Das Leben ist zu kurz für schlechtes Olivenöl. Und trotzdem: Was in deutschen Supermärkten als „Olivenöl nativ extra“ in den Regalen steht, hat wenig mit Qualität zu tun. Doch wie erkenne ich ein gutes Olivenöl? Wie muss es schmecken? Bei meiner Olivenöl-Reise in die andalusische Provinz Jaén habe ich an einem Schulungsworkshop teilgenommen, um Antworten auf genau diese Fragen zu bekommen. Denn beim Olivenöl gilt vor allem eins: Probieren geht über Studieren.
Irgendwo im Nirgendwo zwischen der andalusischen Provinzhauptstadt Jaén und dem Renaissance-Städtchen Bailén liegt das Olivenöl-Museum Terra Oleum. Der moderne Bau mit der goldgelben Stahlfassade ist mitten in die sanften Hügel von Mengíbar geklotzt. Zufällig verirren sich hier nur wenige Touristen hin. Diejenigen, die kommen, verlassen das Bildungs- und Informationszentrum mit angeschlossenem Labor jedoch deutlich schlauer. Olivenbauern aus der Region können die Qualität ihres Öls bei Francisco Rodriguez Moreno testen lassen. Wer sein Olivenöl zu ihm bringt, muss allerdings ein dickes Fell haben. Seit 2007 arbeitet der Biologe mit dem kurzen Spitzbart bei Terra Oleum. Als Cheftester weiß er, wie bestes Olivenöl schmecken muss. Jeder noch so kleine Defekt fällt ihm sofort ins Auge. Entsprechend streng sind seine Urteile.
Wenn Olivenöl nach Essig schmeckt
Im Tasting Circle, einem Schulungsraum, der mit seinen futuristisch beleuchteten Tischen an die Kommandostation eines Raumschiffs erinnert, freut sich Francisco Rodriguez Moreno allerdings über die zahlreichen geschmacklichen Fehlnoten im Olivenöl. Die hat er nämlich selbst produziert, extra für die Schulung, indem er die Oliven tagelang im Plastikbeutel aufbewahrt und das Öl besonders unsauber verarbeitet hat. Das Öl in dem kleinen blauen Gläschen verströmt einen ekelerregenden Essiggeruch, der Geschmack erinnert an gekorkten Wein. Die exakten Noten, die man wahrnimmt – positive wie negative –, hängen von der Geschmacksbibliothek des eigenen Gaumens ab und den Dingen, an die ein Öl erinnert.
Rodriguez Moreno kann sich in seinem weißen Laborkittel ein Grinsen nicht verkneifen. Offenbar hat er nicht gedacht, dass seine wissbegierigen Schulungsgäste so wagemutig sind, das selbstgepanschte Olivenöl zu probieren. Vor allem, nachdem die Probe zuvor schon kein Highlight war. Die roch sauer und ranzig, nach überreifer Melone und Feuchtigkeit. Schon durch den Geruch war klar, dass es sich auch bei diesem Öl um keins mit dem Gütesiegel „nativ extra“ handelt – der höchsten Qualitätsstufe. „Es könnte daran liegen, dass die Olive zu viel Wasser enthält oder vor der Verarbeitung zu lange gelagert wurde“, erklärt Francisco Rodriguez Moreno. „Der muffige und überreife Geschmack weist darauf hin, dass der Tag der Ernte vermutlich regnerisch war, der Boden vielleicht sogar matschig. Das ist Lampantöl, das von Olivenöl nativ extra weit entfernt ist.“
Güteklassen von Olivenöl – welche ist die beste?
Rund ein halbes Dutzend Güteklassen von Olivenöl gibt es, wovon „nativ extra“ oder „virgen extra“, wie man in Spanien sagt, die höchste Stufe ist. Labortechnisch darf es höchstens 0,8 g Ölsäure pro 100 g und muss einen hohen Polyphenolanteil enthalten. Sensorisch muss es perfekt sein. Noten von frisch gemähtem Gras, Artischocke, Strauchtomaten, Mandel, mediterranen Kräutern, grüner Banane und Apfel sind gewünscht und weisen auf ein gutes Öl hin. Defekte und Fehlnoten sind darin tabu.
Die zweithöchste Qualitätsstufe „nativ“ hat immer noch eine hohe Qualität, weist aber leichte Fehler auf. Lampantöl dagegen ist voller Defekte und nicht für den menschlichen Verzehr geeignet. Es wurde früher als Brennstoff von Öllampen benutzt. Steht auf dem Etikett nur Olivenöl, kauft man ein raffiniertes Öl, das einen chemischen Prozess durchlaufen hat. Eines der größten Probleme der Branche ist der Unterschied in den Bezeichnungen und die mangelnde Aufklärung der Verbraucher über die Qualität der einzelnen Labels.
