigt er darin zusammen mit Mentor Gennaro Contaldo, was die italienische Küche so liebenswert macht. Heißt: alte Frauen am Herd, die Kochtraditionen mit nostalgischer Wehmut und viel Herzblut bewahren.
Dieses Gefühl möchte auch „Jamie kocht Italien“ in Buchform vermitteln. Das gelingt vor allem mit den vielen Fotos, die Lust auf Bella Italia im Kochtopf machen. Abgesehen von den Italien-Impressionen und Food-Fotos, die das Wasser im Mund zusammenlaufen lassen, ist „Jamie kocht Italien“ ein insgesamt schnörkelloses Kochbuch. Im Mittelpunkt stehen eindeutig die Rezepte. Sie sind klassisch von Antipasti über Primi wie Pasta oder Reis, Secondi aus Fleisch und Fisch bis Desserts eingeteilt. Große Geschichten rund um die Gerichte fehlen. Zwei, drei Sätze pro Rezept müssen reichen, dann wird gekocht.
Jamie Olivers Rezepte – Klassier und italienisch inspiriert
Der überwiegende Teil der Rezepte ist recht einfach umzusetzen. Wer Jamie kocht, möchte auch schnell gute Resultate. Das ist nicht schlecht, gerade weil die italienische Küche weniger auf Chichi als auf gute Zutaten setzt. Bei den Gerichten setzt der TV-Koch auf eine bunte Mischung aus breiten Klassikern und Familienrezepten aus der Regionalküche.
Nicht alles ist original Italienisch im neuen Oliver-Kochbuch. Mangoldchips mit Ricottacreme, Sardellen und Chilistaub basieren zwar auf italienischen Zutaten, sind aber eine Jamie-Eigenkreation. Den Panzanella, ein Standard in vielen Italien-Kochbüchern, hat Jamie Oliver mit gerösteten Tomaten und Seafood-Spießen abgewandelt. Auch das süßsaure Kaninchen mit Lorbeer, Mandeln und Pinienkernen von Italien inspiriert und wird in der TV-Show vorgekocht.
Besonders schön ist das Pasta-Kapitel, das auf der einen Seite Evergreens wie Cacio e Pepe, Amatriciana und Carbonara präsentiert. Letztere aufgepeppt mit Steinpilzbröseln. Zum anderen gibt es genug zu entdecken an ungewöhnlicheren Nudelgerichten wie Tagliatelle mit Maronen oder Cavatelli mit Wurst, Chili und Thymian. Besonders schön sind auch die vielen Oktopus-Gerichte und die fruchtigen Rezepte im Buch. Allen voran der Salat mit gegrillten Aprikosen, der im Sommer sicherlich auf meinem Speiseplan steht. Oder auch die Zitronentarte von der Amalfitana. Bei dieser wäre allerdings ein Hinweis wichtig gewesen, dass Zitrone nicht gleich Zitrone ist und die Tarte je nach Sorte zu sauer schmecken kann.
Toll sind auch die vielen alltagstauglichen Gerichte. Sie lassen zahlreiche Variationen zu. Polenta-Gnocchi zum Beispiel – in der Saucenauswahl ist der Phantasie jenseits von Pesto bei ihnen keine Grenze gesetzt. Und auch die Gefüllte Focaccia mit Bohnen, Zitrone, Pecorino und Petersilie macht unter der Woche ratzfatz eine ganze Familie satt.
Fazit
Selbst wenn man das ein oder andere Rezept schon kennt, ist „Jamie kocht Italien“ eine gelungene Fortsetzung des Kochbuch-Klassikers „Genial Italienisch“ vom Naked Chef. Welche der Rezepte allerdings tatsächlich von Jamie Oliver stammen, ist schwer zu sagen. Der TV-Koch strahlt auf dem Cover fröhlich die Pasta an, doch ein Jamie-Kochbuch ist immer ein Werk, an dem viele Hände zugange waren. In seinem Multimillionen-Koch-Imperium aus Restaurants, TV-Shows, Merchandise und Kochbüchern ist Jamie Oliver vor allem das Gesicht, das die Rezepte in den Mainstream trägt. Im Hintergrund werden diese von einem Team von Köchen und Autoren gekocht, getestet und angepasst. Entsprechend lang liest sich die Danksagung am Ende von „Jamie kocht Italien“. Wen das nicht stört – und bei den Ottolenghis, Mälzers und Schuhbecks der Kulinarik-Szene ist es auch nicht anders – dem steht die Kochwelt weit offen.
Jamie Oliver
„Jamie kocht Italien“
(Dorling Kindersley)
ISBN 978-3-8310-3584-7, 408 Seiten, € 26,95
Fotos in diesem Beitrag © Jamie Oliver Enterprises Limited, David Loftus, für die dt. Ausgabe Dorling Kindersley Verlag
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