Das karibische Flair am Capo Vaticano und in Tropea hat uns extrem gut gefallen. Die weißen Strände und das glasklare Wasser in der Region werden uns lange in Erinnerung bleiben. Aber es ist Zeit, das quirlige Städtchen zu verlassen, denn am nördlichen Zipfel Kalabriens wartet eine ganz besondere Unterkunft auf uns: in Praia a Mare haben wir uns in einem echten Schloss mit 800-jähriger Geschichte eingemietet. Auf dem Küstenabschnitt zwischen Tropea und Praia a Mare warten unterdessen jede Menge pittoresker Dörfer und Badeorte darauf, entdeckt zu werden.
Natürlich nehmen wir wieder die Küstenstraße in den Norden, denn diese besticht mit wundervollen Ausblicken auf das Meer, das sich auf der Strecke in seiner ganzen Pracht zeigt. Den baulich tristen Badeort Falerna Marina merken wir uns, weil die Strände hier unendlich lang sind und das türkisfarbene Meer verführerisch leuchtet. Auf einen kleinen Badehalt verzichten wir allerdings, denn unser Etappen-Ziel ist Amantea, das nur 25 Kilometer weiter nördlich liegt.
Was du in Amantea entdecken kannst
Amantea verzaubert uns auf Anhieb. Der Ort ist zweigeteilt: Auf einem Hügel liegt die verwinkelte Altstadt mit der Ruine einer byzantinischen Burg. Unterhalb ist seit dem 19. Jahrhundert ein Küstendorf gewachsen, dessen Kern die großzügig angelegte Piazza Unitò d’Italia ist. Auch wenn sich Amantea mittlerweile als beliebter Badeort einen Namen gemacht hat, verfolgt die Stadt ein dunkles Kapitel der kalabrischen Mafia-Organisation ’Ndrangheta. In der Nähe von Amantea strandete Ende 1990 der Frachter Jolly Rosso. Die vermutete Giftmüll-Ladung ließ die ’Ndrangheta in einer Nacht-und-Nebel-Aktion verschwinden. In den folgenden Jahren stiegen die Krebsfälle in der Gegend des Oliva-Flusses immens und bei Untersuchungen wurden dort Cäsium 137 und eine um sechs Grad erhöhte Bodentemperatur festgestellt. Schattenseiten, von denen man als Tourist nur wenig mitbekommt.
In der verwunschenen Altstadt, in die eine Serpentinenstraße sowie eine Reihe Treppen hinaufführen, ist vom einstigen Giftmüll-Skandal nichts mehr zu spüren. Die Gemeinde hat sich sichtlich Mühe gegeben, in das Erscheinungsbild zu investieren. Der Corso Umberto ist hell gepflastert und wirkt besonders freundlich und einladend. Von der Osteria Dintra u Strittu aus bietet sich abends ein toller Blick über den Corso und Amantea.
Weiter bergauf und bis zur Ruine am Ende der Altstadt führen kleine Gässchen, die mit aufgespannten Regenschirmen dekoriert sind. Nachdem wir bei knapp 34 Grad aber schon zu Fuß bis zum Corso ins Centro Storico getigert sind und verschwitzt und außer Atem hoch zum Castello blicken, entscheiden wir uns gegen die letzten Meter zu den Resten der Burg. Unsere nächste Station soll uns ohnehin in höhere Gefilde führen: nach Fiumefreddo Bruzio, eines der borghi più belli d’Italia. Also nichts wie zurück zum Auto, das wir über ein Geflecht von Treppen erreichen, die uns an einem weiteren kleinen Platz vorbeiführen. Mit der dortigen Weinbar und seinen Wandmalereien sieht der Platz sehr einladen aus. Abends dürfte hier die Post abgehen!
Fiumefreddo Bruzio – Geheimtipp mit Charme und Panoramablick
Ein paar Kilometer weiter im Norden führen uns steile und abenteuerlich kurvige Serpentinen auf etwa 220 Meter über den Meeresspiegel. Fiumefreddo Bruzio heißt das kleine Bergdorf, dessen Ruf als eines der schönsten Dörfer Italiens weit über die Grenzen Kalabriens reicht. Viel los ist hier nicht. Es ist der frühe Nachmittag, die Bewohner haben sich in ihren Häusern versteckt und verdauen die mittägliche Pasta. Nur ein Mann mit einem grimmig dreinblickenden Hund geht in den leeren Gässchen spazieren.