Supermärkte in Deutschland verkaufen fast ausschließlich Olivenöl Nativ Extra, raffiniertes oder natives Olivenöl findet man kaum. Zumindest laut Etikett. Was in die Flaschen gefüllt wurde, ist eine andere Sache. „Man muss den Leuten klarmachen, dass man für 5 Euro kein Olivenöl der höchsten Qualitätsstufe erwarten kann“, sagt die Olivenöl-Expertin und -Sommelière Kerstin Barduhn aus Hamburg. Sie arbeitet international als Olivenöl-Consultant und leitet Olivenölseminare für Unternehmen und Privatleute. „Man kann sich nicht nur auf das Label verlassen, dass einem ‚nativ extra‘ verspricht. Man muss das Öl wie einen Wein mitnehmen und zu Hause probieren.“
Das Problem mit der Lieferkette
Problematisch ist auch, dass die Regulierung nur bis zur Kategorie „nativ extra“ reicht. Wer bestes Olivenöl kaufen möchte, müsste nach Premium-Ölen Ausschau halten, die ein bis zwei Prozent der Produktion ausmachen. Doch die Bezeichnung dafür ist nicht reguliert. „Wenn man einen noch höheren Standard einführen will, müsste man dafür zunächst Qualitätskriterien zur Evaluation einführen“, gibt Francisco Rodriguez Moreno zu bedenken. Und selbst wenn das Olivenöl den allerhöchsten Qualitätskriterien entspricht, empfiehlt der Terra Oleum-Cheftester, mehr Wert auf die Lieferkette und den Transport zu legen.
So werde die Lagerzeit bei vielen Ölen im Supermarkt überschritten, weil diese nicht gut genug gekennzeichnet sind. „Olivenöl ist letztlich der Saft einer Frucht und sollte auch so behandelt werden. Die Kooperative Picualia stellt beispielsweise ein exzellentes Öl her, das sie bis zur Abfüllung stark kontrollieren. Aber ab dem Transportweg können sie nicht mehr absehen, was mit ihrem Öl passiert und wie es auf dem Weg nach Übersee gelagert wird. Wenn es auf dem Transportweg auf Temperaturen um den Gefrierpunkt abkühlt, verflüchtigen sich viele Qualitätsmerkmale im Geschmack und Geruch.“
Der Verkosterkreis schnüffelt unterdessen am nächsten Öl, das nach reifen Früchten riecht. Es ist schon leicht oxidiert und schmeckt nicht mehr frisch. „Die Süße im Mund schwankt zwischen positiv und negativ. Das Öl ist seit einem Jahr in der Flasche“, verrät Olivenspezialist Rodriguez Moreno. Die Oliven der Sorte Arbechina habe man vermutlich zu früh gepflückt, so dass sie die Lagerfähigkeit von einem Jahr nicht erreicht. Erntet man zum optimalen Zeitpunkt, macht dies das Öl viel stabiler. Allerdings können Arbechina-Oliven die Aromen ohnehin nicht so lange konservieren wie die beliebteste Olivensorte Picual. Sie wird für 50 % des spanischen Olivenöls verwendet, insbesondere in der Provinz Jaén.
Nach all den Proben mit Fehlnoten und unzähligen Defekten freut sich Francisco Rodriguez Moreno, dass sich die Mienen seiner Schulungsgäste beim letzten blauen Gläschen aufhellen. Ein angenehmer Duft nach frisch gemähtem Gras, der Geschmack von roten Tomaten, Artischocken und eine leichte Würze. Ein gutes Olivenöl. Die Oliven grün geerntet, keine Wartezeit vor der Verarbeitung. Und doch sieht es für einen Moment so aus, als husche Francisco Rodriguez Moreno auch hier ein kurzer kritischer Blick übers Gesicht. Es ist eben nicht einfach, stets auf der Suche nach dem besten Olivenöl zu sein.
Wie verkoste ich Olivenöl?
Zunächst füllst du jeweils ein wenig der zu verkostenden Olivenöle in blaue Probiergläschen. So lassen sich die Verkoster nicht von der Farbe des Öls beeinflussen. Diese könnte etwas über den Erntezeitpunkt oder die Oxidation des Öls verraten. Allerdings nicht zwangsläufig. Die Gläschen deckst du ab, damit die Aromen nicht verfliegen.
