Oh, wie schön ist Venezia! Man kann sich an der Lagunenstadt im Norden Italiens kaum sattsehen. Da wird auch sicherlich ein weiterer opulenter Bildband über die Serenissima nicht schaden. „Zu Gast in Venedig“ von Christine Gräfin von der Pahlen nimmt uns Leser mit in die mythische Stadt und zeigt, wo man in Venedig wundervoll speisen kann. Die passenden Rezepte gibt es gleich dazu. Wohl wissend, dass sie nie im Leben jemand nachkochen wird.
Als die wunderschöne Kochbuchreihe „Zu Gast in…“ vor vielen Jahren im Callwey-Verlag startete, war sie etwas ganz Besonderes. Sie vereinte die Opulenz von Coffee Table-Books mit aufwendiger Haptik und lebensnahen Rezepten, die Lust aufs Kochen machten. Man hatte das Gefühl, dass die Reihe Maßstäbe setzen würde.
Doch mit jedem Band wurde die Enttäuschung größer. Die Rezepte entfernten sich zunehmend von der Kochrealität, die Reise- und Restauranttipps wirkten streckenweise wie Hochglanz-Hotelprospekte, durch die der Hauch des Luxus wehte. Aber immerhin: jedes Buch der Reihe sah durchweg gut aus. Coffee-Table-Oberflächlichkeit in Vollendung, bei der man jede umgeblätterte Seite mit einem sehnsüchtigen Seufzer quittiert.
Zuletzt habe ich einen Bogen um die Bücher gemacht. In der Hoffnung, man habe sich auf die qualitativ hochwertigen Wurzeln besonnen, wollte ich dem neuesten Eintrag in die Reihe, „Zu Gast in Venedig“, eine Chance geben. Schließlich ist die kulinarische Bandbreite in der Lagunenstadt besonders groß.
Zu Gast in Venedig – sehnsuchtsvolle Fotos
Der erste Eindruck ist wie immer gut. „Zu Gast in Venedig“ besticht durchgehend mit wundervollen Fotos. Die Serenissima in all ihrer Pracht – der Bildband inszeniert die Stadt als einen absoluten Sehnsuchtsort. Venedig-Feeling pur. Auch das geschmackvolle Layout ist nach wie vor top. Hier blättert man gerne, alles wie gehabt – im positiven, aber auch im negativen Sinne.
Luxus in Venedig – edel geht die Welt zugrunde
Denn kratzt man an der Hochglanz-Oberfläche, ist der Lack schnell ab. Anspruchsvolle Restaurants lasse ich mir noch gefallen. Und ich esse auch gerne in Restaurants mit Michelin-Empfehlung. Wenn aber nahezu alle vorgestellten Osterien und Restaurants zu den hochpreisigsten Gourmettempeln Venedigs zählen, die die norditalienische Stadt zu bieten hat, dann tropft aus dem Buch der Snobismus.
Entsprechend stammen auch die Rezepte aus den Edelküchen der Lagunenstadt. Diese kannst du zu Hause problemlos nachkochen – sofern sich in deiner Küche eine sternedekorierte Küchenbrigade tummelt. Die Gerichte sind so over the top, dass sie fast vor Arroganz triefen. Erlesenste Zutaten, garantiert hochpreisig, nichts für den Pöbel. Beispiele gefällig? Wie wäre es mit den Mezzi Paccheri, die du mit einem garantiert günstigen Tartar aus Rotgarnelen- und Langustenschwänzen, Bernsteinmakrelen- und Rotbarbenfilets sowie Hummerfleisch garnierst? Oder doch lieber die in drei raffinierten Tempura-Teigen frittierten Acquadelle mit vakuumgegarten Salzzitronen, Carpione, schwarzer Béarnaise und Ponzu-Soja-Sauce?
Nachgekocht hat Gräfin von der Pahlen wohl keins der Rezepte. Muss sie auch nicht, wenn sie sich eher als dokumentierende Herausgeberin sieht. Doch selbst dann sollten Rezepte auf Plausibilität geprüft werden. Und das sind sie nicht immer. Letztendlich ist aber auch das egal. Die offensichtliche Zielgruppe des Buchs aus Luxusverwöhnten dürfte davon nichts merken, da sie in ihren teuren High-End-Küchen ohnehin nicht kocht. Dafür buchen die Damen und Herren aber vermutlich direkt den nächsten Luxusurlaub in Venedig. Rein in den Privatjet und ab dafür…
Christine Gräfin von der Pahlen, Mayk Wendt
„Zu Gast in Venedig“
(Callwey)
ISBN 978-3-7667-2715-2, 240 Seiten, 45 €
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