Fiumefreddo Bruzio hat gerade einmal 3000 Einwohner, von denen die wenigsten im mittelalterlichen Kern des Dorfes leben. Fast scheint es, als gebe es im Centro Storico für jeden der wenigen Bewohner eine eigene Piazza. Immer wieder öffnen sich von den schmalen Gassen aus großzügige Plätze. Nicht nur die vielen Plätze fallen ins Auge, das Dorf versprüht eine geradezu beruhigende Aura. Hier fühlt man sich augenblicklich wohl, auch weil Fiumefreddo Bruzio durch die Lage auf dem Berg an vielen Stellen atemberaubende Aussichten auf das weite Meer und die Küste bietet. Von der Piazza Europa führt ein schmales Gässchen zu einem der besten Aussichtspunkte am Largo Torretta.
Kulinarischer Tipp
Im Restaurant La Torretta kannst du abends in romantischer Atmosphäre essen. Oder tagsüber an der Bar mit einem Espresso die Lebensgeister wieder aufwecken. Von hier aus bietet sich der beste Rundumblick auf die Küste und die Burgruine am Ende des Dorfes. Bei klarer Sicht kann man sogar die Äolischen Inseln sehen.
La Torretta, Largo Torretta, Fiumefreddo Bruzio
Auf der Piazza steht ein Brunnen mit der Skulptur einer nackten Frau, die auf einer Welle surft. La ragazza del surf ist von 1978 und stammt vom Künstler Salvatore Fiume. Fiumefreddo Bruzio ist im Grunde eine öffentliche Werkschau des sizilianischen Künstlers. Er bemalte in den Siebzigern die Wände im Inneren des Castellos und der San Rocco Kapelle. Am Largo Rupe, dem nördlichen Ende des Dorfes, ganz in der Nähe der Kapelle, steht zudem die Skulptur Il medaglione della fortuna.
Eine Gelegenheit zum Besuch weiterer Orte in Kalabrien
Fiumefreddo Bruzio ist auf jeden Fall ein absoluter Geheimtipp in Kalabrien. Viele Touristen verirren sich nicht hierhin und wir sind fast ein wenig traurig, dass wir weiterfahren müssen. Die weiteren knapp 90 Kilometer nach Praia A Mare führen uns noch an einigen spannenden Ortschaften vorbei. So zum Beispiel an Paola, das ein beliebter Wallfahrtsort ist. Die Basilica di San Francesco zieht jährlich tausende Pilger an, die dem in Süditalien verehrten Heiligen huldigen wollen.
Wenn du Sehnsucht nach einer größeren Stadt hast, bietet sich von Paola aus die beste Gelegenheit für einen Abstecher nach Cosenza, das etwa 30 Kilometer entfernt im Landesinneren liegt. Weiter im Norden liegt der Küstenort Diamante. Sein historischer Stadtkern ist mit unzähligen Wandmalereien von süditalienischen Künstlern verschönert worden.
Kulinarischer Tipp
In Diamante hat die Accademia Italiana del Peperoncino ihren Sitz. In der zweiten Septemberwoche findet hier das Festivale del Peperoncino statt, bei dem du allerlei Köstlichkeiten mit der feurigen Schote probieren kannst. Wenn deine Augen allzu schnell tränen und du ins Schwitzen kommst, kannst du in der Nachbargemeinde Maierà das Museo del Peperoncino besuchen und alles über die Peperoni lernen.
Es ist später Nachmittag, als wir Praia a Mare erreichen. Von dort aus ist es nur ein Katzensprung in die Basilikata und rundum bieten sich jede Menge bildhübsche Dörfer für kleine Ausflüge an. Als wir endlich vor unserer geschichtsträchtigen Unterkunft stehen, verschlägt es uns den Atem! Doch dazu mehr im nächsten Teil des Reiseberichts! Weiter zu Teil 5: Kalabrien & Basilikata: die spektakuläre Küste von Praia a Mare und Maratea
Bereits erschienene Teile des Kalabrien-Reiseberichts:
1: Der südliche Zipfel Italiens: Scilla und Reggio Calabria
2: Von Scilla nach Tropea, der Perle des Tyrrhenischen Meeres
3: Karibischer Flair am Capo Vaticano und ein Tartufo in Pizzo
Du hast Fragen oder Anmerkungen? Du warst auch schon in Kalabrien? Berichte gerne in den Kommentaren von deinen Erfahrungen und Tipps!
Seinfeld
Danke, die Zusammenfassung über Kalabrien hat uns sehr geholfen.