Zunächst wärmst du mit der Hand das Glas mit dem Öl an, das du verkosten möchtest. Die Aromen verflüchtigen sich ab einer Temperatur von 28 Grad. Dann riechst du am Olivenöl, um zu schauen, ob es abschreckende Gerüche im Öl gibt und welche positiven Noten du wahrnehmen kannst. Die Attribute ordnet man positiven und negativen Eigenschaften zu. Positive Attribute sind frische Elemente wie grüne pflanzliche Noten. Negative Düfte sind Heu, Feuchtigkeit, Gurke oder ranzige Noten. Sie wirken abschreckend und beziehen sich oft auf den Ernteprozess, den Transport oder die Verarbeitung in der Fabrik. Wenn dort etwas schiefläuft, kannst du es als Defekte riechen und schmecken.
Als nächstes probierst du das Olivenöl: Du nimmst einen kleinen Schluck auf die Zungenspitze und saugst durch die geschlossenen Zähne zwei-, dreimal ein wenig Luft ein, um das Aroma und den Geschmack im Mundraum zu verteilen. Das Öl sollte würzig-pikant, bitter oder süßlich sein. Das sind normalerweise positive Qualitäten. Schmeckt es zum Beispiel säuerlich, ranzig, stichig, holzig oder verbrannt, sind dies deutliche Fehlnoten.
Nach jedem getesteten Olivenöl notierst du deine Eindrücke. Wichtige Fragen sind beispielsweise: Welche Aromen kannst du wahrnehmen? Sind Bitternoten und Schärfe vorhanden, halten diese lang an oder sind sie eher kurz? Sind sie angenehm oder aufdringlich? Wie ist die Schärfe, wie kräftig ist das Öl? Wie ist die Textur des Olivenöls im Mund? Ist das Olivenöl adstringierend oder tanninhaltig? Wie harmonisch ist es?
Nach jeder Probe neutralisierst du den Geschmack des zuvor getesteten Olivenöls mit einem Stück Weißbrot, einem Stück grünem Apfel oder einem Schluck Wasser. Auf diese Weise kannst du dich durch verschiedene Olivenöle probieren und testen, welches Öl deinem persönlichen Geschmack am besten entspricht.
Wie lagere ich Olivenöl?
Die goldene Regel lautet: Das Olivenöl sollte immer dunkel und nie zu kalt gelagert werden. Im Kühlschrank hat es nichts zu suchen, bei Zimmertemperatur in einem Schrank ist es bestens aufgehoben. Niemals die Flasche offen stehen lassen, da das Öl sonst oxidiert. Auch in kleinen Ölkännchen fühlt es sich nicht wohl, da diese nur schwer zu reinigen sind und Rückstände von alten Ölen dafür sorgen, dass das Olivenöl ranzig wird. Olivenöl ist ein empfindliches Produkt, das am besten frisch schmeckt. Auf Vorrat solltest du es nur kaufen, wenn du einen wirklich hohen Verbrauch hast. Gleiches gilt für Kanister und Flaschen mit Mengen über einem Liter. Diese lohnen sich nur für Restaurants, die das Öl in wenigen Tagen aufbrauchen. Das Olivenöl solltest du spätestens nach ein Jahr nach der Abfüllung aufbrauchen, nach dem Ablaufdatum hat es deutlich an Qualität eingebüßt.
Was macht Olivenöl so gesund?
Olivenöl ist eine wichtige Zutat in der mediterranen Diät und ein echter Allrounder. Und das seit tausenden von Jahren! Sicher ist, dass die Polyphenole im Olivenöl gut für die Gesundheit sind. Sie wirken antioxidativ, entzündungshemmend und schützen vor Krebs. Je mehr Polyphenole ein Olivenöl enthält, desto gesünder ist es. Gerade hochwertige Olivenöle haben oft einen besonders hohen Polyphenolanteil, der den Geschmack des Öls intensiver, bitter und pfeffriger macht. Auch der Gehalt an Ölsäure ist ein wichtiger Faktor für gesundes Olivenöl. Auch hier gilt: je höher, desto besser. Sie schützt vor Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Daneben enthält Olivenöl noch viele andere Inhaltsstoffe, die es zu einem wahren Wunderwerk der Natur machen! Übrigens: Olivenöl ist nicht nur ein gesundes Lebensmittel zum Kochen. Als Pflegeprodukt stärkt es spröde Haare und sorgt für neuen Glanz. Auch als Hausmittel macht es deine Hände anstatt einer teuren Handcreme wieder geschmeidig.
Vielen Dank an die Cámara de Comercio de Linares, die mich zu der Reise auf den Spuren des Olivenöls nach Andalusien eingeladen hat.
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